Grevenbrück. Pianist Christian Behrens aus Grevenbrück entdeckt im Lockdown Online-Auftritte für sich. Es ist ein Zeichen, dass Kultur noch lebt. Nur anders.
In seiner Freizeit trägt Christian Behrens gerne Cappy, Kapuzenpullover und Jeans. Ein Typ von nebenan, der mit seinem langen Vollbart ganz gut in das Bild des entspannten Rockers passt. Der 38-Jährige aus Grevenbrück kann aber auch anders: Mit glattgebügeltem Hemd, Trilby-Hut und einem sanften Lächeln vor einem Steinway-Flügel sitzend. Momentan spielt er zwar nicht so oft am besagten Flügel, weil dieser im Kulturbahnhof Grevenbrück untergebracht ist und die Location Corona bedingt für die Öffentlichkeit geschlossen ist. Dafür wendet sich Behrens seit dem ersten Lockdown verstärkt seinem eigenen Piano Zuhause zu – und lässt sich dabei immer mal wieder bei Youtube über die Schulter schauen.
Balladen sollen gegen den Corona-Blues wirken
„Ohne Corona wäre sowas gar nicht möglich gewesen. Ich wäre sonst nie auf die Idee gekommen, meine Aufnahmen online zu stellen oder zu streamen“, sagt Behrens. Den Schwerpunkt legt er dabei auf Balladen. Das Album „Feelings“, das elf selbst geschriebene Piano-Stücke enthält, zeigt schon in der Namensgebung, dass es ihm um die Auseinandersetzung mit Emotionen geht. Weniger impulsiv, sondern vielmehr sanftmütig. „Es soll die Hörer vor allem runterbringen und beruhigen“, meint Behrens. Das sei im Hinblick auf die Wirren der Corona-Krise ein Ausgleich, den jeder gebrauchen könne.
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Einen ähnlichen Ansatz hat auch Andreas Schattinger, Berufsmusiker aus Kreuztal-Littfeld. Mit seinem Online-Format „Schattis Piano Lounge“ möchte er Künstlern aus der Region eine Bühne geben, die bedingt durch die Corona-Pandemie seit knapp einem Jahr so gut wie gar nicht mehr auftreten können. Jeden Sonntagabend ab 19 Uhr wird ein Musiker in die „Piano Lounge“ eingeladen, um dort zu singen oder dort zu spielen. Um zu zeigen, dass es ihn noch gibt. Der Auftritt wird per Youtube- und Facebook-Live-Stream übertragen und ist später als gespeichertes Video abrufbar. „Ich hatte gesehen, dass eine Nachbarin bei ihm aufgetreten ist und war total platt. Ich wusste gar nicht, dass sie singt und das auch noch so gut“, erzählt Christian Behrens und lacht. Er kommentierte den Auftritt bei Facebook, Andreas Schattinger antwortete – und lud Behrens gleich für den 10. Januar in seine „Piano Lounge“ ein.
Trotz vieler Auftritte macht sich Nervosität im Livestream bemerkbar
„Ich habe schon Hunderte Auftritte in meinem Leben gehabt. Aber vor diesem Livestream war ich echt nervös. Eigentlich hätte ich Baldrian und Kohletabletten gebraucht“, erinnert sich Behrens. Der 38-Jährige hat sich schon früh für die Musik interessiert, ist mit elf Jahren in die Meggener Knappenkappelle eingetreten und hat dort mit dem Tenorhorn und Posaune Spielen angefangen. Im Alter von 15 Jahren widmete er sich schließlich dem Keyboard und trat wenig später zum ersten Mal mit seiner Rockband „Duke“ auf. Die Band gibt es heute zwar nicht mehr, die Begeisterung für die Musik ist aber immer geblieben.
„Eigentlich bin ich der geborene Live-Spieler. Ich liebe die Interaktion mit dem Publikum und das Feedback. Aber in Zeiten von Corona ist das eben nur schwer möglich“, weiß Behrens. Ein virtuelles Konzert: völliges Neuland für ihn. „Es ist schon komisch. Man guckt gar nicht ins Publikum, sondern quasi auf die Rückseite des Handys, das einen aufnimmt. Am Anfang habe ich mich auch gar nicht so recht getraut, etwas zu sagen.“ Die Aufregung legt sich aber gleich nach dem ersten Stück und Behrens findet schnell zu seiner entspannt-humorvollen Art zurück. „Es hat super viel Spaß gemacht.“
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Der Auftritt in „Schattis Piano Lounge“ habe ihm vor allem gezeigt, wie gut die Künstler in der Region miteinander vernetzt seien und wie schnell sich in einer Krise doch noch etwas organisieren lasse. „Das hat mir auf jeden Fall den Ansporn gegeben, meine Online-Präsenz mehr auszubauen. Man muss einfach in den Sozialen Medien aktiv bleiben, um als Künstler nicht vergessen zu werden“, ist Behrens überzeugt.
Lokführer mit Entertainer-Qualitäten
Finanziell abhängig ist er von den Auftritten glücklicherweise nicht. Denn als Lokführer bei der Hessischen Landesbahn hat der 38-Jährige einen krisensicheren Job, den er mindestens genauso liebt wie die Musik selbst. „Züge und die ganze Technik dahinter, das fand ich schon als Kind super spannend“, sagt er. Sein geliebtes Keyboard nimmt er zwar nicht mit in den Führerstand, seine Entertainment-Qualitäten kann er aber auch hier ausleben. „Ich mache dann schon mal witzige Ansagen, mal auf Spanisch mit dem Google Translator oder mit einem Stimmenverzerrer. Ist doch schön, wenn die Leute gut gelaunt mit dem Zug fahren.“ Online-Auftritte gibt es davon allerdings (noch) nicht.
Examen in Kirchenmusik
Christian Behrens kommt ursprünglich aus Meggen, wohnt jetzt aber in Grevenbrück und ist Vater eines elfjährigen Sohnes.
Im Alter von 25 Jahren absolvierte er beim Erzbistum Paderborn sein kirchenmusikalisches Examen, bei dem er die Fächer Dirigat, Orgel und Klavier belegte.
Auf Youtube stellt er als „Chris Piano 82“ Videos von sich und seinen Stücken ein.