Oberhundem. Marietta Sasse und ihr Sohn Younes haben nach dem Brand eines Fachwerkhauses in Oberhundem alles verloren. Geblieben sind ihnen vier gerahmte Fotos.
Es ist der 19. Mai 2023. Der Tag nach Christi Himmelfahrt. Ein Freitag. Der Tag, der das ganze Leben von Marietta Sasse und ihrem Sohn Younes verändern sollte. Der wohl schlimmste Tag, an dem die 53-jährige alleinerziehende Mutter und ihr Sohn Younes (17) ihr Zuhause verloren. Das Heim, in dem Marietta Sasse vor 22 Jahren einzog und ihren beiden Söhnen Robert (28) und Younes großzog. Geblieben ist den beiden – rund 14 Monate nach dem verheerenden Brand des Fachwerkhauses in Oberhundem – nur die Erinnerung an Kindergeburtstage, Familien- und Weihnachtsfeste. Und vier Bilder, die ein Feuerwehrmann nach dem Löschen des Feuers aus der Wohnung retten konnte. „Wir haben unfassbares Glück gehabt“, sagt Marietta Sasse und weint bitterlich, wenn sie zurückdenkt an den Morgen des Feuers.
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Noch immer fällt es der 53-Jährigen schwer, das Knistern eines Feuers zu hören oder andere laute Geräusche, die Erinnerungen in ihr wecken an die Nacht, in der sie morgens um kurz vor fünf Uhr von einem lauten Knall geweckt wurde. „Es war so laut, dass ich zuerst dachte, dass das schon recht alte Auto des Zeitungsboten explodiert sei. Als ich am Fenster nichts sah, bin ich wie in Trance ins Kinderzimmer gelaufen, um nach Younes zu schauen, doch er war nicht da“, erzählt die gelernte Krankenschwester, die seit ihrem Schlaganfall vor 15 Jahren von Erwerbsminderungsrente lebt. Warum sie dann die halbe Etage rauf zum Dachboden hinaufgeht, weiß sie bis heute nicht: „Ich habe die dicke Eichentüre aufgemacht und sah die riesigen Flammen aus dem Dach schlagen.“
Nacht auf der Couch ist der Lebensretter
Marietta Sasse holt ihr Handy und wählt die 112: „Es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit, bis jemand den Hörer abnahm. Du realisierst in dem Moment gar nicht schnell genug, was da gerade passiert“, berichtet die Mutter, die ihren Sohn schlafend auf dem Sofa im Erdgeschoss fand. Die Jungschützen hatten an Christi Himmelfahrt das Kinderschützenfest in Oberhundem ausgerichtet und Younes war mit seinen Freunden bis 2 Uhr feiern gewesen. „Ich war einfach nur müde und habe es nicht mehr hoch in mein Zimmer geschafft. Als Mama rief, dass es brennt, habe ich es erst gar nicht realisiert und im nächsten Moment fiel mir die Heißluftfritteuse ein, die ich nachts noch angemacht hatte“, blickt der 17-Jährige zurück. Die Nacht auf der Couch rettete ihm wohl sein Leben, denn die Flammen und das Löschwasser der Feuerwehr hatten sein komplettes Zimmer zerstört.
„Du stehst vor deinem brennenden Zuhause, im Schlafanzug und mit Hausschlappen und begreifst einfach nicht, was gerade passiert.“
„Wir standen so unter Adrenalin, dass ich trotz der Flammen noch auf die Toilette gegangen bin und mein Auto, das vor dem Haus stand, zu den Nachbarn gefahren habe. Dann haben wir nur noch auf die Feuerwehr gewartet und mussten mit ansehen, wie das Haus niederbrennt“, erzählt Marietta Sasse mit Tränen in den Augen. Die Stromleitung knallte derweil vom Dach herunter, Dachziegel flogen durch die Gegend und die Fensterscheiben zersprangen: „Du stehst vor deinem brennenden Zuhause, im Schlafanzug und mit Hausschlappen und begreifst einfach nicht, was gerade passiert.“
Vier gerahmte Familienbilder sind geblieben
Rettungskräfte vor Ort bringen Marietta Sasse zur Beobachtung ins Krankenhaus, auch aufgrund des zurückliegenden Schlaganfalls und eines sehr hohen Blutdrucks und als sie nachmittags nach Hause kommt, wird ihr klar, dass das Feuer alles zerstört hat. Ihr und ihrem Sohn sind nichts mehr geblieben. Außer: vier gerahmte Familienbilder, die ein Feuerwehrmann im massiven Bauteil des Fachwerkhauses retten konnte. „Mein Kumpel Lukas hat mir einen neuen Rucksack für die Schule geschenkt“, erinnert sich Younes an die erste Zeit nach dem Brand und daran, dass seine Tante neue Kleidung für ihn kaufte.
„Auf einmal standen Kisten mit Sachen in der Garage meines Elternhauses, die im Dorf für uns gesammelt wurden. Die Hilfe, die wir erfahren haben, war so überwältigend, dass ich stolz bin, Oberhundemerin zu sein. Ich kann mich nur bedanken für diesen tollen Zusammenhalt“, berichtet Marietta Sasse und weint erneut. Die kleine Familie erhält über 40 Briefe, in denen Menschen ihr Mitgefühl ausdrücken und bekommt Unterstützung von allen Seiten:. „Der Besuch des Schützenfestes war sehr emotional. Gestandene Mannsbilder, darunter Feuerwehrleute, haben uns in den Arm genommen und mit uns geweint.“ Nicht nur die gesamte Dorfgemeinschaft hat der verheerende Brand zusammengeschweißt, sondern auch die ganze Familie. „Ich kann gar nicht oft genug ‚danke‘ sagen, für all die Unterstützung, die wir bekommen haben.“
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Mittlerweile haben Marietta und Younes Sasse eine neue Wohnung gefunden. Hell, modern und hübsch haben sie es sich eingerichtet und hoffen, dass es sich irgendwann wie ein richtiges Zuhause anfühlen wird. „22 Jahre vergisst du nicht so einfach“, sagt Marietta Sasse und ihr Sohn ergänzt: „Es fühlt sich an, als seien wir in einer Ferienwohnung in einem sehr langen Urlaub und bald geht es wieder nach Hause.“ Viele Dinge konnten mittlerweile ersetzt werden, was der Mutter von zwei Jungs aber am meisten fehlt, sind die besonderen Erinnerungsstücke aus Kindheitstagen. „Die ersten Schuhe und die Spieluhren meiner beiden Jungs, sowie meine erste Puppe steckten in einem Beutel, der verbrannt ist. Auch wenn du dir diese Sachen nicht jeden Tag anschaust, fehlen solche Dinge einfach.“