Wetter. Steckdosen-Frisuren im Jugendfußball: Der Bochumer Autor Frank Goosen liest im Stadtsaal von Wetter sehr vergnüglich aus dem Buch „Spiel ab“ vor.
Ruhrgebiets-Fußballer wissen: Entscheidend is’ auf’m Platz. Das bedeutet, dass viele Worte eigentlich nicht zu diesem unterhaltsamen Sport passen. Der Kabarettist und Autor Frank Goosen wiederum schafft es, die Themenwelten Toreschießen und Literatur miteinander zu kombinieren. Und das hinsichtlich Anekdoten sehr treffsicher. Wer nun seine Lesung im Stadtsaal von Wetter verfolgt hat, dürfte sich mindestens schmunzelnd oder sogar lachend an einen lustigen Abend in der 31. Kleinen Kunstreihe der Lichtburg zurückerinnern.
„Spiel ab!“ heißt der neue Roman von Frank Goosen. Der Bochumer hat in diesem Buch seine vier Jahre als Fußballtrainer einer Multi-Kulti-Jugendmannschaft verarbeitet. Im Stadtsaal steht zunächst aber die Gesundheit des Geschichtenerzählers im Vordergrund. Schnell zeigt sich während der Schilderung einer „zauberhaften Gallenblasenoperation und der Entfernung dieser Terrorzellen“: Wenn das 56-jährige Einzelkind, das sich „sehr gerne beklagt“, vom Skript abweicht, bleibt es humorvoll und witzig.
Auch die Überleitungen zu den Lesephasen sitzen. Da Goosen früher sein fehlendes Fußball-Talent „durch rücksichtslose Brutalität im Handball wettmachen“ wollte, setzt er augenzwinkernd den Tonfall für die Passagen aus dem Buch. Dabei hat die Zuhörerschaft trotz der Erzählweise in der dritten Person fast immer das Gefühl, dass der Bochumer über eigene Erfahrungen als Trainer seines Sohnes und dessen Mannschaft berichtet. Es tauchen pädagogische Herausforderungen und die Erkenntnis auf, dass sich Kinder nicht durch Fragen erziehen lassen. „Das hat auch meine Frau nicht verstanden“, sagt der Literat. „Was erwartet man denn für eine Antwort auf: Wollt Ihr nicht mal aufhören mit Computerspielen?“
Noch eine Episode: Angesichts der nicht gerade muskelbepackten Figur drängt sich der Eindruck auf, dass der Buchautor sich eher mit einem seiner Vereinskameraden als Kreismeister mit runden Strichen auf einem Bierdeckel vergleichen lässt. Mit 0:25 haben Goosen, der sich im Trainingsanzug irgendwie sportlich fühlt, und seine Rasselbande in der E-Jugend mal ein Spiel verloren. Worte wie „wat“ und „dat“ fallen, als er von viel größeren Gegenspielern berichtet. „Meine Jungs konnten aufrecht durch deren Beine laufen. Warum muss ich die bekommen, deren Mütter in der Schwangerschaft geraucht haben?“
Handyklingeln bei Zuschauern
Lautes Lachen stellt sich dann auch im Stadtsaal ein, als der Kabarettist lesend die Jugendmannschaft vorstellt. Schnell das Handyklingeln aus einer Zuschauerreihe eingebaut, dann geht es um die heranwachsenden „Kampfmaschinen“ aus verschiedenen Ländern. Einer von ihnen isst aus religiösen Gründen keine Bananen, heiß es in der Überleitung zum zweiten Leseakt.
Auch in diesem Kapitel geht es um Schweißgeruch und fragwürdige Trainingsmethoden. Kurz unterbrochen von dem Hinweis, dass sowohl jemand in seiner Jugendmannschaft DJK Arminia Bochum als auch ein hoch bezahlter Star vom FC Bayern (Jamal Musiala) sich die Schnürsenkel nicht zubinden könne. Vergnüglich geht es auch zu, als sich der Erzähler über Gel-Frisuren von Pubertierenden auslässt. In der Kabine erhält einer den Hinweis, dass er die Finger länger oder schräg in eine Steckdose halten soll, wenn seine Haare mal mehr nach oben oder zur Seite abstehen sollen.
Als nach der vorerst letzten Episode über eine hübsche Schiedsrichterin („Die Jungs waren mucksmäuschenstill in der Kabine“) und der ersten Halbzeit nach knapp 45 Minuten die Pause wartet, folgt der nächste Spaß. Am Büchertisch im Foyer, den Hansi Draht aus Wetter betreut, signiere er quasi alles, was ihm Gäste hinlegen. Goosen habe auch keine Scheu, seine Unterschrift – wie vor Jahren geschehen – in ein Werk des Politikers Henry Kissinger zu kritzeln.
Auch der Zeitpunkt dieser „Leseshow“ passt, gingen doch am Wochenende das Revierderby Schalke-BVB und ein seltener Auswärtssieg seines VfL Bochum über die Bühne. „Leider passt die Deutsche Fußball-Liga den Spielplan nicht an meinen Tourplan an“, sagt Goosen nach der Begrüßung durch Lichtburg-Geschäftsführer Marcus Boenig. Aber deswegen den Auftritt in der Harkortstadt absagen? „Nein, ich bin ja hier nicht in Gelsenkirchen. Wetter – das muss man machen. Erst recht nach dem ganzen Pandemie-Mist.“