Kirchhundem/Ahrtal. Felssicherer der Firma Kühr aus Selbecke sind seit Juli an der Ahr im Einsatz. Warum die Arbeiten eine Riesenherausforderung sind.

Die schrecklichen Bilder sind auch mehr als drei Jahre danach nicht vergessen: Bei der Hochwasser-Katastrophe am 14. und 15. Juli 2021 an der Ahr starben mehr als 130 Menschen, die verheerenden Schäden werden noch lange sichtbar bleiben. Viele Unternehmen arbeiten rund um die Uhr, um die Verkehrsinfrastruktur in dem idyllischen Tal wieder ans Laufen zu bringen. Eine davon ist die Firma Fels- und Forstservice Kühr aus Kirchhundem-Selbecke. Daniel Kühr und sein Team sollen dafür sorgen, dass in einem Jahr, im Dezember 2025, wieder die ersten Züge der Deutschen Bundesbahn durch das Tal rollen.

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Das Unternehmen hatte vom Generalunternehmer, der Leonhard Weiss GmbH & Co. KG, das Los für die Fels- und Hangsicherung erhalten. „Eigentlich sollten wir nur die Portale und die Einschnitte von fünf Eisenbahntunneln sichern. Aber dann ist der Auftrag geradezu explodiert“, so Firmenchef Daniel Kühr. In vielen Bereichen war die Bahnstrecke durch die Wassermassen nahezu weggespült worden, alle Tunnel waren beschädigt. Dann entschloss sich die Deutsche Bahn im Zuge des Neubaus, die gesamte Strecke zusätzlich zu elektrifizieren. Dafür müssen alle Tunnel nicht nur saniert, sondern auch aufgeweitet bzw. vergrößert werden, um Platz für die Hochspannungsleitungen zu schaffen. Und auch auf der freien Strecke müssen Hänge abgefangen und mit Stahlnetzen und Zäunen gesichert werden – so wurde der Großauftrag zu einer Mammutaufgabe für das Unternehmen aus dem Kreis Olpe. „Das ist für unsere kleine Firma schon eine besondere Herausforderung, auch wegen der Terminkette“, sagt Daniel Kühr. Denn erst, wenn die Felssicherungsprofis aus dem Sauerland in einem Abschnitt ihren Job gemacht und Hänge und Tunneleinschnitte vor Steinschlägen dauerhaft gesichert haben, können die nachfolgenden Arbeiten an der Bahnstrecke starten.

Firma Kühr Kirchhundem Großauftrag im Ahrtal
Über den Einfahrten in den bekannten Saffenburger Tunnel werden stabile Stahlnetze gespannt.   © privat | Privat

Ursprünglich sollte der Auftrag innerhalb eines Jahres erledigt sein, doch danach sieht es derzeit nicht aus. Vor allem wegen der komplexen Genehmigungsverfahren wurden die Höhenarbeiter und Maschinisten mehrfach ausgebremst, gab es immer wieder Stillstände. „Wir haben noch irre viel zu tun“, blickt Daniel Kühr nach vorn.  Zum Auftragsportfolio gehört auch der bekannte Saffenburger Tunnel südlich von Mayschoss mit seinen beiden Tunnelröhren, eine für die Züge, durch die zweite führt der Ahrtalradweg.  

Firma Kühr Kirchhundem Großauftrag im Ahrtal
So sah es nach der Flut aus. Damals halfen die Sauerländer Felssicherer bei der Räumung des Flussbetts.   © privat | Privat

Seit Anfang September arbeitet das Unternehmen hier im Zehn-Tage-Modus. Dann wird ein Team, bestehend aus sechs bis neun Höhenarbeitern, von einem anderen Team abgelöst und kann sich fünf Tage lang zu Hause von der anspruchsvollen Arbeit erholen. Bevor es im Juli losging, musste zunächst das gesamte Equipment an die Ahr geschafft werden. „Wir haben hier das volle Programm im Einsatz“, sagt Daniel Kühr – große Hebebühnen, Bohrgeräte und -kräne, Bohrlafetten, spezielle Bagger, Spritzbetonanlagen und mehr. Neben der Großbaustelle läuft auch das Standardgeschäft in der Heimat weiter.

Für viele der 30 Angestellten ist die Arbeit auf der Großbaustelle nicht der erste Besuch im Ahrtal. Eine Woche nach der Katastrophe im Juli 2021 machten sich Daniel Kühr und einige Mitarbeiter auf den Weg, um den Menschen im Katastrophengebiet beizustehen. Mit schwerem Gerät halfen sie ehrenamtlich dabei, das Flussbett von den vielen Tonnen Unrat zu räumen, die die Wassermassen mit sich gerissen hatten.

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Daniel Kühr glaubt, dass die Ingenieure und Planer aus der Katastrophe gelernt haben.  Die Spannweiten der Bahnbrücken würden jetzt größer geplant, damit sich das vom Wasser mitgerissene Material nicht im Bereich der Brückenpfeiler festsetzen könne. „Die Hauptproblematik bei der Flut war ja, dass sich alles, was sich angesammelt hatte, vor die Brückenpfeiler gesetzt hatte.“ Das Material löste sich irgendwann durch den immer höheren Wasserdruck, was dann die verheerenden Flutwellen auslöste. Die neuen Brücken haben jetzt viel weniger Stützpfeiler. „Ob es gelingen wird, kann ich nicht sagen“, aber man habe die Erfahrungen aus der Flut eingeplant.

20 Kilometer Bahngleise weggerissen

Am 14./15. Juli 2021 hatte die Ahr ihr folgenreichstes Hochwasser seit Menschengedenken. Die Wassermassen infolge langen Starkregens zerstörten 62 Ahr-Brücken, 14 Schulen und neun Kitas. 20 Kilometer Schienenunterbau der Ahrtalbahn wurden weggeschwemmt und sieben Eisenbahnbrücken zerstört. Mehr als 130 Menschen starben in den Fluten. Die Flut gilt als die heftigste Naturkatastrophe in Deutschland seit der Sturmflut von 1962. Quelle: Wikipedia

Während der Arbeiten hat Daniel Kühr ein Baubüro in Mayschoss eingerichtet. Weil es fast immer vor Ort ist, kennt er mittlerweile viele Einheimische und ihre Sorgen. „Viele Häuser und Gaststätten wurden wieder aufgebaut, teilweise aus Eigenkapital, weil die Versicherungen immer noch nicht gezahlt haben.“ Die Gastwirte würden die Bahn vermissen, weil viele Touristen am Wochenende mit dem Zug anreisen. Man freue sich, dass es gut vorangehe. Andere kritisierten, dass Millionen in die Bahn fließen würden und die normalen Bürger auf der Strecke blieben.

Erfreulich sei, so der Sauerländer Kühr, dass der Tourismus langsam wieder floriere. Die Weinfeste im Herbst seien gut besucht gewesen. Die Wanderwege über die Weinberge seien nutzbar, nur die Fahrradwege fehlten komplett, „die sind mit der Flut verschwunden.“ Aber spätestens in einem Jahr, wenn der Bahnbau abgeschlossen ist, kann das Ahrtal auch wieder per Rad erkundet werden - und zwar sicher und ohne Angst vor Steinschlägen – dank der Firma Kühr aus Kirchhundem.