Meschede. Das 9-Euro-Ticket kommt. Ende Mai soll es erhältlich sein. Welche Auswirkungen ÖPNV-Experten im HSK erwarten.

Es klingt gut: Von Juni bis August zahlen alle Bundesbürger neun Euro pro Monat für ein Ticket im öffentlichen Personennahverkehr von Bus und Bahn. Bisher ist die einzelne Fahrt von Meschede nach Schmallenberg mit Kosten von 10,60 Euro schon 1,60 Euro teurer. Aber schafft das der ÖPNV im Sauerland überhaupt, wo werden Engpässe erwartet? Mit gemischten Gefühlen blicken die Experten von Bus und Bahn aus der Region auf das Angebot.

Marcus Knipschild, Busunternehmer und Busfahrer

Marcus Knipschild Inhaber und Geschäftsführer und Knipschild Reisen Meschede
Marcus Knipschild Inhaber und Geschäftsführer und Knipschild Reisen Meschede © Unbekannt | Alexander Pallmer

Marcus Knipschild ist Busunternehmer aus Meschede und fährt selbst im Auftrag der RLG. Noch hat er keine Infos, ob, wann und vor allem wie das Ticket kommt. „Grundsätzlich finde ich das Angebot aber in Ordnung.“ Und er ist auch überzeugt, dass die Busse im Sauerland kaum Probleme haben werden, die zusätzlichen Fahrgäste aufzunehmen. „Der größte Zeitraum des Angebots liegt in NRW ja in den Sommerferien, da ist es sowieso ruhiger.“ Er hofft, dass sich der ein oder andere Mescheder überlegt, das Auto mal versuchsweise stehenzulassen und dann merkt: So schlecht sind die Verbindungen gar nicht. „Zum Beispiel im Stadtverkehr, da fahren wir ja jede halbe Stunden mit der C1. Selbst nach Berge fährt der Bus jede Stunde.“ Und vielleicht, so hofft der Busunternehmer, bleiben dann im Anschluss ein paar dabei, weil sie merken, dass Busfahren viel komfortabler geworden ist, als sie es noch in Erinnerung haben. „Jeder Bus hat heute eine Klimaanlage und Anzeigetafeln, auf denen man sehen kann, wann welche Haltestelle angefahren wird. Dazu sind mittlerweile fast alle barrierefrei und haben eine Rollstuhlrampe - so genannte Niederflurbusse bzw. Low Entry.“

+++Lesen Sie auch; Als Skipper in der Karibik - Freienohler erfüllt sich einen Traum+++

Alexandra Schäfer, RLG

Alexandra Schäfer, Marketing RLG Brilon
Alexandra Schäfer, Marketing RLG Brilon © WP | RLG

Alexandra Schäfer vom RLG-Marketing weiß zum Zeitpunkt des Anrufes schon ein bisschen mehr, was geplant ist: „Das Ticket soll über die normalen Verkaufskanäle voraussichtlich ab dem 23. Mai erhältlich sein. Wer bereits ein Monats-Abo hat, dem wird die Differenz automatisch erstattet. Die Zusatzeinnahmen, die über das Ticket reinkommen, darf die RLG behalten.“ Die RLG habe ihre Hausaufgaben gemacht: „Der Ticketverkauf steht.“ Noch sei die Finanzierung aber offen, erst Ende Mai, so Schäfer werde der Bundesrat das Gesetz dazu verabschieden. „Wir sehen das 9-Euro-Ticket als Chance“, erklärt sie. Und: „Schön, dass die Bundesregierung auch mal an den ÖPNV denkt.“ Bei der RLG hoffe man schon, darüber ein paar neue Kunden zu gewinnen und auch Schäfer verweist auf den passenden Zeitrahmen: „Der Großteil fällt in die Ferien, da sehen wir keine großen Probleme. Wir lassen das Ganze jetzt mal auf uns zukommen.“

Uli Beele, Zweckverband Nahverkehr Westfalen Lippe (NWL)

Uli Beele ist der Pressesprecher der NWL.
Uli Beele ist der Pressesprecher der NWL. © WP | Benedikt Schülter

Deutlich kritischer sieht Uli Beele, Pressesprecher des Zweckverbands Nahverkehr Westfalen Lippe (NWL), das Angebot. In der Vergangenheit habe es immer mal Aktionen mit vergünstigten Tickets gegeben. Das Ergebnis: auf bestimmten Strecken - gerade in Richtung von attraktiven Freizeit-Zielen - seien die Züge überfüllt gewesen.

Noch sei nicht absehbar, wie stark die Bahnverbindung beispielsweise zwischen Dortmund und Winterberg von diesem Angebot betroffen sei. Dass es eng wird, könne man aber sicherlich nicht ausschließen und eine weitere Kapazitätssteigerung sei nicht kaum möglich. Alleine die Länge der Bahnsteige begrenze schon die Zahl der Waggons, die man an die Züge zusätzlich anhängen könne. „Mit solchen Angeboten spricht man die Kunden an, die nur selten die Bahn nutzen.“ Die Bahnstrecke von Dortmund nach Winterberg sei schon jetzt besonders von Ausflüglern an den Wochenenden stark nachgefragt. Natürlich bereite man sich hinter den Kulissen auf mögliche Szenarien und Strategien vor. Doch die Palette an Möglichkeiten sei begrenzt, so Beele. Möglicherweise könne man für den Notfall eine Busflotte am Dortmunder Hauptbahnhof bereithalten, um zu Spitzenzeiten die Züge zu entlasten. „Das ist natürlich sehr teuer“, so der Pressesprecher. Auch das viele mit dem Fahrrad anreisen würden, müsse man einkalkulieren. Die Räder müssten aber extra bezahlt werden.

Lothar Ebbers, Pro Bahn

Lothar Ebbers, Fahrgastverband PRO BAHN.
Lothar Ebbers, Fahrgastverband PRO BAHN. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Auch der NRW-Pressesprecher vom Fahrgastverband Pro Bahn warnt: „Auf einer so typischen Touristenverbindung wie der über Meschede nach Winterberg muss man mit deutlichen Problemen rechnen“, sagt Lothar Ebbers. Dass der Zeitraum der vergünstigten Tickets in NRW ausgerechnet in die Ferienzeit falle, wird seiner Ansicht nach, die angespannte Fahr-Situation auch unter der Woche erschweren. Bauarbeiten an der Strecke könnten für weitere Probleme sorgen.

>>> HINTERGRUND

Das 9-Euro-Ticket ist eine Initiative der Bundesregierung.

Im Rahmen des Energie-Entlastungspaketes wurde vereinbart, dass Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs in Deutschland drei Monate lang für 9 Euro im Monat fahren dürfen.

Damit sollen auch Umsteiger vom Auto gewonnen werden, um Benzin und Diesel zu sparen.

Die RLG rechnet damit, dass das Ticket ab 23. Mai über die üblichen Verkaufskanäle online und am Schalter erhältlich ist.