Menden. Weil es bei der Strafzumessung laut Bundesgerichtshof Fehler gab, muss der Seniorenmord auf Platte Heide nochmals vor das Landgericht.

Eines der furchtbarsten und sinnlosesten Verbrechen der letzten Jahre in Menden kommt jetzt erneut vor das Landgericht in Arnsberg. Der Grund: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Strafmaß für den jugendlichen Täter bemängelt und den Beschluss deshalb aufgehoben. Es geht um den brutalen Mord an einem 83-jährigen, allein lebenden Rentner in einem Senioren-Wohnquartier auf der Platte Heide, begangen im Oktober 2022. Dafür wurde der zur Tatzeit erst 17-jährige Messerstecher, der es offenbar nur auf das Auto des alten Mannes abgesehen hatte, am 22. Juni 2023 fast zur höchstmöglichen Strafe für Minderjährige verurteilt. Auf neun Jahre und drei Monate Jugendstrafe erkannte die Jugendkammer damals – wegen „Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge“.

Laut BGH Rechtsfehler: Verteidigung erreicht Teilerfolg in der Revision

Mit ihrem Revisionsantrag erreichte die Verteidigung im April dieses Jahres dann zumindest einen Teilerfolg. Laut dem BGH-Spruch bleibt der heute 19-Jährige ein verurteilter Mörder, allerdings muss die Höhe seiner Strafe muss neu verhandelt werden. Die Begründung dafür greift für Laien komplizierte rechtliche Fragen auf.

Zehn Stiche und Schnitte, weil der Senior sein Auto nicht abgeben wollte

Rückblende: Am Abend des 20. Oktober 2022 klingelt der 17-Jährige an der Tür des Seniors, den er offenbar vom Sehen her kennt. Er will den alten Mann zur Herausgabe von dessen Audi A3 bewegen, um tags darauf ein Mädchen von der Schule abholen. Als es anders nicht klappt, holt sich der Jugendliche den Schlüssel mit unfassbarer Gewalt: Mit einem Klappmesser versetzt er seinem wehrlosen Gegenüber zehn Stich- und Schnittwunden an Hals und Oberkörper, laut dem Schreiben zum BGH-Beschluss bis zu 19 Zentimeter tief. Das heftig aus seinen Wunden blutende Opfer bricht im Flur zusammen. Der Täter greift sich die Autoschlüssel und geht zum Parkplatz.

Der Unfall, der die Tat ans Licht brachte: Zwei Tage nach dem Mord kommt am 24. Oktober 2022 auf der Westtangente heraus, dass das Unfallauto nicht dem 17-jährigen Fahrer gehört. 
Der Unfall, der die Tat ans Licht brachte: Zwei Tage nach dem Mord kommt am 24. Oktober 2022 auf der Westtangente heraus, dass das Unfallauto nicht dem 17-jährigen Fahrer gehört.  © Feuerwehr Menden | Feuerwehr Menden

Westtangente: Überschlag mit Auto des Opfers bringt Mordtat ans Tageslicht

Während der 83-Jährige in seiner Wohnung stirbt, startet der Jugendliche den Audi. Zwei Tage lang geht das gut, bis sich der Wagen am 22. Oktober auf der Westtangente überschlägt. Im Rettungshubschrauber muss der schwer verletzte 17-Jährige in eine Unfallklinik geflogen werden. Der Polizei fällt an der Unfallstelle auf, dass der jugendliche Fahrer nicht der Halter des Autos ist. An der Halteradresse sehen entsetzte Mendener Polizisten dann das Blut des Opfers bereits an der Haustür, unter der es nach draußen geflossen ist. Der 17-Jährige wird in der Unfallklinik noch im Krankenbett festgenommen.

Nach dem Überschlag im Audi muss der schwer verletzte Täter im Rettungshubschrauber ins Klinikum Nord nach Dortmund geflogen werden. Dort wird er kurz danach festgenommen.
Nach dem Überschlag im Audi muss der schwer verletzte Täter im Rettungshubschrauber ins Klinikum Nord nach Dortmund geflogen werden. Dort wird er kurz danach festgenommen. © Feuerwehr Menden | Feuerwehr Menden

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BGH sieht Täter mit Autoraub als Motiv und Beweggrund doppelt bestraft

Warum jetzt die neue Verhandlung? Laut BGH hat die Jugendkammer dem Angeklagten nicht nur das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht zur Last gelegt, sondern zusätzlich niedrige Beweggründe angerechnet. Zwar bleibe es verwerflich, einen Menschen brutal zu töten, um an sein Auto zu kommen. Doch werden niedrige Beweggründe „verdrängt“, wenn sie zugleich spezielle Mordmerkmale erfüllen. Die Kammer habe dem Angeklagten jedoch das Mordmerkmal zusätzlich als niedrigen Beweggrund angelastet. Dies sei ein Rechtsfehler, aus dem für den BGH offenbar folgt, dass die Gesamtstrafe zu hoch ausgefallen sein könnte.

Qualvolles Sterben des Rentners ohne sicheren Beweis unterstellt

Weiter heißt es dazu: „Soweit es dem Angeklagten darum ging, mit dem erbeuteten Fahrzeug einer jungen Frau zu imponieren, kann daraus für sich genommen noch kein niedriger Beweggrund abgeleitet werden. Auch die Feststellung eines krassen Missverhältnisses zwischen Tatanlass und Tötung genügt allein für diese Annahme nicht, insbesondere wenn der Täter – wie vorliegend festgestellt – den Tötungsentschluss spontan fasste.“

Die Zumessung der Jugendstrafe sei auch deshalb rechtsfehlerhaft, als dem Angeklagten angelastet worden war, dass der Geschädigte langsam verblutet sei und dabei über einige Minuten hinweg massive Schmerzen erlitten habe. „Hierfür“, so der BGH, „gibt es in den Feststellungen und der Beweiswürdigung keine Stütze.“ Die Urteilsgründe hätten lediglich ergeben, dass das Opfer binnen weniger Minuten infolge massiven Blutverlusts verstarb.

Hinter dieser Wohnungstür ereignete sich das grauenvolle und sinnlose Verbrechen.
Hinter dieser Wohnungstür ereignete sich das grauenvolle und sinnlose Verbrechen. © Westfalenpost | Tobias Schürmann

BGH korrigierte auch schon ein Urteil gegen einen Mendener Waffenhändler

Die 4. Große Strafkammer tagt deshalb als Jugendkammer am 13. August noch einmal, um das Strafmaß für den Täter neu zu verhandeln. Ähnliches war für einen Mendener Angeklagten im Januar 2022 schon einmal geschehen. Zuvor hatte der reuige Waffenhändler annähernd die Höchststrafe von fünf Jahren erhalten, obwohl seine Geständnisse auch Mittäter ins Gefängnis brachten. Solche Geständnisse, so der BGH damals, müssten sich für Angeklagte auszahlen, sonst gebe es keine mehr.