Attendorn. Der stadtbekannte AfD-Wähler Fred Liess (63) hat ein Plakat von Robert Habeck vor dem Attendorner Rathaus zerstört. Das ist seine Begründung.
Ein Video geht in der Hansestadt viral. Zu sehen ist Fred Liess (63), ein stadtbekannter AfD-Wähler, der vor dem Rathaus in Attendorn ein Wahlplakat der Grünen beschmiert, auf dem Kanzlerkandidat Robert Habeck abgelichtet ist. Ergänzt wird dieses Video um die Aufforderung, der Alternative für Deutschland bei der anstehenden Bundestagswahl am 23. Februar eine Stimme zu geben. „Habeck, du Anzeigen-Terminator, ich sage dir eins: Du hast die Wirtschaft kaputt gemacht“, erklärt der AfD-Sympathisant in dem Video, das mitten am Tag aufgenommen wird. Allerdings nicht „unfallfrei“, denn dem Attendorner und seiner „Kamerafrau“ läuft während der Aufzeichnung ein Unbeteiligter durch das Bild, der mit den Worten zu hören ist: „Das wird aber teuer“. Dem Attendorner AfD-Anhänger, der seit 2019 in der Hansestadt lebt, scheint dies jedoch nicht zu interessieren, was er in dem Video auch klar formuliert.
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Nur wenige Stunden nach dieser Tat, die über Tage Stadtgespräch in der Hansestadt ist, kommt bei dem gelernten Maschinenbautechniker, der nach einem schweren Arbeitsunfall erwerbsunfähig wird, Reue auf. „Es war eine Kurzschlussreaktion, ich war nicht mehr zurechnungsfähig. Es hatte sich so viel bei mir zusammengestaut“, bittet der 63-Jährige um Entschuldigung. Unmittelbar nach seiner Tat habe er auch Selbstanzeige erstattet. Er leide nicht nur unter schweren, gesundheitlichen Einschränkungen und nehme starke Medikamente, sondern stehe auch kurz vor der Privatinsolvenz, zudem belaste ihn ein Rechtsstreit mit seinem Vermieter. „Ich komme kaum noch über den Monat“, sagt Liess, will dies laut eigener Aussage aber nicht als Entschuldigung gelten lassen. Der aus dem Ruhrgebiet stammende Liess hatte sich kurz nach Veröffentlichung des Berichtes an unserer Redaktion gewendet.
Er gebe auch den Grünen nicht die Schuld an seiner Situation. Bei Dr. Gregor Kaiser, Co-Vorsitzender der Grünen im Kreis Olpe sowie Mitglied des NRW-Landtags, hatte sich Liess, der zwischenzeitlich in der Obdachlosigkeit lebte, für seine Dummheit entschuldigt. Dennoch erstatteten auch die Grünen nach dem Vorfall Anzeige. Der Staatsschutz der Hagener Polizei nahm die Ermittlungen auf, was er im Übrigen immer dann tut, wenn eine politisch motivierte Tat vorliegen könnte. „Ich bin relativ fassungslos und entsetzt, dass so etwas am helllichten Tage direkt vor unserem Rathaus passieren kann“, betonte Matthias Pröll, Fraktionschef der Attendorner Grünen, im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich frage mich schon, wie unter diesen Umständen noch ein fairer und freier Wahlkampf funktionieren soll, wenn man derart aggressiv angegangen wird. Dieses Video ist der Versuch, mit einer massiven Aggressivität einzuschüchtern“, kann Pröll nur mit dem Kopf schütteln. Er hat das beschädigte Plakat im Übrigen schon wieder ausgetauscht.
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Doch nicht nur der Vandalismus-Schaden am Rathaus beschäftigte die Grünen. Im Repetal wurden weitere Wahlplakate abgerissen. Auch hier liegt der Polizei eine Anzeige vor. Dass immer häufiger Plakate zerstört würden, sei frustrierend, vor allem für diejenigen, die sich auch bei eisigen Temperaturen an die Arbeit machten, sagt Dr. Gregor Kaiser. Wenn dann noch ein Video hinzukomme, das offensichtlich einschüchtern und drohen solle, dann sei eine Linie überschritten: „Das macht etwas mit den Wahlkämpfenden und man fragt sich schon, was passiert, wenn ich am Wahlstand stehe und Politik mache.“
Was Kaiser am wenigsten verstehen könne: Der Mann setze sich für eine Partei ein, die er eigentlich ablehnen müsse: die AfD stehe für Sozialkürzungen ein und würde daher auch unmittelbaren Einfluss auf das Leben des in Attendorn bekannten Mannes nehmen. „Für mich ist völlig unbegreiflich, wie man sich so blenden lassen kann“, betont Kaiser. Liess selbst wolle der AfD auch wieder den Rücken kehren und aus der Partei austreten. „Es tut mir so leid, ich schäme mich für das, was ich getan habe.“ Seine Entschuldigung gelte im Übrigen nicht nur den Grünen, sondern allen Attendorner Bürgern.
„Für mich ist völlig unbegreiflich, wie man sich so blenden lassen kann.“