Lennestadt. Eine verächtliche Äußerung zu Teilnehmern des Christopher Street Days bringt einem Familienvater eine Anklage ein. Was genau passiert ist.

Wer glaubt, in den Sozialen Medien dürfe man ungestraft alles schreiben, behaupten und kommentieren, wie einem der Schnabel gewachsen ist, der liegt gründlich daneben. Diese Erfahrung machte jetzt ein 57-jähriger Mann aus Lennestadt. Wegen Beleidigung und Volksverhetzung verurteilte ihn das Amtsgericht zu 3000 Euro Geldstrafe.

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Im Juni 2023 ist auf Facebook ein Video über einen Umzug am Christopher Street Day in einer unbekannten Stadt zu sehen. Dabei kommt es zu einem Gerangel zwischen Teilnehmern und einem Ordner. An dem Vorfall entzündet sich auf dem Social-Media-Kanal eine emotionale Diskussion. Die Teilnehmer des Chats sind sich bei der Bewertung des bunten Umzugs einig und teilen über die „queere Teilnehmerschar“, darunter auch Männer, die als Frauen kostümiert sind, deftig aus. Unter anderem heißt es da: Solche Veranstaltungen müssten verboten werden. Einer der Teilnehmer, der als Travesty-Künstler arbeitet, schreibt daraufhin selbst in den Chat: „Wir leben in einer freien Gesellschaft und nicht in einer Nazi-Diktatur.“

Anschließend griff auch der Angeklagte aktiv in den Chat ein. „Ich lasse mich nicht als Nazi hinstellen“, begründete er vor Gericht seinen Einstieg. Er schrieb in den Chat: „Ganz ehrlich, alle, die meinen, so leben zu wollen, auf einer Insel abgeschottet vom normalen Leben - fertig.“  Der Mann ließ sich zu einem weiteren Satz hinreißen: „Was für ein Arsch bist du denn?“ Zwei Sätze, die dem nicht vorbestraften Familienvater eine Anzeige und eine Ladung in den Gerichtssaal einbrachten.

Die Beleidigung war vor Gericht unstrittig, bei der Bewertung des ersten Kommentars lagen Staatsanwältin und Verteidigung weit auseinander. Die Staatsanwältin sah den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt. „Der Angeklagte hat durch seine Äußerung Homosexuelle und travestit auftretende Menschen in der Gesellschaft verachtlich gemacht und minderwertig dargestellt.“ Dies übertreffe die freie Meinungsäußerung. Und: Die Aussage, diese Menschen vom normalen Leben abschotten zu wollen, stelle eine Aufstachelung zum Hass dar. Sie beantragte wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen a 50 Euro.

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Der Verteidiger hatte sich bereits während der Beweisaufnahme mächtig ins Zeug gelegt. Seiner Meinung nach sind die Äußerungen durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. „Es ging in dem Chat nicht um Personengruppen, sondern einzig und allein um diese Umzüge. Dass man der Meinung sein kann, dass diese Umzüge grenzwertig sind, so wie sich die Leute teilweise präsentieren, besonders auch für Kinder, die sich das anschauen müssen, das hat mein Mandant zum Ausdruck gebracht.“ Er habe dies „etwas unglücklich formuliert“.  Seine Äußerung seien aber weder eine Volksverhetzung noch eine Hassrede. „Er ruft nicht zur Gewalt auf und der Post hat keine Wirkung. Es ist eine Meinungsäußerung, die vom Grundgesetz zu 100 Prozent gedeckt ist. Deshalb ist mein Mandant vom Vorwurf der Volksverhetzung freizusprechen.“  Das letzte Wort vor dem Urteil hatte der Angeklagte selbst. Er entschuldigte sich für den Chat, machte aber nochmals seine Abneigung gegenüber Transvestiten deutlich, die sich öffentlich präsentierten, so dass jeder, auch Kinder und Jugendliche, diese sehen könnten.

Richter Tiggemann folgte im Kern den Argumenten der Staatsanwältin. Der Angeklagte habe eine klar abgrenzbare Gruppe, Transvestiten und Homosexuelle, verunglimpft. Ein Aufstacheln zum Hass konnte der Richter zwar nicht erkennen, aber die Äußerung „weg vom normalen Leben“ sei eine Herabwürdigung der Menschenwürde. „Menschen das Recht am Leben teilzunehmen abzusprechen, so kritisch man das auch sehen mag, erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung“, so der Richter Gegen das Urteil von 60 Tagessätzten a 50 Euro kann der Angeklagte Beschwerde einlegen.