Menden. Der „Friedhof der Zukunft“ soll seltenen Pflanzen und Tieren ein Zuhause geben. Was Angehörige künftig bei der Grabpflege beachten sollen.

Friedhöfe sind sensible Orte. Menschen pflegen die Gräber verstorbener Angehöriger – oft in deren Sinne. Unkraut wird gezupft, Blumen gegossen, die Bepflanzung immer wieder erneuert. Viele Friedhofbesucher erwarten zugleich, dass auch die Wege gepflegt sind und Hecken geschnitten. Und natürlich, dass auch die benachbarten Gräber einen guten Eindruck machen.

Ein Stück weit wird damit in Menden nun gebrochen. Die Evangelische Kirchengemeinde Menden hat den geförderten Biodiversitäts-Check gemacht und die Friedhöfe „Am Hahnenbusch“ und „Wietholz“ gemeinsam mit Experten genauer unter die Lupe genommen. Nun gibt es Vorschläge, wie die Anlagen als Lebensraum für Pflanzen und Tiere noch aufgewertet werden könnten. Setzt die Gemeinde diese um, dürfte sich das Bild vor Ort verändern. Die Gemeindeglieder und alle Friedhofsbesucher auf dem Weg zu mehr natürlicher Vielfalt mitzunehmen, ist ein erklärtes Ziel. Und deswegen steht auch fest: Die Kirchengemeinde wird über ihre Maßnahmen nicht nur informieren, sondern diese auch erklären.

Der Biodiversitäts-Check

Der Biodiversitäts-Check in Kirchengemeinden (BICK) mit dem Schwerpunkt Friedhöfe wird im Bundesprogramm „Biologische Vielfalt“ durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert.

Seit dem 1. April 2021 haben sich bundesweit rund 320 Friedhöfe am Biodiversitäts-Check beteiligt. Das Programm endet mit Ablauf von fünf Jahren am 31. März 2026. Insgesamt stehen für den Förderzeitraum rund 3,58 Millionen Euro zur Verfügung

Dr. Gunnar Waesch und Carina Völker vom Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen sind als BICK-Leiter auch die Ansprechpartner für die beteiligten Kirchengemeinden. Neben der Evangelischen Kirche von Westfalen setzen sich auch die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers und das Erzbistum Köln in dem Verbundprojekt dafür ein, Friedhöfe auch zu Orten der biologischen Vielfalt zu machen.

Nach intensiver Vorbereitung fand am 4. Juni eine Begehung der beiden Friedhöfe statt. Ziel war es zu ermitteln, wie wertvoll die Anlagen als Lebensraum bereits sind. „Wir konnten natürlich nur stichprobenartig prüfen und haben nicht alle Arten erfassen können, die es auf dem Friedhof gibt“, erklärt Dr. Gunnar Waesch, gemeinsam mit Carina Völker Autor des anschließenden Berichts. Er erläutert, warum Friedhöfe überhaupt geprüft werden. Der Rückgang der Artenvielfalt gelte neben dem Klimawandel als das gravierende Umweltproblem schlechthin. Auf Friedhöfen könne die biologische Vielfalt erhöht werden.

„Wir rufen nicht dazu auf, jetzt nirgendwo mehr zu mähen. Wenn wir kleine Inseln schaffen, die nur zwei oder drei Mal im Jahr gemäht haben, dann entstehen dort Lebensräume für viele Arten.“

Dr. Gunnar Waesch
Leiter Biodiversitäts-Check in Kirchengemeinden

Die Ausgangslage auf den beiden Friedhöfen in Menden ist günstig. Es gibt schon relativ viele Arten, kleinere Maßnahmen könnten sich sehr positiv auswirken. Das fängt schon beim Mähen von Wiesen an. „Wir rufen nicht dazu auf, jetzt nirgendwo mehr zu mähen“, sagt Waesch. Es zeige sich aber: „Wenn wir kleine Inseln schaffen, die nur zwei oder drei Mal im Jahr gemäht haben, dann entstehen dort Lebensräume für viele Arten.“ Damit meint er nicht nur Insekten, sondern auch Pflanzen, die eine Wachstumschance bekommen. Wiesen auf Friedhöfen seien für solche Maßnahmen besonders interessant, weil sie oft viele Jahre lang nicht mehr gedüngt worden seien. Bedeutet: Auf den Friedhöfen gibt es keinen englischen Rasen, sondern Wiesen mit vielen Kräutern.

Biodiversitäts-Check Menden
Die Evangelische Kirchengemeinde Menden beteiligt sich am Biodiversitäts-Check: Ein Infoabend im Paul-Gerhardt-Haus zeigt das große Potenzial der beiden Friedhöfe „Am Hahnenbusch“ und „Wietholz“. © WP | Dirk Becker

Was aber sagen die Besucher, wenn aus ihrer Sicht möglicherweise das Unkraut wuchert: „Solche Maßnahmen müssen gut kommuniziert werden“, weiß Waesch. Das geschieht im Zuge des Biodiversitäts-Checks etwa durch Hinweisschilder, auf denen auch QR-Codes weitergehende Informationen ermöglichen. Es ist aber auch Aufgabe sogenannter Schöpfungsbotschafter, diese Themen in die Gemeinde tragen. Die Frauen und Männer, die über das Förderprojekt ausgebildet werden, können auch theologische Ansätze finden. Die Schöpfung als Grundlage kann eine akzeptierte Basis für die Maßnahmen sein.

Ehrenamt soll bei Maßnahmen unterstützen

Ohnehin setzt der Biodiversitäts-Check besonders auf das Ehrenamt. Wenn etwa neue Bäume gepflanzt werden, könnten Konfirmanden oder Kindergartengruppen beteiligt werden. Fachpersonal soll da hinzugeholt werden, wo Laien an Grenzen stoßen. Apropos Pflanzen: In seinem Bericht schlägt das BICK-Team nicht nur Maßnahmen vor und verweist insbesondere auf die Bedeutung heimischer Pflanzen, sondern es nennt auch mögliche Bezugsquellen. Heimische Arten, betonen Gunnar Waesch und Carina Völker, liefern das, was auch die hier lebenden Arten brauchen. Der Fokus liegt nicht nur auf Insekten, sondern auch auf Vögeln, Amphibien, Nagetieren und Säugetieren wie dem Igel, dem „Tier des Jahres 2024“.

Wo es viele Insekten gibt, finden auch Igel Futter. Der Igel ist das „Tier des Jahres 2024“.
Wo es viele Insekten gibt, finden auch Igel Futter. Der Igel ist das „Tier des Jahres 2024“. © dpa | Patrick Pleul

Neben dem großen Bereich der Pflanzen und ihrer Pflege gewinnt zunehmend auch das Thema Wasser an Bedeutung. Gerade in trockenen Sommern sei es wichtig, zum Beispiel gefüllte Pflanzschalen anzubieten. „Diese müssen natürlich auch gereinigt werden“, weiß Carina Völker und denkt etwa an Patenschaften. Auch Steinmauern liefern einen wichtigen Lebensraum, Amphibien können sich dort aufwärmen. Auf dem Friedhof am Wietholz etwa gibt es nicht nur Blindschleichen, sondern auch Ringelnattern. Sie brauchen Aufwärmplätze, um ihren Kreislauf in Schwung zu bringen.

Auch interessant

Gräber könnten naturnäher bepflanzt werden

Erste Maßnahmen, das deutete Friedhofsgärtner Frank Ackermann bei einem Infoabend an, könnten noch im Herbst umgesetzt werden. Dazu gehört das Pflanzen von heimischen Baumarten, aber von Blumenzwiebeln – auch das möglicherweise mit Kindergartengruppen. Die Evangelische Kirchengemeinde Menden hat das Potenzial ihrer Friedhöfe erkannt. Nun will sie es heben und auch die Friedhofsnutzer dazu motivieren, ihre Gräber passend zu bepflanzen. Auch sie sollen möglichst heimische Pflanzen nutzen.