Wetter/Herdecke/Ennepe-Ruhr. Laut ARD könnten bundesweit mehr Menschen gerettet werden, wenn es einheitliche Standards gäbe. Das sagen die Verantwortlichen im EN-Kreis.
Es ist ein Bericht, den der SWR recherchierte und den die ARD ausstrahlte, der den Rettungsdienst im EN-Kreis dazu animierte, einige grundsätzliche Dinge klarzustellen. Und so haben Thomas Neumann, Sachgebietsleiter Rettungsdienst, Michael Schäfer, Fachbereichsleiter Ordnung und Straßenverkehr, Dr. Jan Zietlow, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst und Dennis Wichert, Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz, zu einer Pressekonferenz eingeladen.
Der Hintergrund
In dem Bericht der ARD geht es um ein angebliches Defizit bei den Rettungsdiensten im Bund. Laut Bericht würden jährlich 10.000 Menschen sterben, weil sie an einem falschen Ort lebten. Für den Bericht wurde zugrunde gelegt, dass von 100.000 Menschen mit Herzkreislaufstillständen bundesweit, nur 10 Prozent könnten gerettet werden. Ein Drittel der Patienten sei zwischen 18 und 65 Jahren alt. Im weiteren Verlauf des Berichts wird auf mögliche Gründe eingegangen, die der SWR beispielsweise anhand von Fragebögen ermittelt hat. Und genau dort kommt der EN-Kreis ins Spiel.
„Eine Urkunde an der Wand hilft den Patienten nicht.“
Fragebogen
Auch dort ging ein solcher Fragebogen ein, doch die Verantwortlichen des Kreises kritisieren die Art der Fragestellung. Beispielsweise ging es in einer Frage darum, ob die Leitstelle ein zertifiziertes Qualitätsmanagement habe. Die Antwort vom Kreis musste an dieser Stelle „Nein“ lauten. Weitere Ausführungen waren nicht möglich. Somit erschien der EN-Kreis auf einer bundesweiten Karte rot. Dass das jedoch nicht ganz richtig ist, erläuterte Dr. Jan Zietlow: „Natürlich gibt es auch bei uns ein Qualitätsmanagement, das sogar mit dem Beschwerdemanagement gekoppelt ist. Das ist allerdings nicht in der Leitstelle angesiedelt, sondern bei der ärztlichen Leitung des Rettungsdienstes“, erklärt er. Auch sei das Qualitätsmanagement nicht zertifiziert, was bedeutet, es gebe keine Urkunde oder ein Siegel dafür. „Eine Urkunde an der Wand hilft den Patienten nicht“, meint Dennis Wichert.
Logistische Meisterleistung
In der Leitstelle des EN-Kreises arbeiten 34 Disponenten, die mit einer strukturierten Notrufabfrage arbeiten. Unterstützt werden sie von sechs Mitarbeitern des Lagedienstes.
2023 bearbeiteten sie 300.384 Anrufe kreisweit. 92.300 Anrufe liefen dabei über die 112 auf. Das sind durchschnittlich 253 Notrufe.
Daraufhin wurde 34.088 Mal der Rettungsdienst geschickt, 19.914 Krankentransporte durchgeführt, 4741 Brandeinsätze wurden verzeichnet und 758 automatische Brandmeldealarme bearbeitet.
Ein weiterer Kritikpunkt des Berichts: bundesweit würden Rettungsdienste zum Teil zu lange brauchen, um am Einsatzort zu sein. Dazu Thomas Neumann: „Wir sind als Behörden ans Landesrettungsdienstgesetz für Notfalleinsätze gebunden, und das sieht zwei Stufen vor. So sollen wir im dicht besiedelten Gebiet höchstens 8 Minuten brauchen, in den übrigens Bereichen 12 Minuten“, erläutert er. Als dicht besiedelt wird beispielsweise von einer Einwohnerdichte von 1000 auf einen Quadratkilometer ausgegangen. Michael Schäfer ergänzt: „Wir sind gerade dabei, unseren Rettungsdienstbedarfsplan fortzuschreiben. Dabei haben wir die Stadtgrenzen außen vor gelassen, um bedarfsgerecht agieren zu können. Dieser soll im September vom Kreistag beschlossen werden“, hofft er. Dennis Wichert fügt hinzu: „Planerisch sind die 8 Minuten kein Problem.“ Allerdings gibt er auch zu: „Wenn der Rettungswagen, der für einen Standort geplant ist, gerade raus ist, kann es schon mal zu Verschiebungen kommen. Doch dann wird der nächste freie Wagen im Umfeld eingesetzt.“
Ersthelfer-App
Laut ARD-Bericht könnte eine Ersthelfer-Rettungs-App die Zeit bis zum Eintreffen der ausgebildeten Helfer verkürzen. „Es gab 2021 die Nachfrage einer Fraktion im Kreistag nach einer solchen First-Responder-App“, berichtet Michael Schäfer. Daraufhin habe man sich kundig gemacht. „Um eine solche App, die derzeit noch nicht verpflichtend ist, einzuführen, ist eine andere Struktur der Verwaltung nötig, weil es dann einen erhöhten Personalbedarf gibt. Aus rein fachlicher Sicht wäre die App sicherlich eine sinnvolle Ergänzung.“ Diese Ansicht ist auch Dennis Wichert. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: „Die verpflichtende Einführung einer solchen App würde das System verbessern. Vielleicht wird es bei der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes festgeschrieben“, hofft er. Im vorauseilenden Gehorsam freiwillig eine solche App zu nutzen, ist jedoch nicht so einfach. Im Gegenteil bringt es Schwierigkeiten mit sich, wie Schäfer erklärt: „Dadurch, dass es verschiedene Anbieter gibt, müsste der Kreis diesen Dienst erst offiziell ausschreiben. Wir können nicht einfach eine App herunterladen.“ Thomas Neumann benennt ein weiteres Problem: „Es gibt in der Zwischenzeit viele verschiedene Anbieter, und die Systeme sind nicht kompatibel.“ Wohnt also beispielsweise ein medizinischer ausgebildeter Ersthelfer im EN-Kreis, pendelt zur Arbeit allerdings nach Dortmund, kann es sein, dass er sich in Dortmund bei einer anderen App registrieren müsste, um dort erkennbar zu sein, weil die Systeme nicht durchlässig sind. Die First-Responder-App für den Rettungsdienst ist übrigens nicht die gleiche, die bei einigen Blaulichtorganisationen wie auch der Freiwilligen Feuerwehr Herdecke bereits eingesetzt wird.
„Es gibt in der Zwischenzeit viele verschiedene Anbieter, und die Systeme sind nicht kompatibel.“
Personalmangel
In dem ARD-Bericht geht es zudem darum, dass einige Rettungsmittel aufgrund von Personalmangel nicht zur Verfügung stehen. Zietlow kann das derzeit für den EN-Kreis ausschließen. „Wir haben keine nennenswerten Ausfälle“, sagt er. Aufgrund von plötzlichen Krankheitsausfällen kann es schon mal vorkommen, dass umdisponiert werden müsse. Doch er sieht auch, dass die Einsatzzahlen steigen. Die ARD spricht von Bagatelleinsätzen, Zietlow möchte das nicht vergleichen. Es gebe natürlich Einsätze, bei denen man sich hinterher frage, ob das wirklich notwendig gewesen sei. Doch auch da will der Kreis verstärkt Abhilfe schaffen. „Wir wollen das 112- und das 116117-System miteinander verschränken“, erläutert Wichert. Das bedeutet, dass bei Fällen, bei denen die Leitstelle bereits merkt, dass vielleicht gar kein Rettungsdienst notwendig ist, der Anruf direkt weitergeleitet wird an die Ärztliche Bereitschaft und umgekehrt. „Wie gut das läuft, wird sich herausstellen müssen“, so Wichert.
Keine Sorgen nötig
Michael Schäfer fasst am Ende des Gesprächs noch einmal zusammen: „Der Rettungsdienst ist nie schwarz-weiß. Kein Bürger im EN-Kreis muss sich Sorgen machen. Die Verunsicherung, die dieser Beitrag zum Teil ausgelöst hat, wird der guten Arbeit der Kollegen nicht gerecht.“ Zietlow betont: „Wir sind schon gut aufgestellt, aber natürlich versuchen wir, wo immer möglich, noch besser zu werden.“