Oesbern. Engagiert mit Herz und Seele: Wiebke Goeke, Landwirtin in Oberoesbern, war gleich mehrfach bei Bauerndemonstrationen in Berlin dabei.

Energisch schüttelt die junge Dame, mit ihren 27 Jahren kann sie durchaus noch als Jungbäuerin bezeichnet werden, den Kopf: „Was da jetzt in Frankreich passiert, ist nicht der richtige Weg.“ Die Gewalt, die im Nachbarland Forderungen der Bauern begleitet, behagt Wiebke Goeke überhaupt nicht. „Das kann nicht die Methode sein, mit der, auch bei berechtigten Anliegen, Unmut ausgedrückt wird.“ Sie setze weiter auf friedlichen Protest, der in nächster Zeit Druck auf die Politiker in der Bundeshauptstadt ausüben soll, wenn dort nicht über gewisse Daumenschrauben nachgedacht werde, die die Arbeit der Lebensmittelerzeuger immer schwieriger macht.

Bedenken sind latent vorhanden: „Wenn die Franzosen mit ihrer rigorosen Art Erfolg haben, passiert dann ein Umdenken in unseren Reihen? Nach dem Motto ‚Was dort klappt, kann doch auch hier funktionieren‘.“ Gewalt entsprecht nicht ihrem Naturell, die Oberoesbernerin ist mit Herz und Seele ihrem Beruf verfallen, sie möchte biologisch, nachhaltig, mit der Natur arbeiten. Schon der erste Blick bestätigt diesen Eindruck: Latzhose, rote Gummistiefel, der Besucher erwartet, dass gleich der Griff zur Mistgabel kommt.

Das Anwesen in fremde Hände geben?

2018 schloss sie ihr Studium der Agrarwissenschaften in Bonn ab, kurz darauf musste entschieden werden, ob der Hof von den Großeltern übernommen wird: „Weitermachen oder Verkaufen waren die Alternativen.“ Erstmals (wahrscheinlich) 1736 erwähnt, wäre damit die lange Geschichte des Hofes zu Ende gegangen.

„Sogar mein Hobby, das Gärtnern, hat mit Natur, mit Pflanzen und Ernten zu tun.“

Wiebke Goeke
Bäuerin aus Oesbern

Das Anwesen in fremde Hände zu übergeben, war letztendlich dann doch nicht der richtige Schritt: „Sogar mein Hobby, das Gärtnern, hat mit Natur, mit Pflanzen und Ernten zu tun, ich bin dem Leben auf dem Land verfallen, es wäre falsch gewesen, sich von unseren Tieren zu verabschieden.“

Wiebke Goeke aus Oberoesbern ist Bäuerin mit Leib und Seele. Deshalb steht sie bei den Bauernprotestaktion immer mit in den vorderen Reihen. 
Wiebke Goeke aus Oberoesbern ist Bäuerin mit Leib und Seele. Deshalb steht sie bei den Bauernprotestaktion immer mit in den vorderen Reihen.  © WP Menden | Peter Benedickt

Wohl wissend, dass ein Hof von zehn Hektar - ein weiterer Teil ist verpachtet - kaum wirtschaftlich zu betreiben ist, wurde optimistisch und mit vielen neuen Ideen der Schritt gewagt. „Mein Mann ist in einer festen Beschäftigung, packt aber mit an, mein Bruder bewirtschaftet das eigene kleine Stück Wald, Oma Hedwig ist unverzichtbar, ohne sie würde kaum etwas laufen“, so die Jungbäuerin. Die Großmutter hat das gewisse Gespür: „Sie entscheidet etwa mit ihrer langen Erfahrung, ob bei der Heuernte das Gras gepresst werden kann, ein Griff und sie weiß, ob der richtige Zustand herrscht.“

Ein eigener Hofladen wäre ein Traum

Sie betreibt Nutztierzucht mit zwei Mutterkühen: „Die leben auf Stroh, haben Weidegang, die Kälber bleiben lange bei den Müttern, das Futter stellen wir selbst her“, erklärt Wiebke Goeke. „Wir betreiben extensive Grünlandnutzung und Kreislaufwirtschaft.“ Das bedeutet Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, beschränkter Düngemitteleinsatz („Wir verteilen nur eigene Gülle“), die Fläche wird entweder abgeweidet, gemäht oder gemulcht. Ein eigener Hofladen, nicht nur für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ist ein Traum: „Ich möchte etwa selbstgenähte Kleidung verkaufen, von naturverrückten Menschen aus entsprechenden Materialien hergestellt, das Sortiment erweitern, natürlich alles Bio, naturbelassen und nachhaltig.“ Doch gesetzliche Vorgaben verhindern bisher das Vorhaben: „Ich bin positiv eingestellt, das klappt schon.“  

Auch in Menden-Oesbern leuchteten die Scheinwerfer der Traktoren: Die Bauern wollen auf ihre Probleme aufmerksam machen. 
Auch in Menden-Oesbern leuchteten die Scheinwerfer der Traktoren: Die Bauern wollen auf ihre Probleme aufmerksam machen.  © WP Menden | Wiebke Goeke

Seit einigen Jahren sieht die Ehefrau und Mutter die Politik rund um Landwirtschaft, Grund und Boden, kritisch. Sie gab vor einiger Zeit schon mal ein Statement gegen den Weiterbau der A46 ab: „Die Flächenversieglung muss doch mal aufhören. Zudem feststeht, dass neue Fahrbahnen weiteren Verkehr anziehen, da tun wir uns keinen Gefallen.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Menschen demnächst nur noch auf Produkte aus dem Ausland zurückgreifen wollen.“

Wiebke Goeke
Bäuerin aus Oesbern

Nun ist sie bei den Bauernprotesten in der heißen Phase von der ersten Minute dabei. Am 18. Dezember führte der Weg erstmals nach Berlin, um ihren Anliegen Nachdruck zu verleihen. Mit einer Freundin ging es im ICE in die Hauptstadt, mit dem Traktor dauert die Fahrt 17 Stunden, ein Bekannter nahm die Strapazen auf sich: „Nichts für uns.“ Der Termin machte Sorgen, auf dem Hof wurde gerade jede Hand gebraucht. Vor Weihnachten stand der Tannenbaumverkauf an, die Familie übernahm ihre Aufgaben. So konnte sie fahren, es war ja wichtig. „Eine sehr emotionale Aktion, die Stimmung super, hoffnungsvoll, die Teilnehmer beflügelt, weil wir etwas bewegen wollten“, berichtet sie. Damals waren die Bauern unter sich, erst bei der Wiederholung im Januar - auch da beteiligte sich Wiebke Goeke - kamen weitere Gruppen dazu: „Spediteure, Handwerker, Forstbetriebe erkannten, was da passiert.“ Einige Äußerungen hochrangiger Politiker machten die Protestler jedoch wütend, genauso befremdlich wurden Aktionen verschiedener AfDler betrachtet, die sich einschmeichelten, um im Netz Stimmung zu machen. „Die versprachen uns alles Mögliche, wenn es ernst wird, hält bisher aber nur die CDU/CSU zu uns“, meint Wiebke Goeke.

Die Politik ist nicht zuverlässig, immer wieder neue Schwierigkeiten

Der Stand auf dem Wochenmarkt in Menden war trotz Sternfahrt und Traktoren vor dem Brandenburger Tor die gelungenste Aktion für sie, weil da die heimischen Landwirte mit der Bevölkerung direkt ins Gespräch kamen. „Es gab viele Fragen, aber kein Mensch war negativ gegen uns eingestellt“, freut sich die Bäuerin. Es konnte über Unsicherheit, fehlende Struktur in Vorgaben und Gesetzen, dass sich immer neue Schwierigkeiten aufbauen, aufgeklärt werden . „Unsere jungen Leute wollen doch modernisieren, aufbauen, bewirtschaften, aber es gibt keine langfristigen Garantien“, ärgert sich Wiebke Goeke. „Da werden Gesetze erlassen, doch zwei Jahre später heißt es, jedes Rindvieh braucht noch einen Quadratmeter mehr. Was dann? Abreißen, neu bauen? Da gibt keine Bank noch irgendwelche Gelder.“ Nur ein Beispiel von vielen. So bildet sich zudem der berüchtigte Investitionsstau, der schwierig wieder abzubauen ist.

Die Aktionen waren der Anfang, lange nicht das Ende, sagt sie und krempelt die Ärmel hoch: „Was will ich machen, ich werde kämpfen, das bin ich allein meinem vierjährigen Sohn schuldig, wir müssen verhindern, dass es die kleinen Hofstellen demnächst nicht mehr gibt.“. Nichts wird zu Ende gebracht, moniert sie. Da soll die Kfz-Steuerbefreiung wegfallen, mit dem nachfolgenden Effekt, dass etwa uralte Hänger, nur auf dem Feld eingesetzt, plötzlich zum TÜV müssen - wieder neue Kosten. Vieles ist nicht weit genug gedacht. Die großen Höfe bekommen Förderungen, die kleinen schauen in die Röhre, ein Unding. Statt der Bevölkerung zu signalisieren „Kauft bei den Bauern“ arbeite die Bundesregierung mit immer mehr Beschränkungen und nicht sinnvollen Vorschriften gegen die heimischen Produzenten. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Menschen demnächst nur noch auf Produkte aus dem Ausland zurückgreifen wollen, die nicht den strengen deutschen Kontrollen und Vorgaben unterliegen“, schüttelt sie den Kopf.