Attendorn. Offiziell zum Jahresende verabschiedet sich Dr. Egbert Viegener. Weitere Kollegen werden absehbar folgen. Droht in Attendorn ein Engpass?

Der nächste Attendorner Hausarzt verschwindet von der medizinischen Bildfläche: Offiziell zum Jahresende geht Dr. Egbert Viegener (67) in den Ruhestand. Aus Altersgründen, aber eben auch, weil für den gebürtigen Attendorner der bürokratische Aufwand in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und kaum noch qualifiziertes und flexibles Personal zu finden ist. Der Versuch, einen Nachfolger für seine Praxis an der Hansastraße zu finden, verlief im Sande. So bleibt dem Rivianer – er machte 1977 sein Abitur am Rivius-Gymnasium – keine andere Wahl, als zum Jahreswechsel die Tür seiner Arztpraxis für immer zu schließen. Aktuell sind es rund 1000 Patienten, die ihn pro Quartal aufsuchen und nun Ausschau nach einer Alternative halten müssen. Im Übrigen wird der baldige Ruheständler seine letzte Sprechstunde Ende November abhalten, um im Dezember seinen Patienten die Krankenakte für den weiterbehandelnden Arzt auszuhändigen. 

Zuletzt waren schon die Hausärzte Dr. Bernhard Horten im Schwalbenohl (Nachfolger ist Dr. Ovidiu Petcu) und Dr. Georg Michael Schulze in den Ruhestand gewechselt. Und ein Blick auf die nackten Zahlen verdeutlicht, dass in den nächsten Jahren weitere Mediziner altersbedingt ausscheiden. Denn laut Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) ist fast die Hälfte der Hausärzte (47 Prozent) in der Hansestadt älter als 60 Jahre. Zum Vergleich: In Westfalen-Lippe insgesamt sind dies im Moment rund 40 Prozent der Hausärzte. Zumindest statistisch ist Attendorn aber (noch) gut ausgestattet mit Hausärzten, der Versorgungsgrad liegt bei fast genau 100 Prozent, sodass rechnerisch sogar noch 1,5 Kassensitze zur Verfügung stehen.

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„Der demografische Wandel macht nicht vor der Ärzteschaft halt. Generell lässt sich sagen, dass die Nachbesetzung von Arztsitzen in vielen Regionen, vor allem im ländlichen Bereich, schwieriger wird, da sich nicht genug junge Medizinerinnen und Mediziner für eine (eigene) Praxis entscheiden“, weiß Stefan Kuster, Pressesprecher der KVWL. Die Gründe seien vielschichtig, die gesamte Branche leide unter einem „Bürokratie-Wahnsinn“, sie sei unterfinanziert, es gebe zu wenig Fachpersonal und die Gesetzgebung sei mangelhaft. „Darüber hinaus muss man wissen, dass rund 70 bis 75 Prozent der Studienabgänger Frauen sind, die irgendwann Familien gründen wollen und daher kein Interesse an einer eigenen Praxi haben“, ergänzt Dr. Egbert Viegener, „und dann muss man als Einzelkämpfer noch Glück haben, nie ernsthaft krank zu werden.“ Dieses wirtschaftliche Risiko gehe heute kaum noch ein Nachwuchs-Mediziner ein.

Ärztehaus als Chance?

Eine Chance sieht Dr. Viegener daher in dem Ärztehaus, das derzeit an der Finnentroper Straße gebaut wird und im nächsten Jahr den Betrieb aufnimmt. In diesem werden verschiedene Haus- und Fachärzte als Angestellte unter Leitung von Dr. Hans-Peter Hunfeld und in Zusammenarbeit mit der Prange Gesundheit GmbH aus Plettenberg arbeiten. „Diese Zentren ermöglichen den Ärzten, ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Wenn ein Arzt krank ist, kann ein Kollege einspringen“, weiß Dr. Egbert Viegener. Allerdings weiß er auch um die Nachteile, vor allem für ältere Patienten, die über Jahrzehnte immer zu ihrem Arzt des Vertrauens gegangen sind – diesen einen vertrauten Ansprechpartner haben die Patienten dann nicht mehr. Fakt ist: Der Abschied von seinen Patienten wird Dr. Viegener schwerfallen, da im Laufe der Jahrzehnte ein persönliches Miteinander entstanden ist. „Ich musste mich in letzter Zeit häufig erklären und ein Stück weit entschuldigen, dass ich nun aufhöre.“ Die Patienten hätten Verständnis gezeigt, ergänzt Ehefrau Anna Viegener (64), die ihrem Mann in der Praxis als Arzthelferin zur Seite steht und sagt: „Manche haben sogar geweint.“

„Ich habe immer nur Arztberichte oder Fachzeitschriften studiert und kaum Zeit für ein gutes Buch gefunden.“

Dr. Egbert Viegener
Hausarzt

Dankbar blickt die Arztfamilie auf ihre Schaffenszeit in Attendorn zurück. Es war Dr. Egbert Viegeners Vater, der in den 1950er-Jahren seine Arztpraxis zunächst im Rosenhof eröffnete und später an die Hansastraße umzog. Sohn Egbert stieß dann zum 1. Juli 1989 dazu, gründete mit seinem Vater eine Gemeinschaftspraxis und war nur wenige Monate später schon auf sich gestellt, nachdem sein Vater einen Herzinfarkt erlitten hatte. Zuvor hatte der Junior Humanmedizin in Münster studiert, er bestand 1984 sein Examen, es folgte ein Praktisches Jahr in Dortmund, ehe er an das Marienhospital nach Oelde wechselte. Dort lernte Viegener seine Frau Anne kennen, eine ausgebildete Zahnmedizinische Fachangestellte. Nachdem der Attendorner anschließend rund ein halbes Jahr in einer Hausarzt-Praxis in Marsberg sein Geld verdient und ein Praktikum in Plettenberg absolviert hatte, wechselte er im Sommer 1989 zurück nach Attendorn und übernahm die väterliche Praxis.

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Nun also endet diese Zeit. Und das Ehepaar, das zwei Kinder und mittlerweile auch ein Enkelkind hat, will auf Reisen gehen, möglichst viele Museen besuchen und die verstaubten Fahrräder aus dem Keller holen. „Und dann muss ich wieder lernen, ein Buch zu lesen. Ich habe immer nur Arztberichte oder Fachzeitschriften studiert und kaum Zeit für ein gutes Buch gefunden“, blickt Dr. Egbert Viegener nach vorne. Zeit dafür wird er ab Januar haben. Dann verabschiedet sich der Attendorner Hausarzt von der medizinischen Bildfläche. Weitere werden in absehbarer Zeit folgen.