Attendorn. . Herkulesstaude: Ätzend. Jakobskreuzkraut: Leber vergiftend. Beifuß-Ambrosie: Asthma auslösend. Exotische Pflanzen verdrängen zunehmend heimische Arten.

Sie will menschliches Blut, immer mehr Blut, und je größer die Topfblume wird, umso mehr giert sie auch nach Menschenfleisch: Das ist „Audrey 2“, die fleischfressende Pflanze aus dem Musical „Der kleine Horrorladen“. Na gut: Ganz so schlimm sind Jakobskreuzkraut, Bärenklau und Ambrosia nicht, doch dafür ist die Gefahr, die von diesen Pflanzen ausgeht, real. In diesem Jahr hat sich das bedrohliche Grünzeug in NRW erneut weiter vermehrt.

„Neobiota“ nennen Fachleute all die Tiere und Pflanzen, die nach der Entdeckung Amerikas eingeschleppt wurden. Manche haben sich angepasst, andere haben einheimische Arten verdrängt – und manche sind sogar für Menschen gefährlich. Als Folge der Globalisierung nimmt deren Zahl zu.

Einst Zierpflanze, nun zunehmende Plage

Dabei müssen die „Neuen“ gar nicht mal aus Übersee kommen. Die Herkulesstaude, auch Riesen-Bärenklau genannt, stammt aus dem Kaukasus und wurde im 19. Jahrhundert als Zierpflanze eingeführt. Heute ist sie eine zunehmende Plage. Die bis zu vier, fünf Meter hoch wachsende Staude steht vor allem an Gewässern sowie an Straßen und Gleisen, weil der Samen dort gut verbreitet wird. Die Herkulesstaude verdrängt nicht nur heimische Pflanzen – ihr Saft kann bei Menschen üble Verätzungen hervorrufen, die nur sehr langsam abheilen.

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In Attendorn im Sauerland hat der städtische Umweltbeauftragte Martin Plückebaum seit Jahren Erfahrung mit der Bekämpfung. Auf einem Grundstück nahe der Südumgehung hatte sich seit Anfang der 90-er Jahre die Staude so stark ausgebreitet, dass von der ehemaligen mehrere Hektar großen Pferdeweide nichts mehr übrig blieb. Erste Versuche, sie zu bekämpfen, scheiterten kläglich. „Abmähen hilft da gar nichts“, sagt Plückebaum. Wer mit der Motorsense die Stiele abschneidet, läuft Gefahr, sich zu verätzen. „Das haben eine Menge Leute hier schmerzlich erfahren“, weiß Plückebaum.

Seit jetzt zwölf Jahren wurde in Attendorn kontinuierlich die Staude bekämpft, es wurde gefräst, gespritzt und ausgegraben. In diesem Jahr ist der Riesen-Bärenklau bis auf wenige Exemplare vertrieben. „Wichtig ist: Sobald eine einzelne Pflanze auftritt, sofort bekämpfen. Kommt es erst zu einer Massenausbreitung, wird es richtig schwer.“ Attendorn hat viele Tausend Euro ausgeben müssen. Geld, das klammen Kommunen nicht zur Verfügung steht, denn die Bekämpfung ist keine Pflichtaufgabe.

Ungebetene Einwanderer auf der Beobachtungsliste

Auf der Beobachtungsliste ganz weit oben steht als ungebetener Einwanderer auch die Beifuß-Ambrosie, die aus Nordamerika stammt. „Bereits wenige Pollenkörner in der Atemluft können die Entwicklung einer Ambrosia-Allergie mit Heuschnupfen und häufig auch schwerem Asthma bewirken“, weiß Carla Michels, Artenschutzexpertin beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV).

Unbeabsichtigt wird sie vor allem mit sonnenblumenhaltigen Saat- und Futtermischungen eingeführt. Seit Juni 2011 ist der Handel und die Einfuhr ambrosiahaltiger Futtermittel verboten. Dennoch breitet sie sich weiter stark aus. Carla Michels empfiehlt, bei der Entfernung von kleineren Beständen Atemschutzmasken gegen die Pollen und gegebenenfalls Handschuhe zu tragen.

Inhaltsstoff ruft schwere Leberschäden hervor

Doch nicht nur die Einwanderer können gefährlich werden: In diesem Jahr gerät mehr denn je das „Jakobskreuzkraut“ in den Fokus, eine alte heimische Art. Die Blume mit den leuchtend gelben Blüten sieht schön aus, ist aber eine regelrechte Giftpflanze. Jakobskreuzkraut wächst zurzeit auf vielen Wiesen und Weiden, auf Brachflächen und an Straßenränder. Neu ist ihr teilweise extrem starkes Auftreten. „Das Kraut hat sich in den vergangenen Jahren in Nordrhein-Westfalen stark verbreitet“, sagt denn auch Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer NRW. Dass sich seine Behörde mit Jakobskreuzkraut beschäftigt, hat einen guten Grund: Passen die Bauern nicht auf, könnte es ins Futter
geraten und dann bei Pferden und auch Rindern zu tödlichen Leber-Vergiftungen führen.

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Auch für Menschen kann Jakobskreuzkraut gefährlich werden, wenn es selbst oder die enthaltenen Giftstoffe in die Nahrungskette gelangen. Als junge Pflanze ähnelt es Rucola. Die giftigen Inhaltsstoffe wurden zudem in Honig und Milch gefunden, weiß das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Dass neue Pflanzen und alte, die giftig sind, ausgerottet werden können, glaubt keiner der Experten. Ziel sei es jedoch, zu verhindern, dass sie sich an sensiblen Orten wie Naturschutzgebieten, Quellen oder Bachläufen verbreiten. Und Artenschutz-Expertin Carla Michels betont: „Es ist keine Bekämpfung des Fremden, sondern von Problemarten.“ Und die können, siehe Jakobskreuzkraut, auch schon seit ewigen Zeiten heimisch sein.