Meschede. Ein Urteil mit Brisanz kurz vor der Wahl: Die Stadt Meschede kann nicht mehr wie bisher über die Windkraft entscheiden. Investoren frohlocken.

Wenige Tage vor der Kommunalwahl wird ein Thema öffentlich, das Brisanz hat: Die Stadt Meschede wird bei der Windkraft künftig nicht mehr so eigenständig und frei agieren können wie es bislang der Fall war. Darauf hatte eine breite Mehrheit des Stadtrats allerdings gesetzt.

Grüne forderten schnelleren Ausbau


Gegen die Stimmen der Grünen - sie hatten einen schnelleren Ausbau der Windkraft gefordert - war im Juli 2019 beschlossen worden, gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vorzugehen, das bestehende Einschränkungen aufgehoben hatte. Wie jetzt bekannt wird, hat die Stadt Meschede vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster eine finale Niederlage erlitten.


Die Gerichtsbeschlüsse gegen die Stadt sind bereits in der vergangenen Woche ergangen: Der Stadtrat tagt in der aktuellen Besetzung zum letzten Mal im Oktober, die Stadtverwaltung wollte die Politiker dann darüber informieren - dazu, so Bürgermeister Christoph Weber, werde eine Mitteilung vorbereitet, es fehle aber noch eine letzte Rücksprache mit der Anwaltskanzlei, die die Stadt in dem Rechtsstreit vertritt. Weber sieht hier auch kein Thema für den aktuellen Kommunalwahlkampf: „Der Stadtrat war bei dem Thema in seinen Positionen ja auch nicht so weit auseinander.“ Er sagt: „Wie die Windkraft in Meschede jetzt ausgestaltet wird, ist Sache des neuen Stadtrates.“

Windkraft nur in Einhaus

Bislang wähnten sich die Kommunalpolitiker in Meschede in einer komfortablen Situation: In der  Kommune galt ein alter Flächennutzungsplan. Demnach war Windkraft nur in der bestehenden Zone in Einhaus vorgesehen. Weitere Bereiche hätte die Stadt Meschede nicht zur Verfügung stellen müssen, sie hätte es allerdings freiwillig können. Mit diesem Instrument konnte die Kommune alle Anträge abwehren, deren Standorte sie nicht für geeignet oder gewünscht hielt.


Dagegen klagten zwei der kommerziellen Anbieter, die bisher eine Abfuhr kassiert hatten. Vor dem Verwaltungsgericht in Arnsberg bekamen sie Recht - mit einer überraschenden Begründung. Die Richter hielten der Stadt Meschede einen Formfehler vor, den sie 2004 bei einer Änderung des Flächennutzungsplans gemacht habe: Im Amtsblatt sei damals als Geltungsbereich der Flächennutzungsplan-Änderung nur die Zone Einhaus genannt worden, nicht aber der gesamte Außenbereich, der durch die Konzentrationszone für Windkraft gesperrt wurde.

Keine Berufung zugelassen

Die Stadt Meschede hat daraufhin ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster angestrengt: Sie wollte erreichen, dass das Urteil aus Arnsberg in einer Berufungsverhandlung überprüft würde. Dazu kommt es allerdings nicht: Die nächsthöhere Instanz hat den Antrag aus Meschede in insgesamt fünf Beschlüssen verworfen. Es wird keine Berufung geben. Inhaltlich haben die Richter in Münster nicht zur Windkraft Stellung genommen. Sie haben stattdessen vielmehr einen winzigen Formfehler entdeckt und gerügt: In dem Amtsblatt von 2004 habe an einer Stelle das Wörtchen „schriftlich“ gefehlt - erkannte Mängel hätten damals eben „schriftlich“ der Stadtverwaltung mitgeteilt werden müssen. Einen Satz vorher taucht „schriftlich“ zwar auf - das aber reichte den Richtern nicht aus.


Die Folge: Der alte Flächennutzungsplan ist mit Blick auf die Windkraft endgültig hinfällig. In der Folge könnten jetzt Windräder an zahlreichen Stellen im Stadtgebiet entstehen: Von Freienohl war zuletzt die Rede, es gibt aber auch bereits Interessenten für Ennert und eben Calle. Wer eine Anlage errichten möchte, kann einen Antrag beim Hochsauerlandkreis stellen. Bei der Prüfung des Antrags nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bleibt der Flächennutzungsplan aber jetzt außen vor. Es geht dann unter anderem um Fragen, ob Abstände aus Gründen des Lärmschutzes eingehalten werden und ob der Artenschutz gefährdet wird. Es sind aber keine Standorte mehr von vornherein durch das Planungsrecht mehr ausgeschlossen.

Was macht das Land NRW?

Von heute auf morgen werden die neuen Windräder übrigens nicht entstehen: Pressesprecher Jörg Fröhling von der Stadt Meschede schätzt die Dauer solcher Verfahren auf mehrere Monate. Und dann ist da noch die kürzlich wiedereingeführte so genannte Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch: Nordrhein-Westfalen kann einen Mindestabstand von 1000 Meter bezogen auf noch näher zu definierende Wohnbauflächen einführen. Bis zum Anfang kommenden Jahres wird damit gerechnet.