Attendorn. Der Rückzug von LEWA und Viega von der Campus-Idee in Attendorn traf die Stadt ins Mark. Doch dieser Unternehmer ist von dem Projekt überzeugt.
Der vorzeitige Ausstieg von der LEWA und vom Sanitär- und Heizungsspezialisten Viega aus dem Projekt „Bigge Campus“ machte in Attendorn vor wenigen Tagen Schlagzeilen. Beide werfen der Stadt, die auf dem Gelände der ehemaligen Hoesch-Hallen am Wassertor ein neues Quartier zum Wohnen, Lernen und Arbeiten schaffen will, im Kern vor, die Campus-Idee völlig planlos und ohne inhaltliches Konzept anzugehen (wir berichteten ausführlich). Die Stadt, die seit Sommer 2023 Eigentümerin der alten Hallen ist, würde sich gar ein „Millionengrab“ schaufeln, sparte Walter Viegener in einem Brief an Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) nicht mit Kritik. Das Schreiben liegt dieser Redaktion vor. Keinerlei Interesse an einer räumlichen Verwirklichung in dem möglichen Campus hat auch die LEWA, ein aus einer gemeinsamen Lehrwerkstatt hervorgegangenes und Ausbildung-orientiertes Gemeinschaftsunternehmen der Wirtschaft im Kreis Olpe.
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Der Rückzug traf die Stadt ins Mark, Bürgermeister Christian Pospischil bezeichnete den „Verlust“ dieser beiden Institutionen im Gespräch mit dieser Redaktion als „starken Einschnitt für unser Projekt“. Dennoch will sie die Flinte nicht vorzeitig ins Korn werfen und hofft darauf, möglichst viele Unternehmen von der Campus-Vision zu überzeugen. Dabei weiß sie einen namhaften Unternehmer aus Attendorn hinter sich: Arndt G. Kirchhoff, Vorsitzender des Beirats der Kirchhoff-Gruppe, die unter anderem in der Hansestadt für die Automobilbranche produziert. Der in Attendorn lebende Unternehmer sei „ganz sicher, dass die Mehrheit der Attendorner Industrie nicht so denkt“ wie die Verantwortlichen von Viega und der Lewa. Eine Mehrheit, davon ist Kirchhoff überzeugt, würde den angestoßenen Prozess, der noch ganz am Anfang steht, weiterhin begleiten.
Die Gründe nennt Kirchhoff im Gespräch mit dieser Redaktion. Gerade die Industrieregion Südwestfalen und hierbei vor allem der Kreis Olpe mit seinen weltweit führenden Unternehmen aus der Elektro-, Sanitär-, Maschinenbau- und Automobilbranche habe „etwas zu verteidigen“, und zwar den Status Quo, „dass wir immer noch die führenden Unternehmen in Deutschland sind.“ Doch nur dann, wenn man in den Nachwuchs investiere, wenn man junge Leute mit einem attraktiven Angebot anlocke, mit flexiblen Arbeitszeiten in einer spannenden Umgebung, könne man diesen Stellenwert auch verteidigen, so Kirchhoff. Der „Bigge Campus“ könne ein solcher Ort werden.
„Die Firmen, die sich mit der Kreislaufwirtschaft beschäftigen, entstehen jetzt. Für solche Unternehmen und Start-ups müssen wir uns öffnen. “
Arndt G. Kirchhoff nimmt dabei zwei große Zukunftsthemen in den Blick, die in Deutschland noch in den Kinderschuhen stecken würden und für die sich der „Bigge Campus“ am Attendorner Stadtrand eignen würde: Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in die etablierten Verfahren, mit denen die südwestfälische Industrie seit etlichen Jahren eine Vorreiterrolle einnimmt, sowie der ressourcenschonende Umgang mit benötigten Rohstoffen. „Die Firmen, die sich mit der Kreislaufwirtschaft beschäftigen, entstehen jetzt. Für solche Unternehmen und Start-ups müssen wir uns öffnen. Solche jungen Leute müssen wir bei uns ausbilden“, skizziert Kirchhoff seine Gedanken.
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Der „Bigge Campus“ solle keineswegs ein Ort für Produktionen sein, „dafür liegt der Standort auf diesem Filetstück viel zu nah an der Innenstadt“. Kulturzentren oder Geschäfte gebe es in Attendorn ebenfalls ausreichend. Kirchhoff fasst seine Vorstellungen so zusammen: „Wir haben die Chance, ein neues Quartier zu entwickeln, eine moderne Bleibe, die Wohnen, Arbeiten und Leben miteinander verbindet.“ Dass es dafür am Ende eine Projektgesellschaft brauche, die den „Bigge Campus“ finanziere, sei unstrittig, doch zunächst geht es auch für den Attendorner Unternehmer darum, die Projekt-Idee sukzessive mit Leben zu füllen. Auch ohne die LEWA und ohne Viega. Für Kirchhoff ist jetzt wichtig, in weiteren Gesprächen mit der Stadt und vielen anderen Beteiligten auszuloten, welche Wohn,- Lern- und Arbeitsformen im „Bigge Campus“ eine realistische Chance bekommen könnten.