Meschede/Schmallenberg. 2009 stand Andreas Thielemeier, der letzte Geschäftsführer des Hertie-Hauses, ohne Job und Perspektive da. Mit Glück und Einsatz ging es weiter.
2009 war Ende - damals schloss der Schmallenberger Andreas Thielemeier das Mescheder Kaufhaus ab, das erst Karstadt und dann Hertie gehört hatte. Bis zum letzten Tag hatte der Geschäftsführer noch die Warenträger verkauft, Kollegen Mut zu gesprochen und keine Zeit, sich um seine eigene Bewerbung zu kümmern. Doch dann fügte sich sein Schicksal ausgesprochen positiv, wie er im Rückblick sagt. Eine Mutmachergeschichte, die zeigt, dass man auf sich und seine Fähigkeiten und ein bisschen auch aufs Glück vertrauen darf.
Seit der Ausbildung bei Karstadt
Andreas Thielemeier war der letzte Geschäftsführer des Mescheder Warenhauses vor der Doppel-Insolvenz, erst Hertie, dann Karstadt. „Zuvor hatte ich jahrelang das goldene „K“ für Karstadt auf der Stirn“, sagt der 59-Jährige. Der gebürtige Unnaer studierte BWL und begann seine Ausbildung bei Karstadt Sport in Dortmund. Er durchlief alle Abteilungen. Als Geschäftsführer kam er 2005 nach Meschede. „Ein gutes Haus“, das betont er bis heute, „das bis zuletzt schwarze Zahlen schrieb.“ Schon oft war Thielemeier bis dahin umgezogen, für jede neue Stelle wechselte die Familie auch den Wohnort. „Wir haben immer nur gemietet.“
Auch Meschede sollte so eine Zwischenstation werden. „Meist dauerte es fünf Jahre, bis man die nächste Karrierestufe erklimmen konnte. Das wäre dann für mich Geschäftsführer in einem größeren Karstadt-Haus als Meschede geworden.“ Die Familie - Andreas Thielemeier, seine Frau Kerstin und die beiden Jungs - fand ein Haus in Schmallenberg, das ihr gefiel. „Was ich damals nicht wusste: Auch 2005 schon hatte Karstadt finanzielle Probleme.“ Kurz drauf wurden dann alle Häuser unter 8000 Quadratmeter Verkaufsfläche an das Finanzhaus Dawnay Day und die britische Unternehmensberatung Hilco verkauft. Die hatten auch die Namensrechte für Hertie mitgekauft. Als die dann 2008 auch Insolvenz anmeldeten, rissen sie Hertie mit. Ein Jahr lebten die Mitarbeiter noch mit der Ungewissheit. Dann schlossen sich am 15. August 2009 die Türen für immer.
Ausnahmezustand bis zur Schließung
Diese Zeit war auch für Andreas Thielemeier ein Einsatz im Ausnahmezustand. „Um meine eigene Bewerbung habe ich mich da noch gar nicht gekümmert. Wir alle haben ja immer gehofft, dass ein Investor kommt und es doch irgendwie weitergeht.“ Ein wenig Panik habe er schon bekommen, wenn er an sein Alter dachte. „Der Einzelhandel erlebte damals schon eine schwere Krise, und ich war 49 - da dachte man ja mit 50 ist alles vorbei.“ War es aber nicht.
„Nach der offiziellen Schließung war ich mit dem Hausmeister noch zwei Monate mit den letzten Arbeiten beschäftigt. Ende Oktober öffnete sich die Tür, ein Mann mit Bart trat ein und begann sofort, alles zu fotografieren. Als ich ihn gerade hinauswerfen wollte, tauchte hinter ihm der damalige Mescheder Bürgermeister Uli Hess auf und erklärte: „Das ist Herr Schapira, er interessiert sich für das Warenhaus.“
Centermanager in Karlsruhe
Letztlich hat Schapira das Haus nicht gekauft, aber im Gespräch stellte sich heraus, dass die Investoren-Familie mehrere Einkaufscenter besitzt, die sie über eine Düsseldorfer Gesellschaft verwaltete. In der Postgalerie in Karlsruhe war die Position des Center-Managers frei. Thielemeier bewarb sich und bekam den Job. Zwei Jahre später machte er sich mit einer eigenen Verwaltungsgesellschaft selbstständig, die jetzt ausschließlich für die Familie Schapira arbeitet. 16 Mitarbeiter hat er und verwaltet mit der CEMAGG, der Center Management GmbH, den Schwanenmarkt in Krefeld, das K3 in Heilbronn, die Postgalerie in Karlsruhe, den Hofgarten in Solingen und das City Carré in Magdeburg. Zurzeit baut die Investoren-Familie noch die Drei-Länder-Galerie in Weil am Rhein. Alles große Häuser mit bis zu 60 Ladenlokalen und bis zu 130.000 Quadratmeter Verkaufsfläche.
Lebensmittelpunkt in Schmallenberg
Andreas Thielemeier hat gut zu tun und wirkt zufrieden. Den Lebensmittelpunkt hat er in Schmallenberg behalten. „Unsere Söhne waren damals beide schon in der Schule und auch wir haben uns dort wohlgefühlt. So bin ich halt derjenige, der pendelt.“ Montags nach Karlsruhe und freitags oder samstags zurück ins Sauerland. Aber auch dazwischen ist er stets unterwegs, besucht die angeschlossenen Häuser. Dass jeder eine zweite Chance hat, davon ist er überzeugt. „Wenn man flexibel ist und sich auch in Bewerbungen und Bewerbungsgesprächen gut verkaufen kann. Ich bin kein Typ, der den Kopf in den Sand steckt. Eigentlich hatte ich bis zuletzt kaum Sorge davor, dass gar nichts mehr geht.“ Letztlich muss man wohl auch Chancen sehen, wenn sie sich bieten und zugreifen.