Ennest. Im Ennester Pfarrheim können Besucher ein besonderes Stück Geschichte betrachten. Ein Junge hatte einst die Scherbe im Zweiten Weltkrieg gerettet.

Auf Weisung des Nazi-Regimes wurden im Zweiten Weltkrieg insgesamt 102.500 Kirchenglocken abgehängt und größtenteils eingeschmolzen. Davon waren auch die Glocken der Ennester Kirche betroffen, die im Jahre 1942 zertrümmert und als sogenanntes „kriegswichtiges Material“ weggeschafft wurden. Insgesamt waren 1732 Kilogramm Glockenschrott bei der Erfassungsstelle abgeliefert.  

Die Ennester Kirche
Die Ennester Kirche "St. Margaretha" wurden im Zweiten Weltkrieg durch zwei Artillerietreffer beschädigt.  © Meinolf Lüttecke | Meinolf Lüttecke

Doch der damals 12-jährige Reinhard Bock rettete zuvor ein Bruchstück (14 Zentimeter Länge und 7 Zentimeter Höhe) und nahm dies mit nach Hause. Später überließ er die Scherbe wieder der Kirchengemeinde. Sein Sohn Andreas Bock vermutet, dass er dieses Teil Mitte bis Ende der 1980er-Jahre zurückgab. In dieser Zeit hat er im Auftrag der Kirche den Kirchplatz gereinigt. Reinhard Bock hat immer leidenschaftlich gern gesammelt, sagt sein Sohn. Und so ist dieses Relikt vergangener Tage erhalten geblieben.

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Als Musiker und Gründungsmitglied des Musikzuges der Freiwilligen Feuerwehr Ennest war Reinhard Bock vielen bekannt. Im Musikzug, dem er insgesamt 41 Jahre angehörte, spielte er das Flügelhorn. Im November 2009 starb er im Alter von 79 Jahren. Unter der Überschrift „Ein Stück Geschichte in der Hand halten“, wird in den Pfarrnachrichten angeboten, das Bruchstück einmal in Händen zu halten und zu betrachten. Im Pfarrheim Ennest hat jeder zu den Öffnungszeiten dazu die Möglichkeit.  

Der Ennester Reinhard Bock (unser Bild) rettete im Jahre 1942 eine Scherbe der für den Zweiten Weltkrieg zertrümmerten Ennester  Kirchenglocken.
Der Ennester Reinhard Bock (unser Bild) rettete im Jahre 1942 eine Scherbe der für den Zweiten Weltkrieg zertrümmerten Ennester  Kirchenglocken. © Privat | Privat

Neben dem Verlust der Glocken hatten die Ennester auch die Beschädigung ihrer Kirche im letzten Kriegsjahr 1945 zu beklagen. In dem Buch „St. Margaretha Ennest – Chronik einer sauerländischen Kirchengemeinde“, das im November 1990 erschienen ist, wird detailliert darauf eingegangen: „Anfang April bereitete man sich in Ennest auf den Einmarsch der Amerikaner vor. Zur Verteidigung des Dorfes mussten am südlichen Dorfeingang Schanzarbeiten ausgeführt werden. Keller wurden abgestützt und Hauswände mit Holzstapeln verstärkt. Am 9. April wurde das Sanctissimum aus der Kirche geholt und im Luftschutzkeller der Vikarie geborgen. Am Dienstag, 10. April, erreichten die Amerikaner, von Osten kommend, die Heldener Höhe und nahmen Attendorn unter Artilleriebeschuss, und bald kamen die Einschläge auch dem Dorf immer näher. Es gab zwei Treffer im Dorfteil In der Linde. Die zur Verteidigung von Ennest abkommandierten Soldaten zogen sich kampflos auf die Windhauser Höhe zurück und bekämpften die Amerikaner mit Artilleriebeschuss. Als sich am Mittwoch, 11. April, das Gerücht verbreitete, die Amerikaner hätten Attendorn besetzt, ließ Vikar Hammeke (Anm. der Redaktion: Der damalige Ortsgeistliche von Ennest) eine weiße Fahne auf dem Kirchturm hissen. Bald darauf erschien auch ein Amerikaner, um die Übergabe des Ortes entgegenzunehmen. Aber es war auf deutscher Seite niemand da, der sie verantwortlich hätte vollziehen können. So zog sich der amerikanische Parlamentär zurück, und bald darauf begann ein heftiger Artilleriebeschuss des Dorfes, der erhebliche Schäden verursachte.“

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Und weiter: „Auch die Kirche erhielt zwei Artillerietreffer, einen in den Turm, einen in das östliche Kirchendach. Die Granate durchschlug das Kirchendach und zerstörte die westlichen Fenster des Langhauses völlig, die beiden Chorfenster größtenteils. Auch die Vikarie erhielt einen Treffer durch eine Phosphorgranate. Sie durchschlug das Dach, Fußboden und zwei Wände, bis sie sich im Inneren des Hauses entzündete. Mit Hilfe von fünf deutschen Soldaten, die in der Vikarie Deckung gesucht hatten, gelang es, das Feuer zu löschen. Erst gegen 20 Uhr stellten die Amerikaner den Beschuss ein, um 23 Uhr erschienen die ersten Infanteristen. Sie durchsuchten die Vikarie, nahmen die fünf Soldaten gefangen und stellten das weitere Vordringen ein. Auf dem Dachboden der Vikarie postierte sich ein Beobachter, die anderen, etwa 50 Mann, legten sich zur Ruhe nieder. Wohl aufgrund eines Missverständnisses schoss der Beobachter auf Vikar Hammeke, der das Haus nicht hatte verlassen müssen, ohne ihn, Dank sei Gott, zu treffen. Bei Sonnenaufgang des nächsten Tages besetzte dann die amerikanische Infanterie das ganz Dorf sowie die Mühlhardt und Holzweg.“