Herdecke. Mitgliederschwund und Überalterung sorgten für das Ende des Gemeindelebens in der Straße Am Sonnenstein. Dort gibt es bereits Pläne zur Nachnutzung.
Kein Aushang im Schaukasten. Der Parkplatz – verwaist. Am Gebäude erinnern nur noch Schattenumrisse, dass sich mal ein Kreuz an der Fassade befunden hat. Auch wenn auf dem Grundstück in der Straße Am Sonnenstein 14 offenkundig nichts los ist, macht das Anwesen doch einen vorzeigbaren Eindruck. Dabei tut sich hier schon länger nichts mehr, die neuapostolische Kirche in Herdecke hat sich aufgelöst. Das bestätigt der ehemalige und letzte Vorsteher Michael Neubauer auf Anfrage der Lokalredaktion.
Mitgliederschwund
„Zuletzt hatten wir zwölf Gemeindemitglieder. Die demografische Entwicklung hat uns gezeigt, dass ein Fortbestehen keinen Sinn ergibt. Leute Mitte 60 wie ich gehörten schon zu den Jüngeren“, sagt Neubauer, der in Herdecke wohnt. Drei Jahre lang war er dort Vorsteher, diesen Posten hat er in der neuapostolischen Kirchengruppe im benachbarten Wetter an der Königstraße und in Wengern inne. Auch diese Nähe sorgten demnach für den Rückzug in der Stadt an den Ruhrseen. „Hier wohnten ohnehin nur noch wenige Gemeindemitglieder, mehrere kamen von außerhalb wie etwa Hohenlimburg zum Sonnenstein.“
Fortsetzung quasi in Wetter
Aus der Sicht Neubauers wurde die hiesige Gruppe zu klein, um ein Gemeindeleben aufrechtzuerhalten. Durch die geringe Distanz nach Wetter entfiel auch der Druck, den verbliebenen Kirchgängern doch noch an Ort und Stelle etwas anzubieten. „Zu den Gottesdiensten oder anderen Aktivitäten müssen Herdeckerinnen und Herdecker jetzt nicht weit fahren.“ Somit endet an diesem Standort die Geschichte der neuapostolischen Kirche, die hier 1952 begann.
Das wichtigste Datum: 1961 startete der Bau eines eigenen Kirchengebäudes, 1962 konnte die neuapostolische Gemeinde den Rohbau am Sonnenstein einweihen und dann als fertiges Gebäude nutzen. In einer Chronik heißt es, dass in der Kleinstadt seit etwa 1920 Glaubensgeschwister dieser Richtung leben und diese im vergangenen Jahrhundert lange nach Wetter fuhren. 1952 fand der erste Gottesdienst im alten Kino an der Bergstraße in Herdecke statt, geleitet von einem Vorsteher aus der benachbarten Harkortstadt.
1954 folgte nach dem ersten Apostelgottesdienst in der Herdecker Aula der Aufbauschule an der Harkortstraße die Gründung der Gemeinde mit 55 Mitgliedern. 30 davon gehörten zuvor zur neuapostolischen Kirche Wetter, 25 ließen sich bis dahin Hagen zuordnen. Als Vorsteher fungierte der Bezirksälteste Ernst Röttger. Die erste Amtseinsetzung ging im April 1955 über die Bühne, der Diakon Adolf Köster empfing das Priesteramt. Als besonderer Höhepunkt gilt der 25. März 1982, als Bischof Hans Zier am Sonnenstein einen internationalen Gottesdienst mit 149 Glaubensgeschwistern und in vier Sprachen feierte.
Rückblick
Die Entwicklungen in diesem Jahrtausend lassen sich recht gut im Internet (www.nak-ruhr-sued.de/herdecke-meldungen) nachverfolgen. Zahlreiche Meldungen zu Personalien, Festen, Hochzeiten und mehr gewähren einen Einblick in die Aktivitäten der Gruppe. Zum Beispiel auf das 50-jährige Bestehen am 14. Juli 2002, als der für den Hagener Bezirk zuständige Bischof Wolfgang Schug durch einen Festgottesdienst führte. Der damalige Herdecker Bürgermeister Hans Werner Koch überbrachte die Glückwünsche der Stadt. „Viele ehemalige Gemeindemitglieder waren aus nah und fern angereist. So war der Nachmittag mit Wiedersehensfreude und Gesprächen ausgefüllt“, heißt es.
2012 dann das gleiche Jubiläum für das in den 1970er-Jahren umgebaute Kirchgebäude, im März stand am Grundstück ein Festwochenende auf dem Programm. Viele Ehemalige, Nachbarn, Gäste und Freunde der Gemeinde trafen sich zu einem buntem Rahmenprogramm mit Musik, einem Basar, einer Fotodokumentation, Grillwurst sowie Köstlichkeiten vom Buffet, wobei den Angaben zufolge immer wieder Zeit für persönliche Gespräche blieb. Bischof Eckhardt leitete den Festgottesdienst, Herdeckes stellvertretender Bürgermeister Dieter Weber hielt eine Ansprache.
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Ein Zeitungsartikel aus 1961 mit der Überschrift „In aller Stille wuchs ein Gotteshaus“ tauchte beim Jubiläum 2012 ebenfalls auf. Dieser Tenor lässt sich auch auf die aktuellen Ereignisse übertragen. Nach Meldungen über die Corona-Folgen enden im September 2020 die Interneteinträge aus der Gemeinde, die ohne großes Aufsehen nun Geschichte ist. Bleibt die Frage, was mit dem etwa 1350 Quadratmeter großen Grundstück in attraktiver Lage (wenige Meter vom Schulzentrum Bleichstein entfernt) passiert ist. „Das ehemalige Kirchengebäude in Herdecke haben wir im letzten Jahr an Privatpersonen verkauft, welche die Liegenschaft für Wohnzwecke nutzen wollen“, teilt auf Anfrage Frank Schuldt als Pressesprecher der neuapostolischen Kirche Westdeutschland mit Sitz in Dortmund mit.