Herdecke. Die Stadt organisiert die OGS-Betreuung an allen vier hiesigen Grundschulen. Drei Fraktionen schlugen nun vor, andere Anbieter ins Boot zu holen.
Sonderbare Konstellation in einer gemeinsamen Ausschusssitzung. Erst erfuhren die Herdecker Fraktionsvertreter rund eineienhalb Stunden lang, wie gut die ausgearbeitete Kooperation zwischen Offenem Ganztag und regulärem Unterricht an der Hugo-Knauer-Grundschule in Ende seit vielen Monaten funktioniere. Dann befasste sich die Lokalpolitik mit einem Antrag von CDU, Grünen und FDP, die in Sachen Betreuung eher auf freie Träger anstelle der Kommune setzen wollen.
Rechtsanspruch ab 2026 und Personalsorgen
Basiswissen in diesem Zusammenhang: Bisher organisiert die Stadt Herdecke die Kinderbetreuung in der Offenen Ganztagsschule (OGS), stellt dafür beispielsweise auch Personal ein. Aus der Sicht der drei genannten Fraktionen werde im Jahr 2026 mit dem Rechtsanspruch für Eltern auf eine Ganztagsbetreuung „noch einmal Bewegung in die Trägerlandschaft“ kommen. Daher soll die Verwaltung Kontakt mit dem Kreissportbund und anderen Anbietern aufnehmen, um die Bereitschaft von externen Einrichtungen abzuklären und gegebenenfalls die Trägerschaft in Gänze oder an einzelnen Standorten abzugeben. Das sei im Sinne der Pluralität und der Subsidiarität erforderlich.
Entlastung als Ansatz
Die Koalition begründete den Antrag im Jugendhilfeausschuss vor allem mit Zukunftssorgen bei der Anwerbung von Betreuungs-Personal. Zudem könne ein anderer OGS-Anbieter die Stadtverwaltung mit Blick auf andere Aufgaben entlasten, hieß es zur anvisierten Prüfung einer Übernahme der Ganztagseinrichtungen durch freie Träger. Es gehe um den Start einer Diskussion und um neue wie auch langfristige Überlegungen, so der Tenor während der Sitzung in der Knauer-Schule. „Wir sollten nicht warten, bis ein Problem entsteht, sondern schon jetzt über den Tellerrand blicken“, sagte Matthias Zankl von der CDU. Für all das erhielten die drei Fraktionen eine Menge Widerspruch.
Vier Grundschulen auf dem Weg
Zunächst von Sabine Jessinghaus. Die Leiterin der Schrabergschule verwies darauf, dass alle vier Herdecker Grundschulen das mit der Stadt erarbeitete OGS-Modell umsetzen wollen oder dies schon tun. „Trägervielfalt ist im Prinzip ja nichts Schlechtes, aber auch andere Anbieter wie die Awo oder Kirchen tun sich gleich schwer, Mitarbeitende zu rekrutieren.“ Außerdem, so die in diesem Sommer scheidende Schulleiterin vom Schraberg, sei eher die unterschiedliche Bezahlung der Betreuungskräfte ein anzugehendes Problem. Herdecke habe sich hinsichtlich OGS-Zukunft früh auf den Weg begeben, um trotz begrenzter Raummöglichkeiten in den Bildungseinrichtungen den Rechtsanspruch 2026 zu meistern. „Wir sind danbar, dass die Stadtverwaltung viel getan hat, um uns mitzunehmen. Und durch die OGS-Beschäftigten bei der Kommune gibt es ja auch noch kurze Wege.“
Misstrauen als komisches Signal
Ähnlich argumentierte Karin Striepen von der SPD. Erstaunt habe sie den Antrag gelesen und kritisiert, dass dieser Text ein „seltsames Zeichen“ in Richtung der engagierten OGS-Beteiligten sei. „Ein freier Träger hat auch keine anderen Möglichkeiten als die Stadt, an Angestellte zu kommen. Im Gegenteil: Eine Kommune gilt in dieser Hinsicht doch eher als attraktiver Arbeitgeber. Und Trägervielfalt ist ja auch kein Wert an sich, den Eltern dürfte das fast egal sein, Hauptsache es gibt eine Betreuung in der Nähe mit einem funktionierenden Konzept. Und das scheint hier der Fall zu sein, wie ich es gehört habe.“
Sorgen um Personal
Jugendamts-Leiterin Daniela Leogrande führte aus, dass der OGS-Prozess in den Grundschulen dank motivierter Beteiligter gut laufe und der vorliegende Antrag sie in punkto Neueinstellungen von Ganztagsbetreuern in eine schwierige Lage bringe. Auch in derzeit laufenden Bewerbungsgesprächen. Zudem plädiere sie auch vor dem Hintergund gesetzlicher Vorgaben dafür, ein funktiorendes System nicht auseinanderzureißen.
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Der wohl entscheidende Hinweis kam von Bettina Bothe. Die Beigeordnete der Stadt Herdecke führte den Fraktionen die Folgen vor Augen, sollten freie Träger hier die Kommune (zugleich ja auch Schulträger) bei der OGS-Betreuung ablösen. „Es bräuchte dann ein Ausschreibungsverfahren und ein öffentlich zugängliches Vergabesystem, in dem wir uns den Partner nicht aussuchen können, sondern das günstigste Angebot zum Zuge kommt“, erklärte die Fachbereichsleiterin. Im Fall der Fälle würde nach einem Zuschlag auch die Lokalpolitik kein Wörtchen mehr mitreden können, da der neue Anbieter sein Konzept anwende. Weiterer Hinweis der Fachbereichsleiterin: Kooperationen mit anderen Partnern gebe es bereits, etwa beim Sportkarussell.
Antrag zurückgezogen
Der Appell Bothes, den laufenden OGS-Prozess im Sinne der Schulleitungen und weiterer Beteiligten nicht durch den vorliegenden Antrag auszubremsen, zeigte Wirkung. CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zogen diesen zurück, zumal sie nicht für Unsicherheit oder gar Angst um Arbeitsplätze sorgen wollten. Jassin El-Atmani (Grüne) betonte abschließend, dass eigentlich Unterstützung der Leitgedanke des Vorschlags war.
Die Erfahrungen der Knauer-Schule
Zum Einstieg der gemeinsamen Jugendhilfe- und Schulausschuss-Sitzung hatten Michaela Franz und Michael Gralka ihre Erfahrungen hinsichtlich Untericht in Verbindung mit Ganztagsbetreuung erläutert. Die Leiterin der Hugo-Knauer-Grundschule und der dortige OGS-Verantwortliche blickten dabei unter anderem auf eine Erprobungsphase sowie die Konzeptumsetzung „Gemeinsames Lernen“ ab Sommer 2022 zurück.
Kernstück war demnach ein veränderter Tagesablauf und eine neue Raumplanung für die zwei Gebäudeebenen. Ein Klassen- wurde zum Tagesraum, in diesen multifunktionellen Zimmern unterrichten und beaufsichtigen ein Tandem aus einer Lehrkraft sowie einer Erzieherin die Kinder. Dadurch endete auch die Etagen-Trennung (unten OGS, darüber morgendliches Lernen).
„Individuelle Lernzeiten“
Statt Hausaufgaben erhalten die Mädchen und Jungen in Ende „individuelle Lernzeiten“ sowie eine Wochenarbeit. Während die Schülerschaft nun selbstständiger agiere, wachse das erwachsene Personal besser zusammen und könne sich bezüglich einzelner Kinder besser austauschen. Franz und Gralka erläuterten weitere Vorteile des pädagogischen Konzepts: Die Grundschüler haben demnach trotz des veränderten Tagesablaufs feste Rückzugsmöglichkeiten, Gelegenheiten zum Spielen bleiben ebenso erhalten wie die Klassenlehrerin als feste Ansprechpartnerin.