Hohenlimburg. Unter den 109 Helfern, die die Schlossspiele in Hohenlimburg tragen, gibt es besondere Geschichten. Heidi und Luka zum Beispiel.

Wann bist du wer? Wann giltst du was? Wann gebühren dir mal die fünf Minuten Ruhm, die das Leben doch für jeden bereithalten soll? Hätte diese Zeitung sich nicht bei der bescheidenen Heidi Graf gemeldet, dann vielleicht niemals. Dabei beschert ihr das Leben im Alter von 66 Jahren und nach vielen, vielen Jahren der Alkoholsucht doch endlich jene Bühne, auf der sie so gebraucht, wertgeschätzt und gemocht wird. Heidi Graf steht ebenso sinnbildlich wie Luka Wiecha (15) und Chaly Bärsch ( 63) für jene „109“, über die in den vergangenen Tagen bei den Hohenlimburger Schlossspielen viel gesprochen wurde.

Der älteste und der jüngste Helfer der Schlossspiele Seite an Seite: Der Siggi Schulte (83, rechts) und Luka Wiecha (15, links)
Der älteste und der jüngste Helfer der Schlossspiele Seite an Seite: Der Siggi Schulte (83, rechts) und Luka Wiecha (15, links) © Heinz-Werner Schroth | Heinz-Werner Schroth

Trockene Alkoholikerin

Das Rampenlicht scheint nie auf sie. Heidi Graf hat, wie sie selbst sagt, viele einsame Jahre in ihrem Leben hinter sich. Und als wäre Einsamkeit nicht schmerzvoll genug, hat sie sich viele Jahre dem Alkohol hingegeben. Sie war mit 16 schon abhängig. Sie hat mehr Entzüge und Langzeit-Rehas hinter sich als viele andere vermutlich normale Hausarztbesuche. Einmal war sie schon 17 Jahre trocken, bevor sie rückfällig wurde. Nun, so sagt sie, hat sie den Kampf gegen die zehrende Sucht gewonnen. „Seit vier Jahren bin ich wieder trocken.“ Und dazu kommt: Heidi Graf steht fest auf ihren zwei Füßen - mitten in der Gesellschaft.

Auch interessant

Die Helfer aus dem Bethel-Team

Dass das so ist, hat zum einen auch mit der guten Arbeit zu tun, die vom durch Bethel getragenen Heimathof Ruhr im Trappenweg geleistet wird. Dessen Angebot richtet sich an Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten mit einer Abhängigkeitserkrankung. Sie können sich in der sozialtherapeutischen Einrichtung auf ein eigenständiges und abstinentes Leben vorbereiten. Und aus diesem Haus finden seit mehreren Jahren Menschen den Weg ins Helferteam der Schlossspiele Hohenlimburg.

Die fleißigen 109: Ohne dieses Helferteam wäre alles nichts. Die Schlossspiele Hohenlimburg funktionieren, weil diese Mannschaft sie trägt.
Die fleißigen 109: Ohne dieses Helferteam wäre alles nichts. Die Schlossspiele Hohenlimburg funktionieren, weil diese Mannschaft sie trägt. © Heinz-Werner Schroth | Heinz-Werner Schroth

„Ich glaube auch - und das sehen die anderen sicher auch so -, dass einem dieses ehrenamtliche Engagement im Leben als Mensch einfach richtig etwas bringt. Mir auf jeden Fall“

Luka Wiecha, mit 15 Jahren jüngster Helfer bei den Schlossspielen

Für Heidi Graf hat es gleich mehrere wertvolle Effekte, dass sie Mitglied des Helferteams ist. Zum einen mache es sie glücklich, helfen zu können. In ihrer Anfangszeit arbeitete sie am Würstchenstand, mittlerweile betreut sie die Schauspieler. Der zusätzlich COPD-kranken Frau wehte an windigen Tagen zu viel Staub vom Boden des Schlosshofes in die Atemwege. Dazu ist jeder Tag ihres Helferdienstes auch eine Probe. Denn im Schlosshof werden bei jeder Darbietung natürlich alkoholische Getränke ausgegeben. „Das ist jetzt nicht mein größtes Thema, aber natürlich ist das für mich auch immer ein innerer Test im Umgang mit diesem Anblick. Aber ich bin stark.“

Die Gefühl der Einsamkeit

Vor allem aber ist Heidi Graf aus der Einsamkeit mitten in der Gesellschaft zurück. Die Schlossspiele sind ein gesellschaftlicher Höhepunkt des Hohenlimburger Kalenders und dafür mitverantwortlich zu sein, dass ihre Organisation perfekt ist, kommt einer bedeutenden Aufgabe gleich. „Ich fühle mich jetzt nicht mehr einsam“, sagt Heidi Graf. Sie sei Teil einer Helfer-Familie, fühle sich gebraucht. „Es ist eine tolle Zeit.“

Auch interessant

Auch für Chaly Bärsch (63) ist das so. Auch er wurde in der Einrichtung betreut. Auch er ist trockener Alkoholiker. „Die Helfer sind wie eine Familie. Der Hintergrund jedes Einzelnen ist egal.“ Er betreut den Grillkäsestand, eine überaus stark frequentierte Station. Bärsch ist an 16 der 17 Veranstaltungstage dabei.

Der jüngste Helfer

Fast 50 Jahre jünger als Heidi Graf und Chaly Bärsch ist Luka Wiecha. Er ist 15 und damit deutlich der jüngste Helfer des Teams. Seine eigene Schwester (24) und eine Freundin (22) seien die Nächstjüngeren. Der Hildegardis-Schüler lebt in Halden und ist über seine Eltern, die auch Helfer sind, in die Schlossspiele „hineingerutscht“, wie er sagt. Nicht durch deutliche Aufforderung, sondern weil er vor zwei Jahren einfach mal beim Aufbau mitgeholfen habe und durch die Plakate in der Stadt auch immer darauf aufmerksam wurde.

„Wenn du es einmal probierst, stellst du schnell fest, wie nett die Menschen hier sind. Die Stimmung ist einfach super und man geht gut miteinander um. Dazu kommt, dass ich beim Helfen ja auch die Veranstaltungen sehen kann, die alle sehr interessant sind.“

Luka Wiecha (15), Hagener, jüngstes Mitglied im Helferteam der Schlossspiele Hohenlimburg

Viele Jüngere haben Lust

„Wenn du es einmal probierst, stellst du schnell fest, wie nett die Menschen hier sind. Die Stimmung ist einfach super und man geht gut miteinander um. Dazu kommt, dass ich beim Helfen ja auch die Veranstaltungen sehen kann, die alle sehr interessant sind.“ Luka Wiecha hilft im Tischservice, liefert Getränke für die Besucher. „Ich finde das gar nicht so außergewöhnlich, dass ich als 15-Jähriger dabei bin. Ich habe davon Freunden in der Schule erzählt und einige haben direkt signalisiert, dass sie demnächst mal mitmachen wollen. Ich glaube auch - und das sehen die anderen sicher auch so -, dass einem dieses ehrenamtliche Engagement im Leben als Mensch einfach richtig etwas bringt. Mir auf jeden Fall.“

Wichtige Stütze

Bei allem künstlerischen Erfolg und der in 70 Jahren bei den Schlossspielen noch nie erreichten Resonanz - ohne die Kraft der 109 wären die Schlossspiele nichts. Das hatte jüngst auch schon Carsten Kunz, Vorsitzender des Freundeskreises der Schlossspiele, erklärt. Als „Wahnsinn“ bezeichnete er diesen Helferstamm, den kaum eine Kultureinrichtung in Hagen aufweisen kann. Wobei der Vergleich auch hinkt, denn die Schlossspiele sind durch ihren Lokalstatus vor Ort und die zeitliche Begrenzung auf 17 Tage unvergleichbar.

Saison endet

Die Schlossspiele gehen an diesem Wochenende mit einer Schauspielaufführung und dem Jazz-Frühschoppen zu Ende. Für die tatkräftigen „109“ bedeutet das am Sonntag den finalen Abbau. Ein letztes Mal Hand anlegen, ehe es danach an die Planungen für die 71. Schlossspiele geht.