Herdecke. Geld an richtiger Stelle? Dennis Osberg, Kämmerer der Stadt Herdecke, stellt den wirkungsorientierten Haushalt vor. Auch für Bürger interessant.
Lust auf einen Text über den städtischen Haushalt? Vorfreude, weil es jetzt um Zahlen, Daten und Balkendiagramme geht? Oder eher nicht, weil das unliebsame Erinnerungen an den Mathematik-Unterricht in der Schule weckt? Dennis Osberg jedenfalls, seit Oktober Beigeordneter und Kämmerer der Stadt Herdecke, hat in den vergangenen Monaten intensiv an einem neuen Etat-System gearbeitet. Er hat nun den so genannten wirkungsorientierten Haushalt vorgestellt, der auch interessante Aspekte für Bürger beinhalte.
Bisher war es so, dass heimische Politiker sich vor allem ab Herbst mit einem mächtigen Zahlenwerk der städtischen Finanzabteilung beschäftigten. Auf der Basis eines mehrere hundert Papierseiten dicken „DIN-A-4-Schinkens“ starteten die Beratungen für zukünftige Ausrichtungen. Hier mehr Geld ausgeben, dort etwas einsparen. Auch mal dem Bauchgefühl nachgeben. Zeitenwende. Interessierte können sich das ganze Jahr über Kennziffern des wirkungsorientierten Haushalts im Internet anschauen. „Das ermöglicht einen anderen Blick auf den Etat, so wie es Fraktionen schon seit einiger Zeit gefordert haben“, sagt Dennis Osberg.
Ziele besser verfolgbar
Die wichtigsten Parameter für den städtischen Etat sind Ausgaben und Einnahmen. Diesbezüglich sieht es in Sachen Erträge etwa aus der bedeutsamen Gewerbesteuer laut Osberg 2021 gar nicht so schlecht aus. „Die Angaben der Firmen sind besser als gedacht und sollten sich weiter in die richtige Richtung bewegen, wobei wir noch ein gutes Stück vom Stand vor der Coronazeit entfernt sind.“ Beim wirkungsorientierten Haushalt (im Internet zu finden: www.herdecke.de/woh) ändert sich trotz der dynamischeren Prozesse das Prozedere nicht: Einmal im Jahr berät die Politik den vorgelegten Entwurf der Stadtverwaltung und gibt dann im Rat den Etat frei – oder auch nicht. Die Fraktionen können nach Ansicht des Kämmerers mit der neuen Methode besser übergeordnete Ziele formulieren und nachverfolgen, zumal sie Zahlen übersichtlicher ins Verhältnis setzen können.
Zum neuen papierlosen Ansatz gehören weiterhin viele Kennzahlen. Doch lassen sich anhand dieser bessere Vergleiche anstellen, ob das eingesetzte Geld auch wirkt. Gleich mal ein Beispiel: Wer sich die Daten zur städtischen Bücherei anschaut, sieht auch Entwicklungen in den Altersgruppen und Ausleihmuster. Der abgebildete Leistungskatalog kann Politiker dann zum Nachdenken bringen, ob es etwa mehr Medien für die Jugend braucht oder das ganze System wackelt. Grundsätzlich gilt: Über regelmäßige Aktualisierungen inklusive der Erkenntnisse aus den letzten Jahren lassen sich Zukunftsprognosen abbilden. „Die fast 20 Produktverantwortlichen der Stadtverwaltung und Kämmerei geben regelmäßig neue Daten ein. Die können auch Kommentare enthalten, zum Beispiel als Erklärung die Corona-Pandemie anführen oder das Wetter für besondere Freibadzahlen“, so der Beigeordnete.
Also hinein ins Programm, das sich im Internet über die Seite www.herdecke.de/haushalt ansteuern lässt und das einen Suchschlitz für das gewünschte Zielwort bereithält. 19 Kategorien tauchen dort in der Menüführung auf. Wer links Themen wie Bürgerservice, Jugend, Schulen, Sport oder Wirtschaftsförderung ansteuert, kann danach noch einmal Gruppen wie zum Beispiel die Schulauflistung und dann final die Kennzahlen anklicken. Dann öffnen sich häufig Balkendiagramme, so dass sich unter anderem die Bevölkerungsentwicklung seit 2017, die Kosten oder Besucherentwicklungen in den städtischen Bädern, Bewegungen bei der Kaufkraft oder beim Klimaschutz und vieles mehr ablesen lässt.
Nutzer erkennen Entwicklungen
Die transparente Darstellung kann Bürgern auch aufzeigen, wie viel Geld die Stadt durch Falschparker einnimmt. Oder welche Summen hier an Asylbewerber und andere Leistungsbezieher gehen. All das sollten Ratsmitglieder im Auge behalten. Für die gibt es einen geschlossenen Bereich mit Passwort. 95 Prozent der Gesamtdaten stehen aber laut Osberg allen Bürgern zur Verfügung. „Der wirkungsorientierte Haushalt bildet Zahlen ab, die wir ohnehin erheben und teilweise in Schubladen geschlummert haben. Nun bereiten wir die systematisch und chronologisch auf, so dass sich Verläufe erkennen lassen.“
Auch wenn die Kämmerei viel Arbeit in das Programm gesteckt habe (interne Schulungen, konstruktive Gespräche mit den Fraktionsvorsitzenden in der Arbeitsgruppe Haushalt), soll kein Datenfriedhof entstehen. Der Fokus liege also auf Kennzahlen mit einer Aussagekraft. Das war nach der erfolgten Ausschreibung auch der Auftrag für Dr. Tobias Augustin. Der Wirtschaftsinformatiker der Fernuniversität Hagen entwickelte mit Studenten ein auf Herdecker Belange abgestelltes Online-System. Das soll sich möglichst einfach bedienen lassen. Damit der eventuell abschreckende Begriff „wirkungsorientierter Haushalt“ neue Interessierte anlockt.