Menden. Zwölf Erwachsene, ein Jugendlicher und ein Kind wollen in Menden ihr Geschlecht jetzt neu eintragen lassen. Reform macht das einfacher.

Zwölf erwachsene Menschen, ein Jugendlicher und ein Kind unter 14 Jahre haben aktuell beim Standesamt Menden beantragt, für ein anderes Geschlecht als bisher eingetragen zu werden, auch mit neuen Vornamen. Das berichtet Stadt-Pressesprecherin Vanessa Wittenburg auf Anfrage der WP. Seit dem 1. November ist der Neueintrag nach dem neu gefassten Selbstbestimmungsgesetz möglich. Mitbringen muss man dafür lediglich Geburtsurkunde und Personalausweis. Wer verheiratet ist, braucht zusätzlich die Eheurkunde, wer Kinder hat, auch deren Geburtsurkunden. Für Kinder bis 14 Jahre müssen die Eltern den Antrag stellen, für Jugendliche bis 18 ist deren Einverständnis notwendig.

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Weiblich, männlich, divers oder ohne Angabe: Alles ist möglich

„Man kann weiblich, männlich oder divers als Geschlechtseintrag erklären oder ohne Angabe. Die Namen müssen passend zu dem gewählten Geschlechtseintrag ausgesucht werden. Es können bis zu fünf Namen gewählt werden“, erklärt Wittenburg weiter. Zwar könnten Anmeldung und Erklärung bei jedem deutschen Standesamt abgegeben werden, jedoch nicht bei zwei verschiedenen. Somit ist es auch denkbar, dass Menschen aus Menden ihre komplette Umtragung andernorts vornehmen lassen, die Zahl der Änderungen in Menden also höher wäre. Umgekehrt könnten einige Anträge beim Standesamt Menden auch von Menschen gestellt worden sein, die gar nicht in der Hönnestadt leben.

Vanessa Wittenburg

„Die Namen müssen passend zu dem gewählten Geschlechtseintrag ausgesucht werden.“

Vanessa Wittenburg

Neue Namen können bis kurz vor Erklärung nochmals geändert werden

Wirksam wird die Erklärung für einen in Menden geborenen Menschen allerdings erst, wenn auch das hiesige „registerführende“ Standesamt die Erklärung entgegengenommen hat. Zwischen Anmeldung und Erklärung müssen mindestens drei und höchstens sechs Monate liegen. Wer diese Termine außer acht lässt, für den beginnt das Ganze nochmal von vorne. Die neuen Namen, die bei der Anmeldung angegeben werden, sind nicht bindend und können sogar noch bei der Erklärung wieder geändert werden. Nach einem Jahr kann auch die ganze Erklärung wieder zurückgenommen werden. Dann müssten die Betroffenen jedoch entweder ein anderes Geschlecht erklären oder zum ursprünglichen Eintrag zurückkehren.

Der erste queere Gottesdienst der Katholischen Kirche in Menden im Mai 2022. Seither gab es mehrere weitere Veranstaltungen dieser Art.
Der erste queere Gottesdienst der Katholischen Kirche in Menden im Mai 2022. Seither gab es mehrere weitere Veranstaltungen dieser Art. © WP | Friederike Schwarz

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Vereinfachtes Verfahren jetzt ohne Gutachter, Gerichte und Mediziner

Das alles mag sich kompliziert lesen, es ist aber ungleich einfacher als bisher. Unter dem zuvor geltenden „Transsexuellengesetz“ brauchte es zur Änderung des Geschlechtseintrags zwei Sachverständigengutachten und eine gerichtliche Entscheidung. Diese Vorgaben empfanden viele Betroffene als entwürdigend. Das Verfahren war außerdem langwierig und kostete viel Geld. Sogar die Gutachterinnen und Gutachter äußerten sich im Vorfeld zunehmend skeptisch zu ihrer Begutachtungspflicht: So sprach sich der Deutsche Psychotherapeutentag für die Regelung über das Standesamt aus. Denn: Der Eintrag solle vom Geschlechtsempfinden des betreffenden Menschen abhängig sein und nicht mehr von Ansichten Dritter. Daneben musste zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bislang auch noch ein Arzt bescheinigen, dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorlag. Auch diese Untersuchung ist mit dem neuen Gesetz entfallen.

Kritiker fürchten Beliebigkeit und Ausnutzen von Frauenrechten

An dieser Reform gibt es indes auch weiterhin Kritik. Die Gegner betonen, dass es nur zwei Geschlechter gebe, und sie bewerten eine Jahr für Jahr mögliche neue Geschlechter- und Namenswahl als Beliebigkeit. Frauenrechtlerinnen sehen Errungenschaften der Emanzipation ad absurdum geführt, wenn sie jetzt auch Männern nutzen, die nur dank ihrer Erklärung auf dem Standesamt als Frauen gelten. Auf der anderen Seite steht das Grundgesetz: Es schützt das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung, und das hat auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach klargestellt. Durch das neue Gesetz werde die Verwirklichung dieses Rechts erleichtert.