Hattingen/Menden. Am Hönnetalradweg wird Mendener Industrie-Geschichte lebendig: 18 Tonnen schwere Bessemer-Birne von der Henrichshütte in Hattingen ist zurück.

Ein inzwischen mehrere Jahre alter Traum ist wahr geworden: Die Bessemer-Birne ist wieder in Menden. Nach langer Vorbereitung und vielen Gedankenspielen steht der Konverter fast genau an dem Ort, an dem er früher im Eisenwerk Rödinghausen zum Einsatz kam. Am Sonntag, 23. Juni, wurde das Industriedenkmal im Bereich Zum Eisenwerk/Hönnetal-Radweg feierlich enthüllt.

Der Montag aber steht ganz im Zeichen des historischen Transports. Am LWL-Museum Henrichshütte in Hattingen wird die Bessemer-Birne auf einen Tieflader gehoben. Sie ist eine von dreien, die es dort gibt. Alle waren einst im Eisenwerk Rödinghausen in Lendringsen im Einsatz. Diese eine kehrt nun dorthin zurück, wenngleich der Industriebetrieb selbst schon lange Geschichte ist.

An der Henrichshütte in Hattingen wird die Bessemer-Birne am Montagmorgen auf einen Tieflader gehoben. Im LWL-Museum werden auch weiterhin zwei solcher Konverter aus Menden zu sehen.
An der Henrichshütte in Hattingen wird die Bessemer-Birne am Montagmorgen auf einen Tieflader gehoben. Im LWL-Museum werden auch weiterhin zwei solcher Konverter aus Menden zu sehen. © Wasser Eisen Land | Bettina Hornemann

„Hier ganz in der Nähe war das Werkstor des Eisenwerks“, erzählt Mendens Kulturbüroleiterin Jutta Törnig-Struck, als sie auf den Schwertransport wartet. Der Transporttermin ist ein gut gehütetes Geheimnis. Es sollen sich nicht viele Schaulustige einfinden, damit keine Gefahren entstehen. Nach und nach sammeln sich Pressevertreter und Blogger am Hönnetal-Radweg. Dort zeigt ein Fundament, wo die Bessemer-Birne platziert werden soll. Alles ist perfekt vorbereitet.

Dann kommt der große Moment. Zunächst fährt ein Kranwagen vor, wenig später kommt auch der Tieflader mit seiner alten und doch so wertvollen Ladung. Die Aufregung steigt, Kameras und Handys werden gezückt, ein Fernsehteam lässt eine Drohne steigen. Dieser Moment ist so besonders, dass möglichst viele davon erfahren sollen. Und viele sollten auch dabei sein, wenn die Stadt Menden am Sonntag, 23. Juni, von 11 bis 18 Uhr extra für das Denkmal ein Begrüßungsfest an der Straße Zum Eisenwerk veranstaltet.

Per Tieflader wird die Bessemer-Birne nach Lendringsen gebracht. Dort wird sie schon sehnsüchtig erwartet.
Per Tieflader wird die Bessemer-Birne nach Lendringsen gebracht. Dort wird sie schon sehnsüchtig erwartet. © WP | Dirk Becker

Jutta Törnig-Struck ist nicht die einzige Frau, die an diesem Montag aufgeregt ist. Auch Bettina Hornemann vom Verein „Wasser Eisen Land“ ist extra nach Lendringsen gekommen. Und nicht nur das: Die Hemeranerin war zuvor auch schon in Hattingen, um beim Aufladen der Bessemer-Birne dabei zu sein. „Dass so ein Denkmal transportiert wird, ist schon sehr selten. Das lasse ich mir nicht entgehen. Und es ist toll, dass die Bessemer-Birne an ihren Ursprungsort zurückkehrt“, sagt sie.

Inzwischen machen sich die Schwerlast-Experten daran, den Kran vorzubereiten. Das Fahrzeug braucht zusätzliche Gewichte, damit der 18 Tonnen schwere Koloss vom Tieflader gehoben und an seinen neuen Ort gebracht werden soll. Als die Vorbereitungen abgeschlossen sind und die schweren Ketten die Bessemer-Birne sichern, geht es zunächst um die Sicherheit. So bedeutend das ist, was nun passieren wird: Alle Beobachter müssen den Gefahrenbereich verlassen.

Die Bessemer-Birne wird per Schwerlast-Kran an ihren neuen Standort gebracht..
Die Bessemer-Birne wird per Schwerlast-Kran an ihren neuen Standort gebracht.. © WP | Dirk Becker

Sie nehmen Abstand – wie die Kindergartengruppe, die schon seit fast einer Stunde auf dem Radweg steht und mit den Erzieherinnen das spannende Geschehen verfolgt. Auch die Kinder sehen noch, wie die Bessemer-Birne am Kran hängt und schließlich um 11.40 Uhr endlich wieder direkten Kontakt zu Mendener Boden hat. Als die Birne steht, machen sich die Kinder zurück auf den Weg in die Kita. Mittagessen und die Betten für den Mittagsschlaf rufen.

Dass es bei der genauen Platzierung um jeden Zentimeter geht, nehmen sich nicht mehr wahr. Tatsächlich aber wird der Zollstock herausgeholt. Kulturbüro-Mitarbeiter Markus Koschinski legt selbst Hand an und ruft auch noch einmal Jutta Törnig-Struck hinzu. Klar ist: Ein späteres Nachjustieren ist nicht mehr möglich. Als die Kulturbüroleiterin ihr Okay gibt, beginnen die Vorbereitungen für das Verhüllen des Denkmals.

Kulturbüroleiterin Jutta Törnig-Struck packt beim Verhüllen des Denkmals selbst mit an.
Kulturbüroleiterin Jutta Törnig-Struck packt beim Verhüllen des Denkmals selbst mit an. © WP | Dirk Becker

So stolz die Anwesenden auf den alten, neuen Schatz in Menden sind: Er soll beim Begrüßungsfest enthüllt und präsentiert werden. Bis dahin wird noch einiges geschehen: Eine Sitzbank wird aufgestellt, ein Birnbaum gepflanzt, eine Stele soll Informationen liefern – auch per QR-Code. Rechtzeitig, bevor ein Regenschauer über Lendringsen niedergeht, ist das Denkmal verpackt.

„Sie gehört aber auch nicht zu diesem herrschaftlichen Anwesen, die Bessemer-Birne ist ein Arbeiterdenkmal.“

Jutta Törnig-Struck
Kulturbüroleiterin

Erste Gedanken, die Bessemer-Birne nach Menden zurückzuholen, gab es schon 2017, weiß Jutta Törnig-Struck. Ins Auge gefasst wurde auch, sie an Gut Rödinghausen zu platzieren. Das scheiterte schon an pragmatischen Gründen. Durch den Torbogen hätte sie nicht gepasst, die kleine Brücke über die Hönne hätte als Alternative das Gewicht nicht tragen können. „Sie gehört aber auch nicht zu diesem herrschaftlichen Anwesen, die Bessemer-Birne ist ein Arbeiterdenkmal“, sagt Jutta Törnig-Struck.

Im Eisenwerk Rödinghausen wurden von 1915 bis in die 1960er-Jahre drei Bessemer-Birnen betrieben. Sie dienten der Umwandlung von Roheisen zu Stahl. In dem 1856 von Henry Bessemer entwickelten Verfahren wurde Luft von unten in eine feuerflüssige Roheisenmasse eingeblasen. Damit ließen sich je Birne drei Tonnen Stahl in 20 Minuten herstellen – zuvor benötigte man dafür 24 Stunden. Nach der Schließung des Unternehmens wurden die drei Konverter im Jahr 1999 vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) übernommen und zur Henrichshütte gebracht.

Die Bessemer-Birne wird beim Begrüßungsfest am 23. Juni wieder enthüllt.
Die Bessemer-Birne wird beim Begrüßungsfest am 23. Juni wieder enthüllt. © WP | Dirk Becker

Das Denkmal, so Jutta Törnig-Struck, stellt nun an seinem ursprünglichen Standort „eine markante Station auf der Route der südwestfälischen Industriekultur ,Wasser Eisen Land‘ und auf der Strecke des Hönnetal-Radweges“ dar. Mit der Unterstützung durch den LWL und dank der Initiative des Mendener Unternehmers Hermann Josef Schulte (HJS Emission Technology) haben sich heimische Unternehmer und das Kulturbüro der Stadt Menden zusammengeschlossen und die Rückführung des Konverters möglich gemacht.