Attendorn. In der Praxis für Heilpädagogik von Beate Pulte werden Kinder spielend gefördert. Das Ziel: Sie sollen ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln.
Beate Pulte und ihr Team haben schon viele Kinder begleitet. Von einigen hängt das eingerahmte Foto im Besprechungszimmer der Praxis. „Diesen Jungen zum Beispiel“, sagt Beate Pulte und zeigt auf das Bild im gelben Rahmen, „kenne ich schon, seit er krabbelt. Jetzt ist er neun Jahre alt und hat sich toll entwickelt.“ Ihr Ziel ist es, dass die Kinder ein gesundes Selbstbewusstsein aufbauen, sie zu einer starken Persönlichkeit reifen. Trotz ihrer Schwierigkeiten.
Rund 100 Kinder aus dem Kreis Olpe nehmen derzeit Hilfe von Heilpädagogin Beate Pulte und ihrem Team in Anspruch. Kinder, die Verzögerungen in ihrer Entwicklung zeigen – sei es motorisch, kognitiv, sprachlich, sozial oder emotional. „Wir bieten in erster Linie Frühförderung an, das heißt für Kinder in einem Alter von 0 bis 6 Jahren“, erklärt Pulte, die vor drei Jahren die Praxis am Torenkasten im Attendorner Zentrum übernommen hat. Generell gilt: Je früher die Kinder mit Förderbedarf Unterstützung erhalten, desto besser greifen die Maßnahmen.
„Statistisch gesehen kommen die Kinder durchschnittlich im Alter von etwa vier Jahren zum ersten Mal zu uns. Trotzdem kommt es immer auf die individuelle Geschichte des Kindes an. Seit Kurzem begleiten wir zum Beispiel auch ein fünf Wochen altes Baby, das mit dem Down Syndrom zur Welt gekommen ist“, so Pulte. In diesem Fall wussten die Eltern schon vor der Geburt, dass das Mädchen wegen ihrer Behinderung einen höheren Förderbedarf hat als die Kinder, die vollkommen gesund zur Welt kommen. Dementsprechend konnten sie früh handeln.
Bei manchen Kindern zeigen sich jedoch erst später Auffälligkeiten. „Normalerweise beginnt ein Kind im ersten Jahr zu sprechen, im zweiten Jahr können viele dann schon Zwei-Wort-Sätze bilden. Wenn das mit zweieinhalb, drei Jahren immer noch nicht so ist, wächst der Druck auf Eltern und Kind und es ist ratsam, sich Unterstützung zu suchen“, sagt Pulte. Auch die Rückmeldungen vom Kinderarzt, der womöglich motorische Schwierigkeiten feststellt, oder von Erziehern im Kindergarten, die das Kind in einem sozialen Umfeld erleben, sind wichtig. Schwierigkeiten in Ausdauer und Konzentration sind häufig Anlass für eine Frühförderung.
„Wir möchten zusammen mit den Eltern ein gutes Umfeld für das Kind schaffen. Denn nur zusammen kann man das Allerbeste für das Kind erreichen“, ist Pulte überzeugt. Es geht darum, einen sicheren Rahmen zu schaffen, in dem sich das Kind in seinem Tempo entfalten kann, dabei aber auch immer wieder Impulse von Außen erhält. „Gemeinsam – spielend – wachsen“: Diesen Ansatz verfolgt die Heilpädagogik-Praxis von Pulte.
Dabei gibt es in den Einheiten – ein Kind kommt in der Regel 45 Minuten pro Woche – einen festen Strukturplan. „Dazu gehört zum Beispiel ein Begrüßungs- und Abschiedsritual, eventuell auch mit einem Lied. Dann starten wir mit einer Beschäftigungsaufgabe, die dem Kind für seine Verhältnisse viel Konzentration abverlangt. Diese ist zu Beginn nämlich meist noch am höchsten.“
Mit Knete Gefühle ausdrücken
Dann gibt es aber auch Tage, an denen die geplante Einheit komplett über den Haufen geworfen werden muss. „Wenn das Kind einen schlechten Tag hat und auf Abwehr geht, ist es kontraproduktiv auf etwas beharren zu wollen. Die Motivation soll aus dem Kind herauskommen“, erklärt Pulte. Sie nennt das „sich näher am Bedürfnis des Kindes orientieren“. Knete sei zum Beispiel sehr hilfreich, um Gefühle auszudrücken. Gleichzeitig werden durch das Modellieren und Drücken die motorischen Fähigkeiten angesprochen, genauso wie die Sensorik durch das Riechen und Ertasten. So erhält das Kind Lernimpulse, obwohl es vordergründig „nur“ spielt. Spätestens im Vorschulalter kann es auch ein Förderziel sein, zu lernen, mal eine Aufgabe zu erledigen, obwohl man gerade keine Lust dazu hat. Dies ist gerade im Hinblick auf schulisches Lernen eine wichtige Fähigkeit.
In der Hochphase von Corona musste auch die Praxis von Beate Pulte geschlossen bleiben. Seit ein paar Wochen dürfen Kinder sich hier aber wieder an der Werkbank ausprobieren, basteln oder im Bewegungsraum herumtoben. Nur das Bällebecken, das bleibt weiterhin geschlossen. Zu groß wäre der Aufwand, jeden einzelnen Ball desinfizieren zu müssen. Außerdem hat die Praxis kuscheligen Nachwuchs bekommen: ein gelb-rotes Stofftier mit großen Kulleraugen, das der mikroskopischen Vergrößerung des Coronavirus ähnelt. „Ganz viele Kinder haben das Kuscheltier gesehen und gesagt: ‘Man, wegen dir durften wir nicht auf den Spielplatz!'“, sagt Pulte und lacht. Kinder würden nämlich sehr viel mehr wahrnehmen, als man es ihnen als Erwachsener vielleicht zutrauen würde.