Menden. Ungewöhnliche Idee kommt bei trauernden Menschen an. Johanniter-Hospizdienst und das Ordnungsamt der Stadt führen das Angebot weiter.
„Du warst die Liebe meines Lebens. Du fehlst mir so sehr.“ Der Stern mit der handgeschriebenen Widmung baumelt mit anderen in den Zweigen der Tanne in der Kapelle auf dem Limberg-Friedhof in Menden. Auf anderen Sternen stehen andere Worte, auf einigen nur ein Vorname. Dieser Baum in Menden ist ein ganz besonderer: ein Sternenbaum. Geschmückt haben ihn Menschen, die ihre Lieben am Limberg beerdigen mussten. „Weihnachtszeit“, sagt Birgit Sturzenhecker, „ist Familienzeit. Und viele vermissen ihre lieben Verstorbenen jetzt ganz besonders.“
Sternenbäume stehen am Limberg und in Lendringsen
Um ihnen näher zu sein, gibt es die Sternenbäume, einen am Limberg, einen in Lendringsen. Birgit Sturzenhecker ist im Ordnungsamt seit drei Jahren für die beiden städtischen Friedhöfe zuständig. Von Amts wegen kümmert sie sich um das Friedhofswesen, aber sie findet, das muss mehr sein als die bloße Organisation reibungsloser Abläufe auf Begräbnisstätten: „Hier geht es ja um Menschen.“
Idee der Johanniter gemeinsam weiterentwickelt
Deshalb war sie ganz Ohr, als sich Silvia Nowak, die Koordinatorin der Johanniter in Iserlohn und deren Ambulantem Hospizdienst, vor einiger Zeit bei ihr und der Ordnungsamtsleiterin Manuela Schmidt meldete. Die Idee der Johanniter, Friedhöfe zu beleben, höre sich für viele Menschen sicher erstmal seltsam und widersprüchlich an. Aber gemeinsam entwickelten die Frauen auf beiden Seiten daraus das Konzept der Sternenbäume im Advent. Überschrift: „Gespräche gegen die Einsamkeit“.
„Die Leute haben sich über unser kleines Empfangskomitee erst gewundert. Aber dann sind doch einige gekommen, um mit uns zu reden.“
Gesprächsangebot bei einer heißen Tasse Tee angenommen
Die Johanniter sorgten für die gebastelten Sterne, Birgit Sturzenhecker für die Bäume. Gemeinsam mit den ehrenamtlichen und ausgebildeten Hospizhelferinnen der Johanniter standen Sturzenhecker und Schmidt dann am ersten Advent für jeweils eine Stunde am Limberg und in Lendringsen, als Ansprechpartnerinnen für Friedhofsbesucher mit der Einladung zu einer heißen Tasse Tee.
„Die Leute haben sich über unser kleines Empfangskomitee erst gewundert. Aber dann sind doch einige gekommen, um mit uns zu reden.“ Diese Gespräche auf dem Friedhof drehten sich um die Trauer, das plötzliche Alleinsein und den Umgang damit. Um Ratlosigkeit und Hilflosigkeit nach dem Verlassenwerden. Aber auch darum, was man tun kann, um nach dem schmerzlichen Verlust wieder Lebensfreude zu entwickeln. Und dann schrieben einige ihre Hoffnungen, Gedanken, Wünsche und kleine Botschaften an ihre Verstorbenen auf die Sterne.
Neuauflage im Frühjahr und weitergehende Pläne
„Wir wussten ja nicht, wie das neue Angebot überhaupt bei den Menschen ankommt“, berichtet Birgit Sturzenhecker. Doch es habe erstaunlich gut geklappt, und so soll es im neuen Jahr eine Neuauflage geben. Im Frühjahr wollen sie an einem Sonntag im Monat wieder ihren Stand auf einem der städtischen Friedhöfe aufbauen und besonders auf Menschen achten, die alleine kommen, um Angehörige zu besuchen.
Das Ziel der Johanniter, die Tabuzone Friedhof von der schieren Begräbnisstätte zu einem Ort der Begegnung, Einkehr und Erinnerung zu machen, den man gerne aufsucht: Dafür ist dank der Sternenbäume in Menden jetzt der Anfang gemacht. Alle Beteiligten können sich vorstellen, das Konzept noch auszubauen; vielleicht mit Autorenlesungen zu Leben und Tod, mit Beratungs- und Hilfsangeboten zu Einsamkeit oder Depression, aber auch zu den Bestattungsmöglichkeiten. Denkbar wären für die Initiatorinnen auch Ausstellungen in der Kapelle oder Führungen über die Friedhöfe, sagt Birgit Sturzenhecker. „Denn der Tod, den viele einfach verdrängen, gehört in Wahrheit zum Leben.“
Künftig sollen auch digitale Führungen möglich sein
Die Führungen will Birgit Sturzenhecker in Zukunft auch digital anbieten, die Plattform dafür baut sie gerade auf. Wenn sie fertig ist, soll die Seite nicht nur zeigen, wer wo liegt, dazu die Wegeführung, die Bereiche für anonyme Gräber oder Baumbestattungen, die Ablaufdaten der Gräber oder die Planungen für Grabfelder. Hier sollen Nutzer auch alle sonstigen Angebote rund um die Friedhöfe abrufen können.
Fertig sein soll die aufwändige Seite in ein bis zwei Jahren. Und alle hoffen, dass sich darauf auch die Sternenbäume noch finden.