Wetter/Herdecke. Weniger Autounfälle durch Corona, dafür rücken die Pedelec-Fahrer stärker ins Visier. Die Polizei gibt die Verkehrsunfallstatistik bekannt.
Weniger Verkehr, weniger Unfälle, aber die Zahl der Personenschäden im EN-Kreis sinkt nicht proportional dazu. So lässt sich die vorgestellte Verkehrsunfallstatistik der Polizei kurz zusammenfassen. Detaillierter geschaut wird jedoch schnell klar, dass es eine schnell anwachsende Gruppe der Verkehrsteilnehmer gibt, die immer häufiger an Unfällen beteiligt ist: die Pedelecfahrer.
Schwerpunkt Schiffswinkel
Landrat Olaf Schade hatte bereits in seinen Eingangsworten betont, dass es einen hohen Anstieg der Unfälle mit Beteiligung von Rad- und Pedelecfahrern gibt. „Verstärkt gilt das natürlich für Städte, in denen die Ruhr durchfließt“, berichtet er. Ein Unfallschwerpunkt für Radfahrer in Herdecke ist dabei insbesondere weiterhin der Schiffswinkel. „Eigentlich gibt es dort eine sehr gute Beschilderung“, meint Mario Klein, Leiter der Direktion Verkehr bei der Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr. Doch Radfahrer ignorierten demnach oft Schilder, die zum Absteigen auffordern. Sie gerieten mit ihren Reifen in die dortigen Schienen und stürzten. „Ich will gar nicht wissen, wie hoch die Dunkelziffer derer ist, die sich dort auf die Nase legen, weil sie die Schilder missachtet haben“, sagt Klein.
Präventionsarbeit
Dabei bemühe sich die Polizei auch vor Ort um Aufklärung. „Wir hatten da 2019 vor Corona eine Präventionsmaßnahme. Aber eigentlich könnten wir da jedes Jahr stehen“, berichtet Klein. Corona-bedingt seien diese Präventionsmaßnahmen im vergangenen Jahr ebenso ausgefallen wie die Fahrradführerscheine in den Grundschulen. Doch die Beteiligten hegen die Hoffnung, dass solche Aktionen bald wieder starten können. Allerdings: „Ein bisschen sind die Leute auch selbst verantwortlich und müssen Rücksicht auf andere nehmen“, meint Landrat Olaf Schade in Bezug auf die erwachsenen Verkehrsteilnehmer. Mario Klein ergänzt: „Zu den Unfällen mit den Zweirädern kommt es aus verschiedenen Gründen. Vieles davon ist Unachtsamkeit, aber auch die Geschwindigkeit und Unsicherheiten in Bezug auf den Umgang mit dem Pedelec spielen dabei eine Rolle.“
Unfalltote
Insgesamt ist die Zahl der Verkehrsunfälle von 7298 im Jahr 2019 auf 6107 im vergangenen Jahr zurückgegangen. In diese Zahlen spiele die Pandemie-bedingte Homeofficesituation und Kurzarbeit mit hinein – weniger Verkehrsteilnehmer, weniger Unfälle. Gleichzeitig ist zwar auch die Anzahl der Personenschäden leicht zurückgegangen, allerdings nicht in dem Maße, wie das beim Rückgang der Gesamtunfälle zu erwarten wäre. So gab es 496 Unfälle mit Personenschaden (2019: 521), davon endeten vier tödlich (2019 drei). Auch in Herdecke kam ein Mann bei einem Unfall ums Leben. Der 67-Jährige hatte versucht, mit seinem E-Bike eine unbeleuchtete Straße zu überqueren. Dabei erfasste ihn ein PKW. Der Mann starb trotz sofortiger Hilfsmaßnahmen noch an der Unfallstelle. Weitere Verkehrstote gab es 2020 in Ennepetal (2) und Gevelsberg (1).
Unfallursachen
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Bei den Unfallursachen unterscheidet die Kreispolizeibehörde auch nach dem Alter der Beteiligten. Vorurteile, dass beispielsweise gerade junge Autofahrer häufiger Bleifuß fahren oder alkoholisiert sind, können dabei nicht bestätigt werden. Im Gegenteil: Die häufigsten Unfallursachen bei den 18- bis 24-Jährigen sind Zusammenstöße beim Abbiegen und Wenden, gefolgt von der Missachtung der Vorfahrt. Erst an dritter Stelle kommt die Geschwindigkeit. Alkohol und berauschende Mittel nehmen mit insgesamt fünf Prozent einen sehr geringen Anteil ein. Nicht näher benannt ist der Anteil derjenigen, die beispielsweise aufgrund von Ablenkung durch Smartphones einen Unfall bauen. Sie sind mit unter dem Punkt „Sonstiges“ vermerkt, der fast ein Viertel der Ursachen ausmacht. Dieser Punkt ist bei den Senioren (65 Jahre und älter) der größte Anteil, in dieser Altersklasse dicht gefolgt vom Abbiegen und Wenden sowie ebenfalls der Vorfahrtsmissachtung. Die Geschwindigkeit spielt jedoch in der Gruppe der Älteren mit fünf Prozent nur eine geringe Rolle. Alkohol war mit einem Prozent komplett zu vernachlässigen.
Unfallfluchten
Stark zurückgegangen sind auch die Delikte der Verkehrsunfallfluchten, zusätzlich ist dort die Aufklärungsquote gestiegen. Ein sattes Minus von 20 Prozent, also ein Fünftel weniger Unfallfluchten als noch im Vorjahr verzeichnete die Kreispolizei in diesem Punkt. Die Aufklärungsquote lag bei Unfallfluchten mit Personenschaden bei fast 70 Prozent, bei Fluchten ohne Personenschaden immerhin noch bei 42 Prozent. „Darunter fallen oft Bagatellschäden wie eine Beule am Auto nach dem Einkaufen und auf dem Parkplatz ist der Verursacher nicht mehr zu sehen. Das ist ärgerlich, aber da können wir meist nicht mehr viel machen“, so Mario Klein.
Ausblick
Mit einer Unfallhäufigkeitszahl (Anzahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden im Verhältnis zur Einwohnerzahl) von 219,20 belegt die Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr den Spitzenplatz im Land. Das bedeutet, dass die Gefahr im Kreis, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, sehr gering ist. Trotzdem hat die Polizei auch für dieses Jahr weitere Maßnahmen geplant. Dazu gehören neben der konsequenten Verfolgung von erkannten Verkehrsverstößen und flächendeckenden Geschwindigkeitsüberwachungen durch verstärkten Technikeinsatz auch die Überwachung des Personen- und Güterverkehrs sowie die Präventionsarbeit unter Einbeziehung aller Altersgruppen. „Damit hoffen wir, die Zahl der Verkehrsunfälle weiterhin auf einem niedrigen Niveau zu halten“, meint Klein abschließend.