Herdecke/Wetter. Autofahrer sollen Abstand zu Radfahrern einhalten. Viele Engstellen auf den Straßen aber verleiten Autofahrer zu gefährlich Überholmanövern.

Mit einem Maßband war ein Radfahrer aus Herdecke unterwegs und hat die Breite der Ender Talstraße erfasst. Ergebnis: Gleich an mehreren Stellen dürften Autos Radfahrer nicht überholen, wenn die Autofahrer den vorgegebenen Abstand zu den Radfahrern einhalten. Die Praxis sieht anders aus. Oft werden Radfahrer an den Rand gedrängt, damit die Autofahrer schneller weiterkommen. Die Stadt Herdecke weiß das und hat zunächst einmal auf Plakate gesetzt. Dabei soll es nicht bleiben.

Erste Schritte für mehr Sicherheit

„Bleib fair, halte Abstand“, steht auf den Tafeln, die unter die Hinweisschilder für die nahende Straßenverengung gehängt worden sind. Die Stadt Herdecke spricht von einer Kommunikationskampagne auf dem Weg zu mehr Sicherheit auf der Ender Talstraße. Der Fahrradfahrer mit dem Maßband weiß das zu schätzen, wende sich doch endlich die Aufmerksamkeit „ein kleines Stück weit weg vom Blech hin zu dem relativ gefährlichen Versuch, per Fahrrad einen kleinen Beitrag gegen die Klimakatastrophe zu leisten.“ Schilder allein reichten aber nicht aus.

So sieht es auch die Stadt Herdecke. Wiederholt habe sie mit dem für diese Kreisstraße zuständigen Ennepe-Ruhr-Kreis Gespräche geführt und mögliche Ideen ausgetauscht, heißt es auf Nachfrage der Redaktion. Die Plakatierung, die vor allem die Autofahrer sensibilisieren soll für die Nöte der Radfahrer, ist ein erstes Ergebnis dieser Gespräche. Eine umfangreiche Untersuchung zur Führung des Radverkehrs soll noch in diesem Jahr in Auftrag gehen. In dieser Machbarkeitsstudie wird es auch um bauliche Lösungen für sichere Radverkehrswege entlang der Kreissstraße 11 gehen.

Zu eng zum Überholen

Vorgeschrieben ist auf Straßen außerhalb der Ortschaft ein Abstand von zwei Metern zwischen Rad und Auto. Da die Radfahrer auch nicht auf der Abbruchkante der Teerdecke fahren möchten, kommt noch einmal ein halber Meter Sicherheitsabstand rechts vom Lenker hinzu. Für den Engstellenbereich an der Sägemühle heißt das im Ergebnis: Bei SUVs, Transportern oder kleinen LKW kann das nicht passen. Stadt und Kreis weisen daher darauf hin, dass hier ein generelles Überholverbot gilt.

Nicht nur Enge wie auf der Ender Talstraße kann zu einem faktischen Überholverbot führen. Manchmal sind es auch durchgezogene Mittellinien, die den Spielraum der Verkehrsteilnehmer stark einschränken. Zwischen Herdecke und Wetter ist das beispielsweise in den Klippen der Fall. Wo der Steigungsbereich mit seinen unübersichtlichen Kurven beginnt, ist kein Ausscheren mehr erlaubt. Da sich die Steigungsstrecke über mehrere hundert Meter erstreckt, müssen Autofahrer sich in Geduld üben, wenn ein Radfahrer den Berg erklimmt.

Rücksicht auf die Schwachen

Überholt wird trotzdem. Immer wieder, und ungeahndet. Selbst wenn sie wollte, hätte die Polizei große Schwierigkeiten, eine feste Stelle zu finden, von der sie diese Verstöße beobachten könnte. Auf der einen Seite ragen die Felsen hoch, auf der anderen fallen die Klippen weiter zum Ufer des Harkortsees hin ab. Da gibt es keinen Beobachtungspunkt, an dem sich die Beamten nicht selbst in Gefahr bringen würden. Nicht grundlos ist dieser Bereich für Fußgänger gesperrt. Die Polizei setzt hier aber ohnehin nicht auf Kontrolle.

Dabei sieht sie das besondere Problem der Radfahrer und ihre Gefährdung, wenn Autofahrern trotz unübersichtlicher Situationen der Kragen platzt und sie zum Überholen ausscheren. Passend zu den ersten warmen Sonnenstrahlen des Frühlings verschickte die Kreispolizeibehörde einen Appell für gegenseitige Rücksichtnahme. Fußgänger und Zweiradfahrer hätten keinen zusätzlichen Schutzpanzer wie etwa Autofahrer. „Aus diesem Grund enden leider gerade Zusammenstöße zwischen Autos, Fußgängern oder Zweiradfahrenden für die schwächere Partei böse“, heißt es unter Hinweis auf die Unfallstatistik.

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Gegenseitige Rücksichtnahme gilt für Christoph Neuhaus, den Sprecher der Kreispolizeibehörde, in vielen Situationen: Er denkt an Traktorfahrer, die immer mal wieder rechts ran fahren und den schnelleren Autoverkehr an sich vorbei ziehen lassen. Auch Radfahrer könnten das tun und nicht nur darauf beharren, dass das Recht auf ihrer Seite ist, wenn sich der Verkehr hinter ihnen staut. Neuhaus weiß, dass nicht immer nach den Buchstaben des Gesetzes überholt wird. Er wünscht, dass trotzdem der Sicherheitsgedanke nicht buchstäblich unter die Räder kommt. Neuhaus versteht Verkehr als ein Zusammenspiel. Oberstes Gebot: „Es darf nie eine Gefährdung entstehen.“

Damit dieser Geist noch mehr ins Bewusstsein rückt, könnten schon bald Piktogramme auf der Fahrbahn Schutzgedanken für Radfahrer im Ender Tal verstärken, kündigt die Stadt Herdecke an.