Menden.. Mehr als 500 Demonstranten haben am Dienstagabend in Menden gegen eine Veranstaltung mit der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch protestiert.
„Wir wollen keine AfD!“ erscholl es am Dienstagabend aus mehr als 500 Kehlen unter dem Rathaus-Zeltdach, während die stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch im Bürgersaal vor deutlich weniger Zuhörern zur „Abschaffung des Bargeldes“ referierte. Die Demonstranten, die sich zunächst vor dem Alten Rathaus versammelt hatten, zogen bunt beschirmt mehrfach ums Bürgerhaus und zeigten Plakate: „Der Fremdenhass, das ist bekannt, endet oft am Dönerstand!“ Auch Familien mit Kinderwagen waren dabei.
Friedlich und witzig präsentierte sich der Protestzug gegen die Frau, die laut Demo-Sprecher Stefan Neuhaus einen „völkischen Rassismus predigt“ und Schüsse auf Flüchtlinge an deutschen Grenzen zur Debatte gestellt habe. Beatrix von Storch hatte für die Demonstranten ihrerseits nur Spott übrig: Die seien „ein bisschen schwach auf der Brust“, urteilte sie im Saal vor 130 Zuhörern. Am späten Abend verließ sie Menden dann im Bundes-Benz unter lauten „Nazis raus!“-Rufen von noch etwa 30 jungen Leuten.
Scharfe Kritik an Bürgermeister Wächter
Scharfe Kritik übten die Demonstranten zum Auftakt nicht nur an der AfD, sondern auch an Bürgermeister Martin Wächter. Nach dem „Wissenkongress“ in der Dogan-Arena und einem AfD-Promi-Auftritt im „Le Marron“ müsse Menden „aufpassen, dass die Stadt nicht zum AfD-Tummelplatz wird, weil sich hier so problemlos Räume finden lassen, anders als in Iserlohn“, sagte Sprecher Stefan Neuhaus. Es hätte auch Bürgermeister Martin Wächter gut zu Gesicht gestanden, „ein Hausverbot zu prüfen mit der Begründung, dass Personen, die auf Kinder schießen lassen wollen, in Menden nicht erwünscht sind“. Stattdessen sei der AfD ein Stadtraum vermietet worden – „genau zu einer Stunde, in der sich der Rat mit Schulplätzen für Flüchtlingskinder befasst. Was für eine abstruse Situation!“
In der Ratssitzung war es zuvor für den Bürgermeister noch dicker gekommen: Mit knallroten Trillerpfeifen betraten junge Leute um 17.29 Uhr den Ratssaal und hielten ein Plakat hoch, auf dem zu lesen war: „M.Wächter: Steigbügelhalter der Nationalist*innen“. Nach Sekunden war der Spuk vorbei, weil sich die Demonstranten von Personalchef Wolfgang Lück wieder aus dem Saal komplimentieren ließen.
Am Ende der Ratssitzung stellte Mirko Kruschinski (SPD) Fragen zur Veranstaltung: „Gibt es keine Nutzungsordnung für den Bürgersaal? Wer hat ihn gemietet? Die AfD? Wann ist der Bürgersaal zuletzt von einer Partei genutzt worden? Und falls es der AfD-Kreissprecher Sebastian Schulze oder sonst eine Privatperson war: Seit wann wird der Bürgersaal abends wieder vermietet?“ Antworten soll es im Protokoll geben.
Vor der Sitzung war noch inoffiziell diskutiert worden, ob es eine Unterbrechung geben solle, falls auch Ratsleute ihr Demonstrationsrecht ausüben wollten. Dazu kam es indes nicht. Die Sitzung war so zeitig zu Ende, dass sich auch Ratsmitglieder noch unter die Menge mischen konnten.
Sebastian Schulze zog für die AfD ungeachtet der Proteste ein positives Fazit. „Für uns war es ein Erfolg, eine super Veranstaltung“, sagte er der WP. Was den angeblichen Rassismus seiner Partei angehe, verwies er auf die überwiegend von Schwarzen gestellte Security. Gefragt, warum er das tue, antwortete einer der Sicherheitsleute: „Job ist Job. Und ich muss für die Familie etwas im Kühlschrank haben.“
Thomas Hagemann und Arne Poll
Kommentar: Mendener Bürger setzen Zeichen
Mit viel Kreativität haben gut 500 Mendener gegen die AfD-Versammlung protestiert, weit mehr als erwartet. Bekannte Gesichter wie Birgit Fiedler, Klaus Ullrich oder Wilderich von Boeselager machten klar, warum sie die Anwesenheit von Beatrix von Storch in Menden unerträglich fanden. Ihnen lauschten Menschen aus allen Bevölkerungsteilen, vom Flüchtlingskind bis zum Unternehmer.
Aus strategischer Sicht wäre es klüger gewesen, die AfD-Veranstaltung ohne Begleitmusik ablaufen zu lassen. Doch wer will kritisieren, dass eine Bürgergesellschaft Zeichen für die Völkerverständigung setzen will? Das hätte auch ein Bürgermeister wissen müssen, und ein Stadtrat hätte Stellung beziehen können. Chance verpasst.
Warum immer wieder Menden?
Bleibt die Frage: Warum immer wieder Menden? AfD-Funktionär Sebastian Schulze gelang es wiederholt, Räume zu finden und seine allzu unbedarfte Heimatstadt diesen Zumutungen auszusetzen. Wie oft schafft er das noch?
Thomas Hagemann