Meschede. Der VCD kritisiert das 9-Euro Ticket fürs Sauerland. Warum Kreisvorsitzender Stefan Weh denkt, dass das Angebot im Sauerland verpufft.
Ein Schnellschuss, mit der Brechstange in nächtlichen Debatten durchgesetzt - Stefan Weh Kreisvorsitzender des Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Mitglied im VCD-Landesvorstand, lässt kein gutes Haar am 9-Euro-Ticket für Bus und Bahn. Er befürchtet „ein Strohfeuer für den ÖPNV“ in der Region mit teils übervollen Zügen, die niemandem Spaß machen und kaum jemand zum dauerhaften Umstieg auf den klimafreundlichen Nahverkehr bewegen werden. Denn das Grundübel vor allem im Sauerland bleibe ja: „Das Angebot ist teils zu schlecht und der Preis in normalen Zeiten viel zu hoch.“ Er nennt Beispiele.
Schlechte Taktung
Seit 2018 gibt es in Freienohl laut Weh nur eine Minute Zeit zum Übergang vom Zug aus Dortmund zum Bus nach Eslohe. Damals habe der Fußweg 30 Meter betragen, „mit den neuen Bahnsteigen sind es 400 Meter. Das ist nicht zu schaffen und seit Jahren fehlt eine Lösung“, ärgert sich Weh. Verantwortlich sei Meschede, denn die Stadt habe nach seinen Informationen beim Bau der Bahnsteige eine Fußgängerbrücke „verhindert“. Für abschreckend hält er auch sonntags den Zwei-Stunden-Takt der Busse von Schmallenberg zum Altenhundemer Bahnhof, von dem aus täglich jede halbe Stunde Züge nach Süden und Norden fahren. „Der Schnellbus 9 muss mindestens im Stundentakt bis 22 Uhr fahren, wenn man ernsthaft für Bürger und Touristen ein halbwegs gutes Angebot bieten will. So wird das nichts mit der Energie- und Verkehrswende. Stattdessen baut man lieber in Schmallenberg mehr als 50 neue Parkplätze.“ Und dass man - um von Altenhundem nach Bad Fredeburg zu fahren, seit Jahren in Schmallenberg in den S90 umsteigen müsse, das sei die „Kleinstaaterei der neuen Ausschreibungswelt.“
Unpünktlichkeit und Zugausfälle
Selbst bei Bussen wie dem R21, der am Bahnhof Arnsberg Richtung Sundern startet, sei der ÖPNV fast immer unpünktlich und gefährde so die Anschlüsse der Fahrgäste am Europaplatz. Dazu kämen weiterhin Zugausfälle. Zuletzt war die Technik im Stellwerk in Meschede defekt, sodass von 9 bis 14 Uhr keine Züge fuhren, Fahrgäste in Busse umsteigen mussten und Anschlüsse verpassten. „Wobei der NWL auf politische Nachfrage im Kreisverkehrsausschuss nicht mal klare Zahlen für Zugausfälle in Brilon Stadt und Winterberg nennen konnte.“
Frühangebot
Besonders kritisch sieht Weh, dass der HSK das schlechteste Früh-Angebot im ganzen NWL-Gebiet habe. Und Marsberg trage da die Rote Laterne. „Von dort aus kommt man quasi erst um 7 Uhr nach Kassel, seitdem 2008 der Frühzug gestrichen wurde. Selbst ein Nulltarif taugt nicht, wenn man nicht früh zur Arbeit kommen kann.“ Dagegen fahre für ihn völlig unverständlich morgens von Bestwig ein Zug als nicht öffentliche Betriebsfahrt ohne Fahrgäste nach Brilon- Stadt, obwohl unter anderem die Firma Egger dort um 6 Uhr Schichtbeginn habe. Eine Möglichkeit, Arbeitnehmer zum Umstieg zu bewegen, werde damit verspielt.
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Preis
Hier sieht Weh dann doch mal einen positiven Aspekt und macht ein Rechenbeispiel: „Wer heute ein Monats-Abo für 109 Euro hat, bekommt 300 Euro geschenkt. Das ist gut.“ Der Westfalen-Tarif sei ansonsten im NRW-Vergleich viel zu teuer. „Historisch einmalig haben wir mit dem 9-Euro-Ticket wenigstens für drei Monate endlich mal Gleichstand mit dem VRR-Tarif.“
Fazit
Wehs Fazit: „Volle Busse und Züge werden mit dem 9-Euro-Ticket noch voller.“ Im Sauerland sei dieses Thema außerhalb der Schülerspitzen hoffentlich zu verkraften. „In den meisten ist hier noch Platz.“ Probleme sieht er zur Hauptverkehrszeit und am Wochenende. Das größte regionale Problem bleibe das vergleichbar schlechte Angebot. „Daran ändert auch das 9-Euro-Ticket nichts. Das werden ab 1. Juni nur noch mehr Menschen erleben.“ Schlechte Taktung, hohe Preise und Verspätungen - damit überzeuge man niemanden, auf Bus und Bahn umzusteigen und die Effekte für den Klimaschutz würden verpuffen. Für das schlechte Angebot sieht Weh die Verantwortung im Bereich des NWL, des Nahverkehrs Westfalen-Lippe, und damit bei der Politik. Stefan Weh: „Das sind primär die Vertreter der politischen Mehrheit im NWL, Kreisdirektor Dr. Klaus Drathen und Wolfgang Diekmann (CDU-Kreistagsmitglied).
All das zeige ihm vor allem „die Inkompetenz der deutschen Verkehrspolitik.“ Auch hinter dem 9-Euro-Ticket steckt laut Weh ein „schlecht durchdachter Schnellschuss nach nächtlicher Debatte, ohne dass man sich vorher für eine gute Lösung mit den wichtigsten Akteuren zusammengesetzt hätte. Im besten Fall erleben wir ein nettes Experiment, aus dessen Effekten gelernt werden kann.“
Wie kommt man an das 9 Euro-Ticket?
Bei Bus und Bahn ist das Ticket ab dem 23. Mai erhältlich - vorausgesetzt Bundestag und Bundesrat stimmen dem Vorhaben in dieser Woche zu.
Dazu informiert die RLG: Abonnenten werden von ihrem Verkehrsunternehmen automatisch benachrichtigt und werden über den Weg der Verrechnung (Reduzierung des Bankeinzugs oder Erstattung) informiert. Sie müssen nichts weiter unternehmen.
Der Fokus für Neukunden des 9-Euro-Tickets liegt auf dem digitalen Vertrieb durch die Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde vor Ort - Online-Shop oder App.
Neukunden wird auch eine analoge barrierefreie Lösung angeboten werden (Kundenzentren, Verkaufsstellen, Automaten, im Bus etc.).