Wengern. Wilfried Brüggemann kennt sich aus: Sein Keller lief mehrfach voll. Der Hochwasserschutz in Wengern ist für ihn alles andere als beruhigend.
Zwei Jahre ist es her, da standen die Wassermassen der Elbsche bis zur ersten Stufe der Außentreppe. Vier Kellerräume des gelblich gestrichenen Fachwerkhauses in der Kirchstraße liefen voll, darunter der mit den Heimwerkergeräten. „Alles, was man so braucht im Haus war hin“, sagt Wilfried Brüggestrat. 3000 Euro hat er von der Stadt als Flutopfer bekommen. Das will er gerne anerkennen, fährt Brüggestrat fort. Ansonsten ist er gar nicht gut auf die Stadt Wetter zu sprechen.
In einem Schreiben zur Hochwassersituation in Wengern an die Untere Wasserbehörde im Schwelmer Kreishaus wird das deutlich. Kernsatz seines knappen Begleitschreibens zu einer Reihe von Dokumenten: „Ich möchte anzeigen, dass die Stadt Wetter den Hochwasserabflusskanal Elbsche in 25 Jahren weder instandgehalten, repariert noch an die neue Hochwassersituation angepasst hat.“ Ein massiver Vorwurf.
Wilfried Brüggestrat beruft sich dabei auf ein Sitzungsprotokoll vom Oktober 1995. Thema waren hydrologische Untersuchungen im Abflussregime der Elbsche. Anwohner kamen in der Sitzung zu Wort und machten Vorschläge. Drei Jahre später war dann trotzdem wieder Hochwasseralarm an der Elbsche, wie ein Zeitungsartikel vom März 1998 belegt. Und so wie vorher schon und auch danach liefen immer mal wieder die Keller voll, weil im Ortskern von Wengern gleich mehrere Gewässer zusammenfließen, die sich nicht ausreichend Bahn brechen können.
Bürger haben Vorschläge gemacht
Was also hat die Stadt Wetter unternommen seit der Sitzung von 1995, was ist seitdem grundlegend zu einer Verringerung der Gefahr geschehen? In einer Antwort an die Redaktion wird auf vier installierte Wasserstandssensoren und eine Niederschlagsstation verwiesen. An einer anderen Stelle heißt es, dass diese vier Messstrecken im Gebiet von Elbsche und Schmalenbecke im November 2020 installiert worden seien und seitdem ihre Daten an den Kreis übermitteln. Werden Grenzwerte überschritten, gibt es automatisch Alarm.
Auch von einem Hochwasserrückhaltebecken im Bereich des Viadukts ist in der aktuellen Antwort die Rede. Das sei der Vorschlag von Gutachtern. In Abstimmung mit der Unteren Wasserbehörde sei entschieden worden, das Problem mit dem Rückhaltebecken anzugehen. Der nächste Schritt: „In Kürze wird die Planung des Hochwasserrückhaltebeckens an ein Ingenieurbüro vergeben.“
Wilfried Brüggestrat geht das alles zu langsam. Er ist an der Elbsche und daher mit Hochwasser groß geworden. Schwarz-Weiß-Aufnahmen von 1956 zeigen ihn als Kind im Wasser vor dem elterlichen Haus waten. Damals stand der ganze Ortskern unter Wasser. Den Händlern schwamm die Ware davon. Die Bilder von damals hat er auf dem Rechner, das Protokoll einer Ortsbegehung vom Februar diesen Jahren liegt ausgebreitet auf einem Esstisch. Getroffen haben sich Vertreter des Kreises, der Stadt und vor allem: betroffene Anwohner.
Fotos zeigen, welche Problemlagen sich stellen und wie Lösungen aussehen könnten. Auf einem Luftbild vom Ortskern sind die Vorschläge verankert. „Durchfluss verbreitern“ steht in einer Luftblase direkt an der Verrohrung unter dem Leimkasten, „Steg anheben“ ist vermerkt für den Steg in der Nähe des Henriette-Davidis-Museums. Beim letzten großen Hochwasser vor zwei Jahren hatte der Steg wie eine Sperre gewirkt.
Beim Spaziergang entlang der Elbsche hat Wilfried Brüggestrat noch ein paar Anregungen mehr. Er steht auf der Brücke über die Elsche und schaut auf das vorgelagerte Flussbett. Das müsste besser frei geschnitten sein, merkt er an. „Der Stadtbetrieb kontrolliert und pflegt regelmäßig den Zustand der Gewässer“, sagt die Stadt.
Übung in Geduld
Den Bach etwas weiter runter sind Steine aus der Einfassung gebrochen. Jetzt liegen sie im Wasser und bieten sich mit anderen, noch größeren Steinen bei einem Starkregen als Hindernisse an. Im Rahmen der Unterhaltung sei bereits der Großteil der Steine aus dem Flussbett entfernt worden, hält sie Stadt gegen. In Kürze würden die ausgebrochenen Steine im Bereich der Einfassung durch eine Fachfirma ersetzt oder wieder eingebaut.
So etwas lässt sich vergleichsweise schnell erledigen. Bei der Umsetzung ihrer übrigen Vorschläge aus dem Vorjahr sollten sich die Anlieger, darunter zwei Gastronomen, in Geduld üben. Auf die Frage, welche der Anregungen der Bürger denn bereits umgesetzt worden sind, heißt es bei der Stadt Wetter: Die Anregungen würden im Rahmen der weiteren Untersuchung berücksichtigt. Mehr ist nicht drin, denn: „Ohne gutachterliche Berechnung dürfen keine Veränderungen an der Elbsche/Schmalenbecke vorgenommen werden.“
Ein Hochwasserereignis wie 2021 kann die Stadt nicht ausschließen. Sie geht aber zumindest in Teilen von einer Entspannung aus.
Das ist seit Juli 2021 passiert
Nach Angaben der Stadt wurde nach dem Hochwasser von 2021 die Schmalenbecke renaturiert.Außerdem sei mit einer Verrohrung begonnen worden.Eine Gewässertrasse mit weitreichenden Retentionsbereichen sei zudem geschaffen worden. Das sind Flächen, die während eines Hochwasserereignisses außerhalb des Abflussbereichs durch die Hochwasserwelle in Anspruch genommen werden. Regelmäßige Ausbaggerungen kommen hinzu.