Menden. Yannik Mösta (26) bricht mit Stereotypen. Er liebt Fußball, Schützenfeste und Hüingsen. Er spricht über Vorurteile wegen seiner Sexualität.
Es war knapp. Ganz knapp. „Ich war nur einen Schuss entfernt“, erinnert sich Yannik Mösta stolz. Der 26-Jährige aus Hüingsen liebt Schützenfeste. Spontan hatte er beim Vogelschießen des BuSV Hüingsen entschieden mitzumachen - und ist nur ganz knapp an der Krone vorbeigeschrammt. Die Gemeinschaft auf dem Dorf, das ist etwas, was Yannik Mösta zu schätzen weiß. Doch gleichzeitig verunsichert es ihn auch manchmal: Was hätten die Menschen gesagt, wenn er wirklich Schützenkönig geworden wäre und statt einer Partnerin, einen Partner an seiner Seite vorgestellt hätte? König und König? Hätte es komische Blicke gehagelt? Oder wären alle damit absolut einverstanden? Yannik Mösta weiß es nicht, doch in seinem Kopf dreht sich das Gedankenkarussell. „Ich mache mir viele Gedanken. Ich bin ein Kopfmensch.“
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Wegen der Sexualität in Schubladen gesteckt
Yannik Mösta strahlt Selbstbewusstsein aus, auch wenn es in seinem Inneren vielleicht nicht immer danach aussieht. „Ich bin lieb, offen und direkt, aber ich habe auch viele seelische Narben“, erklärt der 26-Jährige. Der junge Mann ist schwul und steht offen dazu. Doch dass Menschen immer wieder versuchen, ihn wegen seiner Sexualität in Schubladen zu stecken, bedrückt Yannik Mösta. „Viele haben so ein Klischeedenken. Ich bin fußballinteressiert und liebe Schützenfeste. Das passt für viele Menschen einfach nicht ins Bild.“
„Ich bin fußballinteressiert und liebe Schützenfeste. Das passt für viele Menschen einfach nicht ins Bild.“
Auf das Dorfleben möchte er dennoch auf keinen Fall verzichten. Großstädte wie Köln überfordern ihn. „Da ist alles viel krasser, intensiver, überwältigend.“ Er liebt seine Heimat - und die meisten Menschen seien ihm gegenüber auch aufgeschlossen und freundlich. Dass er lieber Bier trinkt, als Aperol Spritz: Daran müssen sich die Menschen eben gewöhnen. „Irgendwie ist man mit der Zeit auch abgehärtet. Ich bin heimatverbunden und will nicht wegziehen.“
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Kampf gegen Stereotypen und unangebrachte Fragen
Das Denken in Stereotypen sei auch 2024 immer noch weit verbreitet, sagt Yannik Mösta. Intimste Fragen zu sexuellen Vorlieben seien keine Seltenheit. Man stelle sich vor, ein Heteromann würde von mehr oder minder Fremden ganz beiläufig beim Bierchen gefragt, ob er Analsex mag oder worauf er sonst so beim Sex abfährt. Undenkbar, oder? Yannik Mösta schüttelt den Kopf über diese Absurdität. Doch für schwule Männer sei das Realität.
„Warum kann man nicht auch Fußball mögen, wenn man schwul ist?!“
Immer wieder würden komische Fragen aufkommen, auf die er mitunter keine Antwort hätte, weil sie so daneben seien. Beispiel: „Wie ist es denn dann beim Fußball in der Dusche?“ Na, wie soll es schon sein?! Mann geht rein, duscht sich nach dem Spiel und geht wieder raus. „Was denken die Leute denn von mir?! Man weiß manchmal gar nicht, was man dazu sagen soll. Sowas beschäftigt die Leute dann mehr als mich. Ich stehe unter der Dusche und denke über das Spiel nach oder wie das Wetter morgen wird.“ Und überhaupt: „Warum kann man nicht auch Fußball mögen, wenn man schwul ist?!“ Dass schwule Männer gleichzeitig auch feminin sein müssen, das sei in vielen Köpfen fest verankert.
Warum ist ein Coming Out überhaupt noch nötig?
Yannik Mösta findet deshalb auch das Coming-out des deutschen Rennfahrers Ralf Schumacher „absolut stark“. Schumacher setze ein Zeichen und das habe Vorbildcharakter. „Warum Leute sich rausnehmen, das negativ zu sehen, ist unglaublich“, sagt er. Vielmehr solle man doch darüber nachdenken, wieso es auch 2024 noch so wenige Profisportler gebe, die sich outen. Liege es an der Gesellschaft oder daran, „dass wir uns manchmal zu sehr von der Angst leiten lassen“? „Warum ist ein Coming-out überhaupt noch nötig?!“
Er selbst hat mit 18 oder 19 Jahren bekannt gegeben, dass er schwul ist. Seine Eltern hätten sofort hinter ihm gestanden und darüber ist er auch froh. Manch anderer habe sich danach zurückgezogen. Ihn habe vor allem die Frage geprägt, ob er sich denn sicher sei, schwul zu sein. Frauen hätten „doch tolle Hupen“. „Ich versuche sowas dann wegzudrücken und zu sein, wie ich bin. Aber diese Kleinigkeiten prägen und hinterlassen Narben.“
„Ich versuche sowas dann wegzudrücken und zu sein, wie ich bin. Aber diese Kleinigkeiten prägen und hinterlassen Narben.“
„Dating ist so anstrengend“: Klischee vom beziehungslosen Schwulen nicht erfüllen
Bisher hatte er zwei feste Beziehungen und kämpft sich aktuell durch den Datingdschungel. „Anstrengend“, sagt er. Immer wieder drehe es sich um die Frage, wie man eine Person einstufe und ob es sich nun um Freundschaft, Freundschaft mit gewissen Vorzügen handle oder in Richtung einer Beziehung entwickle. Oft frage er sich: „Was ist hier eigentlich los?!“ Denn wenn er datet, dann meine er es auch ernst. Das Klischee des rastlosen Schwulen, der sich nicht auf einen Partner festlegen kann, erfülle er überhaupt nicht. Er sucht die Liebe.
„Rein rechnerisch müssten mehr Männer schwul sein - auch hier“
Doch der Kreis aufm Dorf sei klein. „Rein rechnerisch müssten mehr Männer schwul sein - auch hier“, den Radius seiner Datingapp hat er allerdings ziemlich ausdehnen müssen. Sich im Sauerland offen zu zeigen, sei für viele Männer vielleicht ein Problem. „Ich muss meinem Partner auch nichts aufdrücken und respektiere, wenn er beispielsweise Händchenhalten auf der Straße nicht will.“ Doch insgeheim wünscht sich Yannik Mösta genau das: sich verlieben und Hand in Hand durch sein geliebtes Hüingsen laufen. Ganz normal eben. „Mir ist dann egal, was andere denken!“ Und vielleicht regiert er im kommenden Jahr sogar sein Dorf als Schützenkönig - mit einem Begleit-König an seiner Seite.
Kommentar der Autorin: „Das ist doch keine Geschichte wert.“ Diese oder ähnliche Kommentare habe ich in letzter Zeit häufig gelesen. Und ja: In meiner kleinen perfekten Welt wäre das Thema Homosexualität heutzutage kein Thema mehr. Doch Geschichten von Betroffenen zeigen: Die Stimmung in der Gesellschaft scheint sich verändert zu haben und auch (oder sogar gerade?) 2024 ist es wichtig, die Sorgen und Ängste von queeren Menschen wahrzunehmen und sichtbar zu machen. Auch 2024 gibt es Ausgrenzungen oder Grenzüberschreitungen von Außenstehenden - und auch der Rechtsruck in Europa verursacht Sorgen. Immer wieder hagelt es im Netz homophobe Kommentare, wenn Menschen wie Ralf Schumacher mutig sind und ihre sexuelle Orientierung offenbaren. Also ja: Ich wünsche mir eine Welt, in der die Geschichte von Yannik keine Geschichte ist. Doch damit das möglich ist, muss jeder Einzelne seinen Beitrag leisten und seine Verhaltensweisen hinterfragen.