Kreis Olpe. Eine Frau aus dem Kreis Olpe muss unaussprechliche Gewalt ertragen. Mit 41 Jahren wird ihre Welt erschüttert. Ihr altes Leben gerät aus den Fugen.
Der Blick in die Vergangenheit fällt Yvonne (Name von der Redaktion verändert) schwer. Die 47-Jährige wächst inmitten von Gewalt auf – ein gewaltfreies Leben ist ihr lange völlig unbekannt. Trotz aller Schwierigkeiten gelingt ihr eines Tages der Absprung aus der Gewaltspirale. Ein Schlüsselmoment führt im Alter von 41 Jahren dazu, dass sich ihr Leben vollkommen auf den Kopf stellt. Sie entscheidet sich dazu, nicht mehr zu schweigen, sondern offen über ihre traumatischen Erlebnisse zu sprechen. Das ist ihre Geschichte.
Gewalt im Elternhaus
„Ich sage immer, ich bin eine Überlebende“, erzählt Yvonne. Die 47-Jährige hat den Absprung aus der Gewaltspirale im Leben ihrer Familie geschafft. Bis ins Erwachsenenalter sind unter anderem die physische, aber auch psychische Gewalt im Elternhaus der traurige Alltag in ihrem Leben. Unterstützung aus der eigenen Familie gibt es so gut wie keine. Ihre Mutter sei mit der Gesamtsituation komplett überfordert gewesen, ihr Vater habe ein Alkohol- und Drogenproblem gehabt, sich oft nicht kontrollieren können und dann auch zugeschlagen. Ihre Mutter sei deshalb nicht in der Lage gewesen, sich um die Bedürfnisse ihrer Kinder zu kümmern. „Ich habe mich komplett allein gefühlt und bin alleingelassen worden. Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt eine Form der Gewalt nicht gab“, berichtet sie. Schon im frühen Kindesalter muss Yvonne in die Rolle eines Erwachsenen schlüpfen und für sich selbst einstehen. „Es ist schon so, dass man seine Sachen einfach abstellt. Ich habe einfach funktioniert. Ich frage mich bis heute, wie ich das geschafft habe“, erinnert sich die 47-Jährige an ihre Schulzeit zurück.
Der Gewalt in den eigenen vier Wänden kann sie damit jedoch nicht entkommen. Trotz der dauerhaften Gewalttaten habe niemand schützend eingegriffen. Die Familie habe nach außen hin ein ganz normales Leben geführt, doch hinter verschlossenen Türen sei alles anders gewesen. Eines Tages schlägt ihr Vater auch bei ihr zu: „Er wollte meine Mutter treffen, doch traf mich“, schildert die Frau aus dem Kreis Olpe. Erst als ihre Mutter aus der gemeinsamen Wohnung zieht, ändert sich der Lebensalltag.
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Mit Anfang 20 startet Yvonne neu durch, doch die alten Wunden bleiben offen. „Letztendlich ist es erst sehr spät zu einer Aufarbeitung gekommen. Ich habe mich lange selbst geschützt und von all dem abgespalten, was passiert ist“, betont sie. In der Notsituation habe sie nie gelernt, auch auf ihre Bedürfnisse einzugehen. In Beziehungen habe sie sich daher immer an den Partner angepasst und ihre Bedürfnisse zurückgestellt. Erst mit 41 Jahren ändert sich all das. Bei einem besonderen Treffen ihrer Hundetrainer-Ausbildung macht es 2018 plötzlich Klick. „Ich habe mich in dem Moment so sicher gefühlt, da konnte ich einfach mal loslassen. In dem Moment ist eine Bombe geplatzt, da ist mein ganzes Weltbild zerstört worden“, erinnert sie sich zurück. „Ich habe angefangen Fragen zu stellen, Sachen zu hinterfragen und mein Leben zu verändern.“
Leben auf den Kopf gestellt
In der Folge stellt sich ihr Leben auf den Kopf – völlig neue Erfahrungen werden zum Alltag ihres Lebens, auch um alte, immer noch bestehende Denkmuster aufs Neue aufzubrechen. „Ich achte deutlich mehr auf meine Bedürfnisse. Grundsätzlich ist der Gedanke immer noch unterbewusst im Kopf, dass ich nichts wert bin. Ich bin aber viel unterwegs und exploriere sehr viel. Ich versuche dafür zu sorgen, eine andere Perspektive zu verschaffen“, ist sie stolz auf das, was sie in ihrem Leben auf beruflicher und privater Ebene geschafft hat. Über die traumatischen Erlebnisse in der Kindheit möchte Yvonne nicht mehr schweigen. Viel mehr möchte sie ein Anlaufpunkt für Betroffene sein und im gemeinsamen Austausch Hilfe und Unterstützung zu erfahren. Demnächst steht daher die Gründung einer eigenen Selbsthilfegruppe auf dem Programm. „Es macht einen so hilflos, wenn man sieht, was auf der Welt aktuell los ist“, erklärt die 47-Jährige.
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Das bestätigt auch Petra Weinbrenner-Dorff, die bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle des DRK-Kreisverbands Olpe arbeitet. „Die Situation hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlimmert. Mich macht es betroffen, dass die psychischen Erkrankungen deutlich zu nehmen.“ Die 1. Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Selbsthilfegruppen im Kreis Olpe weiter: Früher wurden Gewalttaten verborgen, heute ist es zum Glück so, dass sich viele Opfer melden und an die Öffentlichkeit gehen.“ Ein gegenseitiger Austausch sei wichtig, um die Probleme im Leben angehen zu können, sie freut sich daher, dass Yvonne eine eigene Selbsthilfegruppe gründet: „Die gegenseitige Unterstützung kriegt man wirklich nur in der Selbsthilfe.“