Herdecke. Andernorts sind Plätze oft Wüsten aus Stein. Der Kampsträter Platz in Herdecke dagegen stellt Gastronomen zufrieden - und die Gäste ebenso.

Eine Pizzeria, eine Eisdiele, ein Weincafé und eine Kaffeebar - die beiden Ehepaare müssen jetzt entscheiden. Fast jeden Donnerstag kommen Rita und Gerd Rempe aus Vorhalle und Ulla und Udo Lauschinski aus Hohenlimburg nach Herdecke zum Markt. Jetzt haben sie erst mal eine Betonbank am Rand des Kampsträter Platzes angesteuert und dazu die Qual der Wahl. Sitzplätze würde das Quartett wohl überall noch finden. Wenn es sich beeilt.

Nach dem Markt auf eine Tasse Kaffee

Peter und Ulrike Postberg haben bereits Platz genommen auf einem der schrill grünen Stühle der Café-Bar Boonoo am oberen Rand des Kampsträter Platzes. Er hat seinen Kaffee schon ausgetrunken, in ihrer Tasse kräuselt sich noch der Milchschaum eines Cappuccinos. Immer nach dem Marktbesuch machen sie es so, suchen sich ein schönes Plätzchen in der Stadt, mit Vorliebe auf dem Kampsträter Platz.

Ein Aufsteller wirbt am Eingang der Außengastronomie für das Angebot im Weinlokal Korkenzieher.
Ein Aufsteller wirbt am Eingang der Außengastronomie für das Angebot im Weinlokal Korkenzieher. © WP | Klaus Görzel

„Wir fühlen uns einfach wohl hier“, sagt Ulrike Postberg und lässt offen, ob sie den Platz mit seiner Fachwerkkulisse meint oder die ganze Stadt. Vor wenigen Jahren sind sie von Wetter nach Herdecke gezogen, ihrer Geburtsstadt. Beide sind im Ruhestand, genießen den Blick, die Tasse Kaffee und die Zeit, die sie für all das haben. Der Kampsträter Platz ist gut zu überblicken von der Außenfläche des Boonoos bis hin zur Thalia-Buchhandlung als unterer Begrenzung.

Treffpunkt und Trampelpfad

Für Peter Postberg ist der erst vor einem Jahrzehnt geschaffene Platz „gelungen“. Zur Eisdiele auf der anderen Straßenseite am Eingang der Fußgängerzone geht er trotzdem gerne oder zum italienischen Restaurant „Il Cortile“, versteckt hinter den unmittelbaren Anrainern der Hauptstraße gelegen. Auch die beiden Paare aus dem Hagener Norden und Osten waren schon im Café Wenning oder im Steakhaus an der Ruhr. Die vier Gastroangebote gleich nebeneinander aber haben schon einen besonderen Reiz für das Quartett: „So etwas haben wir in Hohenlimburg nicht“, sagt Ulla Lauschinski.

Die Betonbänke am Rand sind Treffpunkt wie für die beiden Marktgänger-Paare, aber auch Ruhepol für Radfahrer oder Mütter mit Kinderwagen. Während die einen einen Sitzplatz gefunden haben oder stehend miteinander töttern, zieht unablässig ein Strom von Menschen diagonal über den Platz zwischen Fußgängerzone und der Kampstraße. Aufsteller liefern Gründe, auf dem Weg zwischen Markteinkauf und Parkplatz vielleicht doch noch Platz zu nehmen und eine Bestellung aufzugeben.

Quer über den Kampsträter Platz führt die Verbindung von Fußgängerzone zum Quartier Ruhraue durch die Kampstraße.
Quer über den Kampsträter Platz führt die Verbindung von Fußgängerzone zum Quartier Ruhraue durch die Kampstraße. © WP | Klaus Görzel

Vor dem Ristorante „La Piazza“ wirbt ein mannshoher Aufsteller für den speziellen Mittagstisch. Das italienische Restaurant hat den Standort am Platz gleich zu seinem Namen gemacht. Im Eiscafé Diana nebenan soll ein Schild verhindern, dass die Kundschaft an den Tischen vergeblich auf eine Bedienung wartet: Selbstbedienung ist hier Prinzip. Der Korkenzieher hat sein Angebot an Flammkuchen und Kaffeespezialitäten auf große Tafeln geschrieben, bei Boonoo soll die „Happy hour“ mit einer Flasche Burgunder und Wasser Aufmerksamkeit finden.

Herdecke zieht Touristen an

Nicht mal fünf Schritte trennen die Werbetafel für das Kaffee-Angebot des Weinlokals Korkenziehers von den Kaffee-Spezialitäten aus der Boonoo-Röstung. Wein gibt es in der Cafébar, im Weinlokal und im Ristorante natürlich auch. Ist die Konkurrenz hilfreich, fürs Geschäft oder am Ende des Arbeitstages doch eher hinderlich? „Das Nebeneinander ist von Vorteil“, urteilt ohne großes Zögern Hamid Shamsaldini. Sein Boonoo ist zuletzt an den Start gegangen am Kampsträter Platz. Vorher gab es in dem schmucken Fachwerkhaus nichts Gastronomisches.

An Mekka und Medina denkt er, an die Basare mit gleich gelagerten Angeboten nebeneinander. Und an die Düsseldorfer Altstadt. Da liege auch ein Lokal neben dem anderen. Das solle in der Kleinstadt an der Ruhr doch auch klappen, sagt Shamsaldini. Was ihn so sicher macht? „Herdecke ist ein lokaler Touristenanziehungspunkt geworden“, stellt er fest. Die Schönheit der Häuser und der grünen Umgebung, aber auch die Lage - all das zieht, ist der Café-Betreiber überzeugt.

Ort auch für Kundgebungen: Der Kampsträter Platz bei der Demo für Vielfalt und gegen Rechtsextremismus im Februar.
Ort auch für Kundgebungen: Der Kampsträter Platz bei der Demo für Vielfalt und gegen Rechtsextremismus im Februar. © WP | Manuela Pavlovskis

Auch aus Sicht von Korkenzieher-Gastgeber Uwe Klein ist der Platz in Herdecke ein Erfolgsmodell: Gut belegt sei er und überaus beliebt. Mittlerweile mache die Stadt auch weniger Vorgaben. Pflanzenkübel würden nicht mehr beanstandet, Aufsteller offensichtlich auch nicht. Klein hat gleich vier davon gut sichtbar in Position gebracht. Das große Plakat mit dem Hinweis auf die „Happy hour“ beim neuen Nachbarn sieht er mit gemischten Gefühlen. Ein Gewinn sei das nicht unbedingt. Klein: „Das hat Ballermann-Niveau.“

Am weitesten entfernt vom Boonoo - auch in Bezug auf das gastronomische Angebot - ist das „La Piazza“. Die damals noch drei Anbieter hätten sich über die Jahre gut eingespielt, sagt Betreiber Gecaj Avni, auch, weil sie Rücksicht genommen hätten. So habe er auf eine eigene Eiskarte verzichtet, „aus Liebe zum Nachbarn.“ Avni freut sich, wenn seine Gäste zum Nachtisch in der Eisdiele nebenan bestellen. Wein schließlich gehört bei ihm zum Essen, mit Wein handeln wie der Korkenzieher aber will er nicht. Sein Leitfaden: „Man muss den anderen auch leben lassen.“

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Josie und Lorenzo vom Eiscafé Diana bestätigen. Oft kämen Gäste vom Ristorante nach dem Essen rüber zu ihnen auf ein Eis. Hand in Hand arbeitet das Betreiberpaar auch mit dem Korkenzieher der Familie Klein. „Wenn’s mal voll ist bei uns, ‚parken‘ wir die Gäste nebenan in der Eisdiele“, sagt Uwe Klein. Ein Glas Wein bringt er gerne rüber, für mehr müssen die Gäste dann aber doch Platz genommen haben bei ihm - wegen der Wege. Lorenzo da Silva sieht ein gut eingespieltes Miteinander der drei Nachbarn: „Für uns sind das Kollegen, keine Konkurrenz.“