Saßmicke. Bis eine Ortsumgehung für Gerlingen als Zufahrt genutzt werden kann, soll eine Zufahrt über Saßmicker Areal gehen. Das kommt nicht gut an.

Es war kein Heimspiel für Bürgermeister Peter Weber, Kreisdirektor Philipp Scharfenbaum und den Geschäftsführer der Bodenbörse Südsauerland, Frank Rottstock, als sie am Montagabend im Dorfgemeinschaftshaus von Saßmicke als Gäste einer Bürgerversammlung begrüßt wurden. Die Stimmung im Saal war fast feindselig; die Diskussion um die mögliche Zuwegung zu einer geplanten Erddeponie bei Hillmicke über Saßmicker Gelände war geprägt von emotionalen Zwischenrufen, mehrfachem Ins-Wort-Fallen und scharfen Kommentaren.

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Wie berichtet, plant der Kreis Olpe gemeinsam mit der Bodenbörse, einem Zusammenschluss von neun Tiefbauunternehmen, in einem Tal zwischen Hillmicke, Gerlingen und Saßmicke nahe der Schlammdeponie des Ruhrverbands eine neue Erddeponie. Der Bau dieser Deponie soll nach dem Wunsch der Gemeinde Wenden gleichzeitig genutzt werden, um die seit Jahren vergeblich ersehnte Ortsumgehung für Gerlingen zu schaffen, die dann auch als Zufahrt zur Deponie dienen soll. Ortsvorsteherin Sandra Kurz-Schneider, die zu der Versammlung geladen hatte, kündigte den „Rücktritt vom Rücktritt“ an: Sie werde nicht, wie im Vorjahr erklärt, das Amt niederlegen, sondern angesichts der neuen Entwicklungen „weiter für das Dorf kämpfen“, was ihr langen Applaus bescherte.

Mehrkosten von 15.000 Euro pro Hausbau

Kreisdirektor Scharfenbaum machte eingangs deutlich, dass noch lange nicht klar sei, ob die Deponie überhaupt eingerichtet werden könne, und wenn, sei dies frühestens in fünf Jahren der Fall. Er lotete die Chance mit „50 zu 50“ aus, denn noch seien keinerlei Arten- oder Naturschutzuntersuchungen auch nur begonnen worden. Und wenn die Deponie realisierbar sei, dann gehe es lediglich provisorisch um eine Zufahrt über vorhandene Saßmicker Feldwege. Die Belastung werde klein gehalten: Es werde keine öffentliche Straße angelegt, sondern vermutlich ein Weg, der zum Betriebsgelände gehöre und daher nur zu den Öffnungszeiten und nur vom Anlieferverkehr genutzt werde. Die vorhandenen Deponien der Bodenbörse seien erschöpft, es müsse dringend neuer Platz geschaffen werden. Ansonsten, so Scharfenbaum, drohten am Beispiel eines Bauherrn, der ein Einfamilienhaus baue, Mehrkosten von mindestens 15.000 Euro für die Entsorgung des Erdaushubs im Ruhrgebiet oder im Rheinland. Rottstock ergänzte, das Gelände der Waldgenossenschaft Hillmicke sei praktisch die einzige Fläche im Kreis, die bei einer Voruntersuchung übriggeblieben sei, weil dort, anders als in fast allen anderen Tälern, kein Gewässer hindurchlaufe und auch keine Bauwerke in der Nähe seien. Die Zuwegung über Saßmicke sei lediglich als Provisorium gedacht, bis die geplante Ortsumgehung genutzt werden könne.

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Die Saßmicker betonten, sie hätten kein Problem mit der Deponie an sich, sondern lediglich mit der Zuwegung an ihrem Dorf vorbei. Sie forderten, die Zuwegung durch Gerlingen nicht aus dem Blick zu verlieren, schließlich könne es nicht sein, dass Gerlingen auf Saßmicker Kosten entlastet werde. Eine Bürgerin: „Wer 400.000 Euro für ein Haus bezahlt, der hat auch 20.000 für den Aushub übrig.“ Bürgermeister Weber meldete sich zu Wort: Die Diskussion sei noch ganz am Anfang, daher seien zu viele Fragen noch gar nicht zu beantworten. So sei mit der Autobahngesellschaft noch gar nicht abgestimmt, ob eine Zuwegung unter der Autobahn hergeführt werden dürfe, und wenn dies abgelehnt werde, sei das Thema ohnehin vom Tisch. Vorwürfe aus dem Saal, die Stadt sei mit dabei, quasi im Hinterzimmer ein Gewerbegebiet auf dem Gelände der Deponie nach deren Verfüllung zu schaffen, bezeichnete er als „Quatsch“, denn für so etwas sei eine entsprechende Vormerkung des Geländes im Regionalplan nötig, was nicht der Fall sei. Scharfenbaum ergänzte: „Hier kommt nichts durch die Hintertür, so wahr ich hier stehe.“

Kritik an Gerlingern

Der ehemalige Kreistagsabgeordnete Heinrich Peter Gummersbach meldete sich: Es dürfe nicht vergessen werden, dass die Gerlinger selbst vor einigen Jahren den Bau einer Ortsumgehung ausdrücklich abgelehnt hätten. „Wenn sie jetzt eine wollen, dann sollen sie bitte auch 40 Lkw am Tag als Teil der Lösung akzeptieren.“ Dafür erhielt er ebenso Applaus wie eine Saßmickerin, die sich bei Ortsvorsteherin Sandra Kurz-Schneider für deren Engagement im Kampf gegen die Stadtverwaltung dankte: „Ohne unsere Ortsvorsteherin wären wir schon lange verraten und verkauft.“ Weber deutete eine mögliche Lösung an: Derzeit werde der Bau einer provisorischen Autobahnausfahrt geplant, um die Anlagen für den Windpark an der Autobahn 4 anliefern zu können. Dann sei denkbar, diese auch für die Deponie zu nutzen. Nachdem die Diskussion schon fast eine Stunde gekocht hatte, bat Ortsvorsteherin Kurz-Schneider ihren Gerlinger Amtskollegen Benjamin Hacke ums Wort. Dieser erklärte, niemand in Gerlingen fordere eine Zuwegung über Saßmicke.

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Warum denn nicht die vorhandene Zufahrt durchs Industriegebiet Auf der Mark genutzt werde, wollte ein Saßmicker wissen. Daraufhin ergriff noch einmal Scharfenbaum das Wort: Eine vorhandene Autobahnüberführung, Teil dieser Strecke, sei schon jetzt lastbeschränkt und daher für Schwerverkehr nicht nutzbar. Denkbar sei aber eine Ringlösung: Volle Lkw fahren über Saßmicke die Deponie an, nach dem Leeren nutzen die dann leichten Fahrzeuge den Weg durch die Mark für die Rückfahrt. Er stimmte einer Forderung aus dem Plenum zu: Am Allerbesten sei es, wenn die Planungen für Autobahnausbau, Ortsumgehung und Deponie einheitlich vorangetrieben würden, um erst gar keine provisorische Zufahrt über Saßmicke zu benötigen. Damit befriedete er am Ende die erste öffentliche Diskussion über ein Thema, das in und um Saßmicke mit Sicherheit noch für manche Debatte sorgen wird.