Menden/Köln. Aufzeichnung der letzten Radiosendung mit dem Mendener Buchhändler und Christine Westermann. WDR setzt nach 16 Jahren auf neue Formate.

Der Mendener Buchhändler Andreas Wallentin und die Moderatorin Christine Westermann sind seit 16 Jahren ein eingespieltes Team. So lange gab es ihre gemeinsame Radiosendung „WDR 5 Bücher“. Der WDR nimmt zum Februar 2025 einige Veränderungen im Programm vor – „WDR 5 Bücher“ gibt es dann nicht mehr. Die Westfalenpost hat den Buchhändler bei der Aufzeichnung der letzten Sendung begleitet.

Erst in die Buchhandlung, dann nach Köln

Es ist ein gewohntes Prozedere. Nachdem Andreas Wallentin morgens noch kurz in seiner Buchhandlung an der Unnaer Straße war, macht er sich mit dem Auto auf den Weg nach Köln. Die Strecke in die Domstadt kennt er aus dem Eff-Eff. „Manchmal fährt meine Frau auch mit“, sagt er. Die Begleitung tut ihm gut. „Wenn ich alleine unterwegs bin und mit niemandem spreche, muss ich meine Stimme erst wiederfinden.“ Dass an diesem Freitag der WP-Reporter mit an Bord ist, ist also eher ein glücklicher Umstand.

„Wenn ich alleine unterwegs bin und mit niemandem spreche, muss ich meine Stimme erst wiederfinden.“

Andreas Wallentin
auf der Fahrt nach Köln

Um 13 Uhr beginnt die Aufzeichnung der Sendung. Mit seiner „Bücherkomplizin“ Christine Westermann trifft er sich schon um 12. 15 Uhr. Früher haben sie das Café im Museum für Angewandte Kunst besucht. Seit dem Corona-Lockdown gibt es das nicht mehr, nun ist das Studio beim WDR der Treffpunkt. Andreas Wallentin erreicht Köln pünktlich. „Auf dem Hinweg gibt es meist keine Probleme“, sagt er bei der Einfahrt ins Parkhaus. Wenige Schritte, dann ist das Funkhaus erreicht. Andreas Wallentin zückt seinen Hausausweis, er ist hier Teil eines großen Teams. Mit dem Fahrstuhl – nicht dem berühmten Paternoster – geht es rauf zum Studio. Noch ist die Tür zu, Christine Westermann ist noch nicht da. Aber der Buchhändler ist auch überpünktlich.

Letzte Aufzeichnung WDR 5 Bücher
Andreas Wallentin und Christine Westermann gehen vor der letzten Aufzeichnung im Studio 84 noch einmal gemeinsam das Manuskript durch. © WP | Dirk Becker

Als die Moderatorin kommt, ist die Begrüßung herzlich. Beide wissen: Diese letzte Sendung ist etwas Besonderes. Christine Westermann fragt, ob Andreas Wallentin schon Taschentücher braucht. Nein, aber ihren geliebten Pfefferminztee – den trinken sie beide. Dann gehen sie gemeinsam noch einmal das Manuskript durch. „Ich habe hier nochmal etwas geändert“, sagt Christine Westermann. Der Mendener nickt, nimmt es routiniert zur Kenntnis. Kurzfristige Planänderungen können ihn nicht erschüttern. Beide wirken ruhig, sie plaudern noch über den Umzug der Moderatorin und die Buchhandlung in Menden. Dann taucht plötzlich ein Mann auf. Volker Schaeffer, Leiter Programmgruppe Aktuelle Kultur, wünscht den beiden eine schöne letzte Sendung und bedankt sich. Es ist eben doch einiges anders an diesem Tag.

Letzte Aufzeichnung WDR 5 Bücher
Immer die Hand an Tasten und Hebeln: Jürgen Beiner sitzt in der Technik und schneidet die Sendung im Anschluss an die Aufzeichnung. © WP | Dirk Becker

Der nächste, der „Hallo“ sagt, hat eine besonders wichtige Rolle. Jürgen Beiner sitzt an der Technik. Er schiebt nicht nur während der Aufnahme an den Reglern, spielt Jingles – der WDR nennt sie „Bumper“ – ein und drückt Knöpfe. Jürgen Beiner schneidet später auch die Sendung. Mindestens ebenso wichtig: Ruth Dickhoven. Die WDR-Redakteurin leitet die Sendung und sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Mit ihrem herzlichen Lachen sorgt sie für noch mehr Lockerheit. Dann aber wird es langsam still. Jürgen Beiner und Ruth Dickhoven sitzen an ihren Schreibtischen diesseits der Glasscheibe, Andreas Wallentin und Christine Westermann an den Mikros auf der anderen. Dann geht es los, die rote Lampe leuchtet. Aufnahme. Christine Westermann begrüßt die Zuhörer.

„Wir nehmen die Sendung unter Live-Bedingungen auf und spielen auch die Musik ein – das ist wichtig, damit wir schon bei der Produktion ein Gefühl dafür haben, wie die Sendung nachher im Ganzen klingt.“

Ruth Dickhoven
WDR-Redakteurin

„Die Aufzeichnung erfolgt live on tape“, erklärt Ruth Dickhoven dem interessierten WP-Reporter. „Das bedeutet: Wir nehmen die Sendung unter Live-Bedingungen auf und spielen auch die Musik ein – das ist wichtig, damit wir schon bei der Produktion ein Gefühl dafür haben, wie die Sendung nachher im Ganzen klingt. Gesendet wird sie dann zu einem späteren Zeitpunkt“, sagt sie. Die Musik habe auch Einfluss auf die Moderatoren. Dass sie damit richtig liegt, wird an diesem Tag besonders deutlich. Als Suzanne Vegas „Harper Lee“ erklingt, ist Christine Westermann gerührt: „Was für ein schönes Lied!“ Ausgesucht hat es nicht die Redakteurin, sondern ein freier Mitarbeiter. Auch für Markus Kunz ist diese Aufzeichnung ein letztes Mal. „Wir nennen ihn auch den Sendungs-DJ. Er sucht mit viel Herzblut die Lieder für die Sendung aus“, erklärt Ruth Dickhoven.

Letzte Aufzeichnung WDR 5 Bücher
Redakteurin Ruth Dickhoven sorgt dafür, dass auch bei der letzten „WDR 5 Bücher“-Sendung alles glatt läuft. © WP | Dirk Becker

Als direkt im Anschluss an „Harper Lee“ der Bumper für die Rubrik „Buchladengeflüster“ ertönt, wird es emotional. Christine Westermann spricht mit Andreas Wallentin über dessen Buchhandlung und was die Sendung in 16 Jahren mit ihm persönlich gemacht habe. Der Mendener erzählt, dass er wegen der Sendung mehr Bücher gelesen habe, zu denen er sonst vielleicht nicht gegriffen habe. Und er berichtet über vermeintliche Kundinnen und Kunden in seinem Geschäft, die eigentlich nur mal den Buchhändler aus dem Radio sehen und kennenlernen wollen.

Nachhören: Wer die Sendung verpasst hat, findet hier die einzelnen Beiträge

Andreas Wallentin und Christine Westermann erinnern sich auch an die Sendung, die am 23. November 2012 in der Buchhandlung Daub aufgenommen wurde. Andreas Wallentin erinnert daran, dass Christine Westermann damals auch die inzwischen verstorbene Buchhändlerin Christina Ullrich interviewt hat. „Das war mir in der Situation ein wichtiges Anliegen“, wird der Mendener später auf der Rückfahrt sagen. Jetzt, im Studio, nimmt er die Brille ab, reibt sich die feuchten Augen.

In der Sendung folgt nun in der Rubrik „Auf meinem Nachttisch“ ein Gespräch Westermanns mit Mona Ameziane. Beide produzieren gemeinsam auch den Podcast „Zwei Seiten – Der Podcast über Bücher“. Der wird künftig sonntags zu hören sein auf einem der beiden Sendeplätze, die „WDR 5 Bücher“ freimacht. Samstagabends wird die neue Sendung „Westart Lesen“ ausgestrahlt.

Letzte Aufzeichnung WDR 5 Bücher
Andreas Wallentin zeigt die Tasse, auf dem ein Foto mit ihm und seiner „Bücherkomplizin“ Christine Westermann zu sehen ist. © WP | Dirk Becker

Als die Sendung mit „Thank you for the music“ endet, bekommen Andreas Wallentin und Christine Westermann nicht nur Applaus von der anderen Seite der Glasscheibe. Auch zahlreiche Wegbegleiter kommen, um sich zu verabschieden und ihren Dank auszudrücken. Angestoßen wird mit (auch alkoholfreiem) Sekt. Und Ruth Dickhoven, die vom „Ende einer Ära“ spricht, überreicht beiden Akteuren Blumen und Tassen mit einem Foto von Andreas Wallentin und Christine Westermann. „Bücherkomplizen“ steht darunter – und das werden beide auch für immer bleiben.

Letzte Aufzeichnung WDR 5 Bücher
Zahlreiche Wegbegleiter verabschieden sich von Andreas Wallentin und Christine Westermann. © WP | Dirk Becker