Herdecke/Freiburg. Vor 50 Jahren wurde der Kulturverein Herdecke gegründet, vom dem seit einiger Zeit nichts zu vernehmen ist. Heidrun Reymann-Bürger erinnert sich.
Der Mittwoch in der vergangenen Woche war für viele hier ein ganz normaler Tag. Nur wenige dachten an jenem 2. November genau 50 Jahre zurück, als sich der Kulturverein Herdecke nach einer Initiative des Lehrers Hubert Schmoll gründete. Doch in der jüngeren Vergangenheit haben sich die Akteure rar gemacht. Veranstaltungen? Keine. Das war früher anders, als Konzerte, Ausstellungen sowie manches mehr das heimische Geschehen bereicherten und Gäste anlockten.
Die Stadt Herdecke freue sich über das Engagement des Kulturvereins, heißt es auf Anfrage im Rathaus. „Durch zahlreiche Ausstellungen, Konzerte und allgemein die Unterstützung des kulturellen Lebens tragen die Mitglieder des Kulturvereins seit 50 Jahren dazu bei, dass Herdeckes Kulturszene vielfältig und lebendig bleibt“, so Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster. Eine Jubiläums-Feier müsse in diesem Jahr aber aus verschiedenen Gründen entfallen. Eine Festveranstaltung in der kalten Jahreszeit scheine wegen aktuell steigender Corona-Zahlen nicht angemessen. Darüber hinaus stehe die vom Kulturverein stets rege genutzte Ruhrgalerie derzeit nicht zur Verfügung, da die Stadt dort wegen der Rathaus-Sanierung Büros eingerichtet hat. Sollten es die Kapazitäten im Kulturamt und die allgemeine Lage zulassen, soll es Gespräche zu einer solchen Feier im Jahr 2023 geben. In diesem Zusammenhang lädt Jessica Rausch, Kulturamtsleiterin und Geschäftsführerin des Kulturvereins, alle ein, sich dort zu engagieren: „Der Kulturverein lebt von den Mitgliedern und freut sich über neue Gesichter, die für Herdeckes Kulturszene frische Ideen haben.“
Unterdessen erinnert Gründungsmitglied Heidrun Reymann-Bürger an die Verdienste des Kulturvereins, für sie ist das aktuelle Jubiläum ein „stadthistorisches Ereignis“.
Was verbinden Sie mit dem 2. November 1972 in Herdecke?
Heidrun Reymann-Bürger: Als Hubert Schmoll, mit dem ich kürzlich telefoniert habe, die zahlreichen Gäste im Philipp-Nicolai-Haus begrüßte, konnte neben der Satzung für den Kulturverein auch gleich ein Vorstand mit erwünschten Aufgabenfeldern gebildet werden. Die künstlerische Aufbruchstimmung aus der 1968-er Bewegung hielt an. Ursprünglich in der Funktion einer Sprecherin vorgesehen, entwickelte ich sehr rasch das Konzept einer kommunalen Galerie mit bis zu fünf Ausstellungen im Jahr. Ich entwarf auch das Vereinslogo, das bis heute verwendet wird, fand den Namen „Ruhrgalerie“ und dazu den Ort. Diese war bis zum Umzug ins Kulturhaus an der Goethestraße im Forum meiner Ausbildungsschule am Sonnenstein beheimatet. Der Etat blieb über all die Jahre konstant niedrig bei 2000 Mark.
Zu den Schwerpunkten des Vereins gehört(e) vor allem Musik, richtig?
Ja, die Herdecker Chöre waren immer sehr präsent, deren Mitglieder nahmen zu 70 Prozent an Sitzungen teil und konnten so viel für ihre Belange durchsetzen. Der Kulturverein sollte aber auch freien Geistern und Individualisten wie Schriftstellern eine Heimat bieten, wobei diese frei schaffenden Künstler oftmals nur schwer für Veranstaltungen zu mobilisieren waren.
Sie kümmerten sich um Kunstausstellungen, hat das Spaß gemacht?
Das lief alles ehrenamtlich und war während meiner 20-jährigen Tätigkeit durch viele Tätigkeiten auch arbeitsintensiv, das geht aber in Ordnung. In der Regel habe ich zwei bis drei Ausstellungen vor den Sommerferien und weitere danach bis Weihnachten organisiert. So ging das bis 1992, bis 1998 habe ich mich noch sporadisch eingebracht. Ich konnte auch recht bekannte Künstlerinnen und Künstler gewinnen, die ich in Museen, Galerien oder Messen kennengelernt hatte. Zwei Mal habe ich Ausstellungen von Verbänden hier hinlocken können. So waren zum Beispiel Plakate von Miró zu sehen.
Zur Person
Heidrun Reymann-Bürger ist 75 Jahre alt, mit dem ehemaligen evangelischen Pfarrer Herdeckes Christof Reymann verheiratet und hat zwei Kinder. Die frühere Lehrerin an Grund- und Hauptschulen, die auch in der Erwachsenenpädagogik tätig war, lebte von 1968 bis 1999 in Herdecke. Die gebürtige Flensburgerin, die im Sauerland aufwuchs und in Hagen ihr Abitur bestand, zog 1999 nach Bochum, wo sie bis 2010 im Schuldienst tätig war.Seitdem lebt sie mit ihrem Mann in Freiburg, wo sich die Künstlerin – wie damals in Herdecke – ein Atelier eingerichtet hat. „Mein Vater war Architekt, von ihm habe die zeichnerische Begabung.“ Als Förderin nennt sie Helga Elben aus Wetter, deren Bilder ab Dezember im Osthaus-Museum in Hagen zu sehen sein werden.
Ich war froh, wenn ich gerade in der Anfangszeit Wünsche erfüllen konnte, auch von Freunden. Generell wollten wir quasi die Fenster für Kunst öffnen. Davon haben auch Schulen profitiert, viele Klassen besuchten uns im Kunstunterricht. Einige haben sich einen Namen gemacht, die Ruhrgalerie war auch eine Art Sprungbrett. Besonders habe ich mich über das Lob für meine Arbeit von meiner damaligen Kunstprofessorin Dr. Inge Habig aus Herdecke gefreut.
Herdecker verbinden mit dem Verein, der sein 40-jähriges Jubiläum noch gefeiert hat, noch viel mehr...
In erster Linie dürften das teils große Konzerte sein, die der Kulturverein beispielsweise in der Bleichsteinhalle und anderswo organisierte. Darunter waren auch Jazz-Konzerte in der FHS-Aula oder Besuche von Kammermusik-Vereinigungen nach dem Motto: klein, aber fein. Hinzu kamen eingekaufte Veranstaltungen, zu denen auch mal Busladungen an Gästen kamen. Ich erinnere mich auch noch an Theateraufführungen im Ruhrfestsaal oder an einen tollen Abend mit dem Sänger und Dichter Georg Franz Kreisler im Philipp-Nicolai-Haus. Der Verein hat viel ermöglicht und holte auch überregionale Kulturangebote in die Stadt.
Das Vereinsleben ist zum Erliegen gekommen, wie finden Sie das?
Schade. Man hätte beizeiten junge Menschen einbinden müssen. Es scheint schwierig, den Verein wiederzubeleben. Vielleicht klappt das aber doch. Es gibt viele kreative Künstler in Herdecke, die könnten ein zeitgenössisches Forum zur Bündelung der Kräfte gebrauchen. Der Impuls sollte aber eigentlich aus einer aktiven Szene kommen.