Herdecke. Der Landesbetrieb, EN-Kreis, die Stadt Herdecke und auch Feuerwehr haben das Klettergebiet Avalonia im Blick. Da geht’s nun um die Felssicherung.

Der schwere Unfall im Klettergebiet Avalonia, wo sich am Sonntag ein ungefähr 500 Kilogramm schwerer Felsbrocken löste und einen Niederländer an den Beinen traf, wirkt nach. Erfreulich: Der 41-Jährige konnte nach einer Behandlung in Herdecke dem Vernehmen nach wieder in sein Heimatland zurückkehren. Unterdessen hat der Boulderclub Ruhrtal als Besitzer des Grundstücks an der Stadtgrenze reagiert und auf seiner Internetseite mit kurzen Sätzen die vorläufige Einstellung des Sportbetriebs verkündet. Auf Anfragen der Lokalredaktion am Dienstag reagierte erneut kein Vereinsvertreter.

Während sich die Stadt Herdecke den Angaben zufolge in Kürze ein weiteres Mal mit der Problematik beschäftigen wird, hat auch der Landesbetrieb Straßen NRW eine Einschätzung der Lage abgegeben. Die ist insofern von Bedeutung, da bekanntlich nebenan fast eineinhalb Jahre lang Arbeiten zur Sicherung des Hangs liefen. Das zentrale Schlagwort hier wie dort: Steinschlag-Gefahr. „Mit dem Avalonia-Gelände und den dortigen Felsen, die sich einige Meter von der L675 entfernt befinden, haben wir als Landesbetrieb nichts zu tun, da es sich um ein Privatgrundstück handelt“, erklärt Andreas Berg, zuständiger Sprecher von Straßen NRW.

Er hat die Absperrung am Eingang in das Naturschutzgebiet registriert, verweist aber auf Zuständigkeiten: „Die Verkehrssicherungspflicht liegt beim Eigentümer.“ Zudem beginne in dem betreffenden Abschnitt auf Höhe des Minigolfplatzes im Zillertal eine andere Felsformation. Die Wände hinter dem Ortsausgang Wetter, die eine Fachfirma zuletzt aufwendig mit Zäunen und Netzen ausstattete, stehen teils unmittelbar an der Landesstraße 675 und erforderten ein umfangreiches Konzept.

Auch Betreten untersagt

Auf der Internetseite des Boulderclubs Ruhrtal steht, dass in Avalonia „sämtlicher Sportbetrieb an und in der Nähe der Felsen sowie das Betreten der Terrassen untersagt ist.“Der Verein teilt mit, das aktuell leider kein sicherer Sportbetrieb zu gewährleisten sei.

Der Ruhrsandstein prägt das Ardeygebirge. Die Begebenheiten des Geländes zwischen Herdecke und Wetter schätzen die Kletterer, um sich im Avalonia-Gebiet in natürlicher Umgebung auszuprobieren. Und zwar ohne Absicherung: Beim Bouldern wollen die Sportler eine Wand ohne technische Unterstützung bezwingen. Dazu der Blick zurück: Ende 2015 gründete sich in Wengern der Boulderclub Ruhrtal. Ausrichtung: Natursport. 2016 folgte mit dem Deutschen Alpenverein der gemeinsame Kauf des Hangs.

Damit zu den Aufgaben der Behörden. Die zwei Vereine stellten, so teilt es auf Anfrage der Ennepe-Ruhr-Kreis mit, 2017 einen Bauantrag zur Legalisierung der Geländeveränderungen (Mauern, Podeste, Türme, etc.) bei der Stadt Herdecke. In diesem Genehmigungsverfahren war der Kreis als Träger öffentlicher Belange beteiligt. Dessen Untere Naturschutzbehörde wiederum erteilte „nach intensiver Prüfung“ der entsprechenden Fachbelange unter Auflagen eine naturschutzrechtliche Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplans. Das geschah im Dezember 2018.

Beschwerden wegen Beeinträchtigung

Hinein in die Gegenwart. Anfang 2021 habe es laut Kreissprecherin Lisa Radtke vermehrt Beschwerden wegen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft im Umfeld des Avalonia-Gebietes gegeben. Daher erfolgte vor einigen Wochen im April eine Begehung mit Vertretern des Boulderclubs und des Alpenvereins sowie des EN-Kreises und des Naturschutzbeirates. Im Ergebnis haben beide Eigentümer demnach zugesagt, Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu beseitigen. Eine erneute Überprüfung ist den Angaben des Kreises zufolge für Herbst 2021 vorgesehen.

Hintergrund: Veränderungen des Geländes, die über den genehmigten Status quo hinausgehen, bedürfen aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege der vorherigen Zustimmung der Untere Naturschutzbehörde des EN-Kreises. Fragen zum Zustand der Felsen spielen da mit hinein – und auch wieder nicht. Der Kreis schaue sich diese nur an, um etwa den Lebensraum für Tiere einzuschätzen.

Baurechtlich relevante Aspekte liegen – wie berichtet – in der Zuständigkeit der Stadt Herdecke. Die wiederum erläutert, dass sie keinen Kletterpark genehmigt hatte. „Da es sich hier um ein Landschaftsschutzgebiet handelt, ist nur im Bereich von abgegrenzten Boulderarealen eine klettersportliche Nutzung erlaubt worden“, so Sprecherin Ilka Finger aus dem Rathaus.

Parkproblem im Zillertal

Dazu beobachte das Ordnungsamt auch die Parkbucht im Zillertal. Einige Kletterer stellen ihre Fahrzeuge aber auch an der Straße im Parkverbot ab. Das Problem sei der Stadt bekannt, vor allem am Wochenende kontrollieren Mitarbeiter der Verwaltung regelmäßig die Örtlichkeit.

Auch Herdeckes Feuerwehr verabredete sich nach dem ersten Avalonia-Einsatz 2018 mit dem Betreiber zur Ortsbegehung. Der war laut Sprecher Michael Tillmanns „sehr aufgeschlossen und zur Mitwirkung bereit“. In der Folge wurde ein gesondertes Einsatzobjekt im Leitstellensystem erstellt und dafür eingepflegt, dass auch die Feuerwehr Herdecke bei Einsätzen des Rettungsdienstes in diesem Bouldergebiet grundsätzlich zu alarmieren sei.

>>> Kommentar von Steffen Gerber

Noch ein Bericht zum Klettergebiet Avalonia (der dritte in Folge, weitere folgen wohl), zwei Kommentare hintereinander, muss das sein? Startet die Lokalredaktion eine Kampagne gegen den Boulderclub? Das lässt sich mit einem klaren Nein beantworten.

Zu den Beweggründen: Über Jahre hat die Öffentlichkeit wenig von den Kletterern oberhalb des Harkortsees mitbekommen. Da waren die Ruhrsandsteinfelsen noch ein echter Geheimtipp. Doch das hat sich geändert. Seit vielen Monaten herrscht an der Landesstraße zwischen Herdecke und Wetter reger Betrieb. Eigentlich eine erfreuliche Entwicklung, wertet dies doch das Ruhrtal touristisch auf. Dass beim Bouldern Sportler abstürzen und sich verletzen, geschieht auf eigene Gefahr. Insofern ist dem Verein als Grundstücksbesitzer eigentlich nichts vorzuwerfen.

Doch wenn sich ein knapp 500 Kilo schwerer Brocken aus dem Felsen löst und herabfällt, muss das auch die Öffentlichkeit interessieren. Die könnte die Kletterer auch gänzlich in Ruhe lassen, wenn es rund um das Avalonia-Gebiet nicht einige Missstände gebe. Andere Veranstalter müssen auch Auflagen einhalten, es gilt das Gleichheits-Prinzip. Der Boulderclub müsste an Lösungen interessiert sein, die sind eindeutig möglich.