Welschen Ennest. Nach dem Brand in 2022 hat das Unternehmen die Produktionsstätte in Welschen Ennest auf den Kopf gestellt. So sehen die weiteren Pläne aus.
„Ich bin gespannt auf Ihre Spezialitäten. Mein Vorteil ist, ich esse alles“, sagt Dorothee Bär. Alles zu probieren, was die Bäckerei Hesse in Welschen Ennest an Spezialitäten zu bieten hat, dafür reichte der zweistündige Besuch der Brotbotschafterin des Deutschen Bäckerhandwerks am Dienstag nicht aus. Aber die Politikerin aus dem fränkischen Bamberg, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und von 2018 bis 2021 unter anderem Staatsministerin in der Merkel-Regierung, erfuhr viel über das moderne Bäckerhandwerk, aber auch über die Sorgen und Nöte der Betriebe.
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„Die Herausforderungen in diesen Zeiten sind groß“, fasste Seniorchef Reinhard Hesse die angespannte Großwetterlage für das Bäckerhandwerk zusammen. Bei Hesse ist die Lage schon seit 2022 „besonders“. Im Mai 2022 verursachte ein Schwelbrand große Schäden im Betriebsgebäude. Mehr als eine Woche standen die Teigmaschinen und die Backöfen still, verließ kein einziges Brot oder Brötchen das Gebäude. Nur dank der großen Solidarität der rund 500 Mitarbeitenden und der Unterstützung der Bäcker-Kollegen in der Region konnten die schwierigen Wochen damals geschultert werden.
Wie so oft machte Hesse aus der Not eine Tugend. „Anderthalb Jahre war hier Großbaustelle, der Betrieb wurde ganz auf den Kopf gestellt“, so Reinhard Hesse. 13 neue, moderne Öfen wurden angeschafft, neue, programmierbare Kühlsysteme dienen nicht nur der Qualitätssicherung, sondern sorgen für bessere Arbeitsbedingungen. „Dadurch konnten wir die Arbeitsvorbereitung später in den Tag verlegen“, erklärt Betriebsleiter Marco Vilic, während er zusammen mit Dorothee Bär und dem heimischen Bundestagsabgeordneten Florian Müller (CDU) aus Teigbällchen Hefezöpfe formt. Denn trotz aller technischen Innovation: „70 Prozent aller Brote werden bei uns von Hand gemacht“, betont Vilic.
Einen „einstelligen signifikanten Millionenbetrag“, so Bäckerei-Chef Thomas Hesse, habe man in den Standort in der Welsmicke in Welschen Ennest, wo Hesse seit 35 Jahren zuhause ist, investiert. Eine Investition in die Zukunft der Bäckerei, die vor 75 Jahren gegründet wurde. Denn die Liebe zum Backen, wie es im Werbeslogan des Unternehmens heißt, ist noch lange nicht abgekühlt. „Wir möchten moderat weiterwachsen und unsere Qualität verbessern“, beschreibt Thomas Hesse das Ziel für die nächsten Jahre. So sollen zu den jetzt 52 Filialen weitere dazukommen. „Bei uns im Fränkischen sind die Betriebe nicht so riesig, wir haben zumeist kleinere Strukturen“, sagt Dorothee Bär, die seit der Berufung in das Ehrenamt am 5. Mai, dem Tag des Brotes, schon Betriebe in vier Bundesländern besucht hat. „Ich sehe mich nicht nur als Botschafterin des Brotes und des Bäckerhandwerks, sondern des gesamten Handwerks und des Mittelstands“, betont die 46-Jährige.
Walter Mennekes knüpfte Kontakt
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks ernennt jedes Jahr zum Tag des Brotes am 5. Mai einen neuen Botschafter des Deutschen Brotes. Mit ihm soll die gesellschaftliche Bedeutung des Grundnahrungsmittels hervorgehoben werden. Dorothee Bär übernahm den Staffelstab vom SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, zuvor hatten Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dieses Ehrenamt inne.
Den Kontakt zur Bäckerei Hesse hatte Walter Mennekes, Unternehmer aus Kirchhundem und in Welschen Ennest betrieblicher Nachbar der Bäckerei Hesse, geknüpft. Dorothee Bär gehört dem Verwaltungsbeirat des FC Bayern München an, Walter Mennekes ist seit 2016 zweiter Vizepräsident des Clubs.
Prominente Unterstützung kann das Handwerk gut gebrauchen, insbesondere das Bäckerhandwerk mit seinen rund 9500 Betrieben in Deutschland. Denn ob Ein-Mann-Betrieb oder Großbäckerei, alle stehen vor den gleichen Herausforderungen. Reinhard Hesse nutzte den Besuch der Brotbotschafterin, um die Kernprobleme zu benennen: „Das Kundenverhalten hat sich gravierend verändert, die Leute kaufen nicht mehr automatisch beim Bäcker vor Ort.“ Hinzu kommt: Rohstoffe und Energie sind nach wie vor teuer. Geschäftsführer Thomas Hesse: „Bei der Energie sind wir immer noch weit von den Preisen von 2021 entfernt.“ Drittes Problem: Es mangelt an Personal und Fachkräften. Die Ausbildungsquote bei Hesse liegt bei drei Prozent, im Vergleich zu anderen Branchen ist das wenig, im Vergleich zu anderen Bäckereibetrieben sogar viel. „Es wäre schön, wenn wir zugezogenen jungen Menschen eine Perspektive bieten könnten, wenn man uns denn lassen würden“, prangerte Jürgen Hinkelmann, Landes-Innungsmeister und Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, die aktuellen Hemmnisse und Schwierigkeiten an, um Geflüchtete in Brot und Arbeit zu bringen. Überhaupt: Der überbordende Bürokratismus nervt auch die Bäcker immens.
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Am Ende des Besuchs ging es dann wieder um das Wesentliche: Brot und Geschmack. Brotbotschafterin Dorothee Bär fühlte sich bestätigt. „Bei den Geschmäckern gibt es spannende Unterschiede in Deutschland.“ Trotz größter Objektivität konnte die Politikerin ihre fränkische Geschmacksherkunft dann doch nicht verleugnen. „Ich liebe Kümmel und Pfefferbrezn.“ Vielleicht gibt es fränkische Brottradition demnächst auch bei Hesse. Thomas Hesse: „Wir lassen uns gerne inspirieren.“