Vorhalle. Längst dürfen Mieter frei entscheiden, welchen Fernsehanbieter sie haben wollen. In Vorhalle machen LEG-Bewohner da andere Erfahrungen

Eigentlich sollte die Sache klar sein. Die Politik hat die Kabelgebühren aus den Nebenkosten gestrichen. Das entsprechende Gesetz gilt seit Dezember 2021. Eine Übergangsfrist wurde gewährt bis 1. Juli 2024. Seitdem dürfen Mieter - beispielsweise in Mehrfamilienhäusern - ihre Empfangsart frei wählen. Aber kommen alle Mieter nach dem Wegfall des sogenannten Nebenkostenprivilegs wirklich in den Genuss dieser freien Entscheidung? Ein Fall in einem Mehrparteienhaus in Vorhalle zeigt, wie schwierig und kräftezehrend es werden kann.

Verwunderung über LEG-Schreiben

Alexander Schneider ist Betriebswirt und jemand, der mit Gesetzestexten umgehen kann und die Auseinandersetzung mit einem großen deutschen Wohnungsunternehmen wie der LEG nicht scheut. Ende Januar dieses Jahres erhält er einen Brief der LEG. Darin steht: „Wenn Sie auch nach dem 30. Juni ihre TV-Grundversorgung über ihren Vermieter erhalten wollen, können Sie sich bequem zurücklehnen und müssen selbst keinen eigenen Vertrag abschließen.“ Und weiter: „Wir reduzieren ab 1. Juli ihre Betriebskosten um die TV-Grundversorgung. Stattdessen richten wir ihre Multimediaversorgung als neuen vom Mietvertrag unabhängigen Vertrag neben ihrem bestehenden Mietvertrag ein.“

Das Problem mit den Mehrnutzerverträgen

Der Betrag würde dann künftig als einzelne Position aufgeführt und verändere die Gesamtmiete nicht. Sollte sich Alexander Schneider ab dem 1. Juli selbst um seine Multimediaversorgung kümmern wollen, könne er den TV-Anschluss ab dem 30. Juni monatlich in Briefform kündigen. „Ich habe mich an den Mobilfunkanbieter gewandt, mit der Frage, wie ich den Kabelanschluss ab Juli weiternutzen kann“, erklärt Alexander Schneider. Dort hieß es zunächst: Es ließe sich alles buchen, was mit TV zu tun hat, nur nicht der digitale Kabelanschluss – dieser müsse beim Vermieter gebucht werden, wenn Mehrnutzerverträge bestehen. „Nur auf Anweisung des Vermieters wird das Signal in der betreffenden Wohnung freigeschaltet. Und jener Mehrnutzervertrag bestehe für das Gebäude in der Ostpreußenstraße weiter.“

Auch interessant

Es geht um 12,50 Euro

Vereinfacht gesagt sah Schneider sich zum einen gezwungen, bestehende Verträge weiter zu nutzen, obwohl das neue Gesetz ihm als Mieter ja eigentlich maximale Freiheit gewährt. Und noch dazu sah er sich in die Situation gebracht, reagieren zu müssen, weil ansonsten einfach andere Verträge und Abrechnungen für ihn in Kraft träten. „Die Dreistigkeit ist verblüffend. Durch diesen Satz werde ich nämlich dazu genötigt, zu reagieren. Denn wenn ich nichts tue, würde dieser Vertrag von der LEG eingerichtet“, so Alexander Schneider. „Ich denke jetzt vor allem an die älteren Mieter, die von der Technik keine Ahnung haben, und blind vertrauen. Die werden sich die 12,50 EUR weiterhin abnehmen lassen, gar ohne es zu merken.“

„Die TV Gebühren waren eine geduldete Bevormundung, die zumindest in der Theorie kraft Gesetz beseitigt worden ist.“

Alexander Schneider,
Mieter der LEG in Vorhalle

„Nach dem Inhalt des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ist es keineswegs so, dass die Vermieter verpflichtet sind, die Versorgungsverträge zu kündigen“, heißt es aus der Presseabteilung der LEG-Immobiliengruppe. „Im Gegenteil besteht nach unserer Auffassung eine mietvertragliche Pflicht, die Versorgung aufrechtzuerhalten, denn die Mieter haben die Wohnung mit einem funktionierenden TV-Anschluss als Ausstattungsmerkmal der Wohnung angemietet, der nicht einfach vermieterseitig abgeschaltet werden kann.“

Mieter könnten mit Monatsfrist raus

Mit Monatsfrist könnten Mieter aussteigen. Die Kündigung könne durch einen Telefonanruf erfolgen. „Hintergrund ist der Umstand, dass wir nicht wollen, dass unsere Mieter vor einem schwarzen Bildschirm sitzen. Offenbar haben auch die Mieter kein Interesse an einer anderweitigen Versorgung, denn von den nur etwa vier Prozent unserer Mieter, die bisher ihren Anschluss bei uns gekündigt haben, sind bereits rund 70 Haushalte unter Rücknahme ihrer Kündigung wieder zurückgekommen.“

„„Mit diesen untergeschobenen Verträgen ist jetzt Schluss“

Erol Burak Tergek,
Jurist bei der Verbraucherzentrale

Die Gesetzesänderung mag die Mehrnutzerverträge nicht berühren. Können Hausbesitzer mit solchen Verträgen deswegen weiterhin diktieren, zu welchen Bedingungen der Anschluss genutzt werden darf? „Wenn ja, ändert der Wegfall des Nebenkostenprivilegs rein gar nichts, denn Vermieter können nach wie vor die Kosten umlegen, nur nicht mehr über die Nebenkosten“, sagt Alexander Schneider. Es bestehe überdies keine mietvertragliche Pflicht, Geld für einen optionalen Kabel TV-Anschluss über die Mietzahlung einzuziehen. „Die TV-Gebühren waren eine geduldete Bevormundung, die zumindest in der Theorie kraft Gesetz beseitigt worden ist.“

Verbraucherzentrale mahnt LEG ab

Sein Standpunkt sei, dass die LEG ein Datum für die Beendigung der Mehrnutzerverträge hätte setzten und verkünden müssen, und „dafür seit Dezember 2021 Zeit hatte.“ Und Alexander Schneider fragt sich: „Warum sollten Haushalte ihre ,Kündigung‘ zurückgenommen haben? Wahrscheinlich, weil die LEG die Anschlüsse blockierte, und dann den Mietern suggeriert hat, sie müssten dem Vertrag mit der LEG zustimmen, damit die Anschlüsse wieder eingeschaltet werden.“

Die Verbraucherzentrale NRW hatte die LEG Wohnen NRW Mitte Juli zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Eine Abmahnung soll laut Verbraucherzentrale Erfolg gehabt haben. Die LEG wäre erfolgreich abgemahnt worden und habe versichert, die Betroffenen erneut anzuschreiben und um ihre ausdrückliche Zustimmung zu bitten. Sollten Betroffene bereits Beiträge gezahlt haben, zum Beispiel aufgrund eines bestehenden Lastschriftmandates, sollten sie das Geld von den Anbietern aktiv zurückfordern. „Mit diesen untergeschobenen Verträgen ist jetzt Schluss“, erklärt Erol Burak Tergek, Jurist und Experte für Telekommunikation bei der Verbraucherzentrale NRW. „Der Wegfall des Nebenkostenprivilegs soll den Verbrauchern die Wahl geben, ob und wie sie TV-Angebote nutzen wollen. Deshalb müssen sie einem Vertragsabschluss mit Kabel-TV Anbietern aktiv zustimmen.“