Ottfingen/Wenden. Nach der Schließung der letzten Ottfinger Dorfkneipe hat der Schützenverein das Ruder übernommen, doch die ehrenamtliche Arbeit hat auch Grenzen.

Früher gehörte die altehrwürdige Dorfkneipe, fast wie selbstverständlich, zu jedem Dorf dazu, doch die Zeiten haben sich geändert. Auch in der Gemeinde Wenden ist spätestens nach der Schließung des kultigen Hünsborner Gasthofs „Zu den Dreikönigen“ an vielen Orten ein Vakuum entstanden. Viele Schützenvereine haben den Ernst der Lage längst erkannt und bieten für Bürger und Bürgerinnen in ihren Vereinsheimen eine Alternative zur Dorfkneipe an, doch die ehrenamtliche Mitarbeit am Wochenende hat auch Grenzen. Vier Jahre nach der Schließung der letzten Dorfkneipe in Ottfingen wünschen sich die Betreiber der „Schützenjause“ im Vereinsheim der St.-Hubertus-Schützenbruderschaft Ottfingen 1919 eine Initialzündung aus der Politik, um die alten Dorf-Traditionen zu stärken.

Not macht erfinderisch

Peter Solbach und Jan Hennrichs laden seit einigen Jahren freitagabends zur „Schützenjause“ im Ottfinger Schützenvereinsheim ein. Nachdem 2020 mit „Evi‘s Eck“, die von allen Anwohnern nur „Jakob“ genannt wurde, die letzte Dorfkneipe in Ottfingen schloss, sprang der Schützenverein ein, um den Bürgern und Bürgerinnen weiterhin einen Ort der Zusammenkunft anbieten zu können. Im Vereinsheim bieten sie seitdem eine vorab ausgewählte Speise und Getränke an – im Sommer werden die Betreiber kreativ und lassen einen kleinen Biergarten mit wunderschönem Landschaftsblick entstehen, doch die ehrenamtliche Unterstützung hat seine Grenzen. „Wir sehen uns nicht als Gastronomiebetrieb, sondern eher als Notnagel für die Bevölkerung. Es ist ein Angebot für die Ottfinger – mehr können wir auch nicht händeln“, erzählt Peter Solbach.

Weitere Themen

Hennrichs, der als Kassierer in der „Schützenjause“ tätig ist, und Solbach, der dort als Koch mitwirkt, wünschen sich, dass das Kneipen- und Gastronomiesterben in der Gemeinde von den politischen Entscheidungsträgern mehr in den Blick genommen und versucht wird, eine gemeinsame Lösung zu finden. Die Zeiten hätten sich geändert, dementsprechend müsse auch darüber nachgedacht werden, die eigenen Konzepte anzupassen. „In der Stadt funktioniert das, aber hier auf dem Land ist es quasi vorbei, dass jemand etwas Neues aufmacht und die alten Sachen brechen weg“, betont der 62-jährige Solbach. Und weiter: „Ich glaube, dass die Kommunalpolitik gefordert ist.“ Konkret wünschen sich die beiden Vorstandsmitglieder des Schützenvereins ein Umdenken in der Ausrichtung und neue Ideen aus der Politik: „Es braucht mehr Abwechslung in den Dörfern. Man muss kommunal denken und sich fragen, was für unsere Bürger wichtig ist. Wenn man das so laufen lässt, wird es immer weniger“, führt Solbach fort.

Vielschichtige Ursachen

Die Ursachen für das Kneipensterben seien vielschichtig, auch der immer weiter ansteigende Fassbier-Einkaufs- und Verkaufspreis sei ein Faktor. Vergleichsdaten von einem Zeitraum zwischen 1960 und heute zeigten eindeutig, dass der Flaschenbierpreis auf einem relativ konstanten Niveau (leicht ansteigend) geblieben sei, der Verkaufspreis für Fassbier jedoch um ein Vielfaches angestiegen sei – und fast jährlich erhöht werde, erklärt Solbach. Angesichts ansteigender Kosten und der hoch angesetzten Einkaufspreise der Brauereien bleibe dem Gastronomen oft keine andere Wahl, als die Zusatzkosten auf den Verkaufspreis umzuschichten.

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In der Gemeinde Wenden gibt es trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage auch Erfolgsgeschichten. Nach der Übernahme durch Nicolas Clemens ist der Gasthof Valpertz in Hillmicke zu einer der zentralen Anlaufstellen für Bürger und Bürgerinnen aus dem Wendener Umland geworden. „Ich führe den Laden seit Oktober 2019 und ich kann sagen, dass der Betrieb gewachsen ist“, berichtet Clemens. Vorausgegangen war eine Umstrukturierung, die unter anderem eine größere Einbindung der Gastronomie vorsah. „Die Mischung macht es“, sieht Clemens eine Veränderung im Kaufverhalten der Menschen. Neben einem Speiseangebot sei der Charme der alten Dorfkneipe aber auch weiterhin gefragt. „Wichtig war mir, dass der typische Kneipencharakter bestehen bleibt“, so der Betreiber. Viele Besucher kehrten auch aufgrund des Kneipenmangels vor Ort in die noch bestehenden Kneipen ein und würden für einen Besuch längere Anreisen in Kauf nehmen, schildert Peter Solbach die ernste Lage.

Peter Solbach (rechts) und Jan Hennrichs bieten den Ottfinger Mitbürgern einen Ort der Zusammenkunft an.
Peter Solbach (rechts) und Jan Hennrichs bieten den Ottfinger Mitbürgern einen Ort der Zusammenkunft an. © WP | Daniel Engeland

Bastian Dröge, Fachbereichsleiter Zentrale Dienste, Sicherheit und Ordnung, bedauert die Schließung der Hünsborner Kultkneipe: „Die Schließung ist wirklich sehr schade. Glücklicherweise haben wir noch einige andere Kneipen im Kreis Olpe.“ Mögliche Ansätze, wie der aktuellen Situation begegnet werden könne, gebe es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. „Wir haben uns darüber noch keine konkreten Gedanken gemacht“, so der Fachbereichsleiter.