Menden-Bösperde. Großbaustelle am Bahnsteig steht seit Monaten still, rundum gelten Sperrungen und Halteverbote weiter. Stadt reagiert nach WP-Anfrage.

Es klingt nach der nächsten Posse der Deutschen Bahn: Sie beginnt am Haltepunkt Menden-Bösperde mit den Sommerferien, als die Bauarbeiten zur Komplettsanierung des Bahnhofs beginnen und die Strecke dafür Ende Juli für sechs Wochen gesperrt wird. Dann fällt dem Bautrupp auf, dass eine 80 Meter lange Stützmauer baufällig ist. Vor Ort hören Anwohner, dass die Mauer schon seit zwei Jahren verstärkt sein sollte, damit sie auch den künftigen, um 36 Zentimeter höheren Bahnsteig absichern kann.

Baustelle Bahnhof Bösperde
Die Stützmauer entlang der Privatgrundstücke: Das brüchig wrkende Bauwerk beginnt kniehoch, erreicht aber 50 Meter weiter eine Höhe von annähernd drei Metern. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Doch die Bahn-Bauer wissen sich offenkundig zu helfen. Anlieger berichten der WP weiter, dass die Bauleute nach einem Besuch des Projektleiters die Stützmauer erstmal Stützmauer sein ließen. Stattdessen sei nun massenhaft Beton unter den Bahnsteig gelaufen. Der so entstandene Klotz unter der Erde solle offenbar die Last des neuen Bahnsteigs tragen helfen. Doch über diese Arbeiten für das Provisorium läuft die Sechs-Wochen-Frist der Gleis-Sperrung ab. Und kurz bevor wieder die Züge statt der Ersatzbusse rollen, wird die Baustelle vor den Augen der Anlieger eilends dichtgemacht. Das zuvor ratzekahl abgebaute und beiseite gelegte Bahnsteig-Mobiliar samt Wartehäuschen und Müllbehälter bauen die Arbeiter rasch noch wieder auf. Und kommen dann nicht mehr wieder.

Baustelle Bahnhof Bösperde
Überall Halteverbote: Im Abstich der Fröndenberger Straße zum Bahnhof Bösperde dürfen Anlieger fast nirgendwo mehr stehen. Doch das wird von vielen inzwischen ignoriert. Jetzt will die Stadt alles abbauen. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Auch interessant

Seit zwei Monaten liegt die Baustelle nun brach. Die massiven Einschränkungen für Anwohner und Öffentlichkeit rund um den Bahnof Bösperde gelten aber einfach weiter. Da ist zum Beispiel die Sperrung des Fußgängertunnels unter den Gleisen, die bis heute zu beiden Seiten auf Verkehrsschildern angezeigt wird. Auf einem heißt es sogar: „Fußgängerunterführung gesperrt, Radweg Fröndenberg/Menden frei.“ Tatsächlich gibt es die Sperrung überhaupt nicht, der Tunnel ist frei begehbar. Schleierhaft bleibt auch, wieso der Radweg, der nur durch den Tunnel erreichbar ist, dann „frei“ sein kann. Wenn man die Tunneltreppen zu Fuß nicht benutzen darf, wieso dann mit dem Rad?

Auch interessant

Baustelle Bahnhof Bösperde
Sinnlos-Schilder: Nicht nur der angeblich gesperrte Fußgängertunnel ist problemlos zu durchqueren. Der „freie“ Radweg Fröndenberg/Menden wäre von hier aus nur durch den Tunnel zu erreichen. Auch das will die Stadt jetzt abräumen. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Hinzu kommen absolute Halteverbote zu beiden Seiten der Fröndenberger Straße, die hier bis an die Gleis-Unterführung heranreicht. Anlieger berichten freimütig, dass sie inzwischen beide Verbote ignorieren. Denn der heruntergekommene Tunnel wirkt zwar wie die Kulisse des berühmten Dementoren-Angriffs auf Harry Potter, doch ist die Röhre unter den Gleisen weiter problemlos zu durchqueren – sofern man es nicht mit dem Rad versucht. Und was die Halteverbote angeht: Einen Baustellenverkehr, dem man den Weg freihalten müsste, gibt es hier schon lange nicht mehr. Auch die Spielerinnen und Spieler, die in der kleinen Tennishalle des TC Rodenberg trainieren, stellen ihre Autos mittlerweile ins Halteverbot, wenn beide Hallen-Parkplätze des Vereins belegt sind, berichten die Anlieger weiter.

Baustelle Bahnhof Bösperde
Der angeblich gesperrte Tunnel: Die aktuell frei begehbare Röhre soll künftig einem Übergang weichen. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Die Bürgerinnen und Bürger in Bösperde sind mittlerweile jedenfalls ratlos: „Uns wurde von den freundlichen Arbeitern auf der Baustelle gesagt, dass die Bautrupps entweder im November wiederkommen. Oder im Frühjahr. Oder in zwei Jahren“, schüttelt ein Anlieger, der ungenannt bleiben will, den Kopf. Infoschreiben habe es nur zum Jahresanfang gegeben: Da kündigte die Bahn ihre Großbaustelle an und bot den unmittelbaren Anliegern im Bahnhofsbereich wegen des kommenden Baulärms sogar bezahlte Hotelzimmer an. Inzwischen hören die Leute nichts mehr. „Die waren einfach weg.“

Baustelle Bahnhof Bösperde
Auf der Seite des Schwarzen Weges soll ein ganz neuer Bahnsteig entstehen, damit sich Fahrgäste und Radfahrer nicht mehr in die Quere kommen. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Dafür gibt es auf der Ex-Baustelle einiges zu sehen: Die Hälfte der großen Container für die Bauarbeiter ist noch da, die andere Hälfte ist inzwischen abgebaut. Daneben lagern schwere Beton-Profile und ein großer Haufen Schotter. Dazu sieht man jede Menge Sperrbaken, die aber allesamt zur Seite gestellt worden sind. Eine Anfrage der WP bei der Stadtverwaltung zeigt indes Wirkung: Das Rathaus nimmt sofort Kontakt zur Deutschen Bahn auf und zu den Kollegen, die für die Aufstellung der Verkehrszeichen zuständig sind.

Das Ergebnis teilt Stadt-Sprecherin Vanessa Wittenburg mit: „Die Maßnahmen, die für die Dauer der Baumaßnahme ergriffen wurden, werden so schnell wie möglich abgebaut. Leider hat die Deutsche Bahn uns nicht entsprechend informiert bzw. haben die Arbeiter vor Ort versichert, dass die Verkehrsmaßnahmen entsprechend zurückgebaut werden, sobald die Arbeiten beendet oder unterbrochen werden. Dies ist leider nicht passiert, sodass wir jetzt selbst tätig werden. Wir bedanken uns für den Hinweis und nehmen die Halteverbote und Sperrungen selbstverständlich zurück.“ 

Baustelle Bahnhof Bösperde
Die Baustelle am DB-Haltepunkt Bösperde: Die Hälfte der Container für die Bauarbeiter ist abgebaut, die andere Hälfte ist noch da. Hinten rechts liegen Betonprofile und ein großer Haufen Schotter. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Was will die Bahn in Bösperde eigentlich machen? Die Antwort: Im Zuge der bürgerfreundlichen Modernisierung auch kleinerer Bahnhöfe und Haltepunkte soll in Bösperde tatsächlich ein großes Rad gedreht werden. Der Bahnsteig auf der Seite der Fröndenberger Straße soll um fast 40 Zentimeter angehoben werden, damit Fahrgäste barrierefrei zusteigen können. Der schmale Bahnsteig auf der gegenüberliegenden Seite, der obendrein noch als beliebter Radweg genutzt wird, soll dort gänzlich verschwinden und jenseits des Tunnels, also etwa 100 Meter weiter, ganz neu entstehen. Der Tunnel selbst soll durch eine Alu-Brücke wie in Fröndenberg ersetzt werden. Auch mit Aufzügen für die Barrierefreiheit. Doch dafür müssten die Arbeiten wieder einsetzen.

Eine schriftliche Anfrage der WP bei der Pressestelle der DB vom Montag blieb bisher unbeantwortet.