Hagen. Dado Grbavac und Collien Krawczyk haben ihr Abitur an der Gesamtschule Haspe in Hagen mit einer 1 vor dem Komma bestanden. So sind sie gestrickt.
Dass er sein Abitur einmal mit einer 1 vor dem Komma bestehen würde, das war Dado Grbavac (19) wahrlich nicht in die Wiege gelegt. Seine Eltern flüchteten in den 90er Jahre aus Bosnien nach Hagen, um dem blutigen Bürgerkrieg im sich auflösenden Jugoslawien zu entkommen. Sie waren keine Akademiker, und sie schufteten, damit es der in Deutschland geborene Dado und sein Bruder einmal besser haben würden.
Und die beiden Jungen haben es ihren Eltern gedankt. Der Bruder hat vor zwei Jahren sein Abitur bestanden, jetzt hat Dado nachgelegt und an der Gesamtschule Haspe sein Zeugnis in Empfang genommen - mit der Note 1,4. Mit der für einen jungen Menschen typisch zur Schau geklärten Abgeklärtheit gibt er bekannt: „Für mich war das einfach“, um dann doch hinzuzufügen: „Nein, es war schon anstrengend. Man braucht Durchhaltevermögen, um jeden Tag in der Schule mitzumachen und die Hausaufgaben zu erledigen.“
Der Übergang zur Oberstufe ist entscheidend
Insgesamt acht von 46 Abiturienten der Gesamtschule haben ihre Reifeprüfung mit einer 1 vor dem Komma bestanden - vier Jungen, vier Mädchen. Anders als an so manchem Gymnasium hagelt es an den Gesamtschulen keine Einser-Abis, zumal Oberstufenleiterin Luise Treptow betont, die Schüler bekämen nichts geschenkt: „Hier gibt es kein Abi light.“
Im Gegenteil, immer wieder gelinge es Schülern, die ohne Gymnasialempfehlung gestartet seien, sich glänzend zu entwickeln und bis zum Abitur hochzukämpfen: „Schwierig ist vor allem der Sprung von der zehnten Klasse in die Oberstufe. Durch dieses Tal muss durch, wer wirklich das Abitur schaffen will.“
Den diesjährigen Abiturienten macht die Lehrerin ein Kompliment: „Das ist ein besonderer Jahrgang, den ich so noch nie hatte. Die jungen Menschen sind freundlich, höflich und hilfsbereit, sie besitzen ein hohes Maß an Sozialkompetenz.“
Nach dem Abi folgt das Jurastudium
Zum Kreise der Gelobten gehört auch Collien Krawczyk (19), Abiturnote 1,7. Sie hat sich mit den Leistungskursen Mathematik und Sozialwissenschaften durchgebissen und sagt im Rückblick: „Das Abi ist machbar, wenn man sich gut vorbereitet.“ Schon im Dezember habe sie damit begonnen, sich auf die Prüfungen vorzubereiten und zum Beispiel das Sowi-Buch Seite für Seite durchgearbeitet.
Der Lohn waren 15 Punkte. Mehr geht nicht, und das in einem Leistungskurs. Dennoch hat Collien jetzt, wo die Prüfungen vorüber sind und der ganze Druck von ihr abgefallen ist, eine Erkenntnis gewonnen, zu der wohl fast jeder Abiturient im Nachhinein kommt: „Man macht sich zuviel Stress.“
Im Sommer möchte sie abschalten und Urlaub machen („Erstmal weg“), um dann in den Lernmodus zurückzufinden. Denn Collien hat ein ehrgeiziges Berufsziel, sie möchte Jura studieren und später einmal in einer Wirtschaftskanzlei arbeiten - wohl wissend, dass sich dieser Traum wohl nur mit einem Prädikatsexamen verwirklichen lässt. Aber was Traumnoten angeht, hat sich ja an der Gesamtschule Haspe bewiesen, dass sie die erreichen kann. . .
Und Dado Grbavac? Auch ihn zieht es im Sommer fort aus Deutschland, auch er möchte zum Wintersemester ein Jurastudium aufnehmen. Seine Motivation sei es, anderen Menschen zu helfen: „Weil ich aus einer Familie komme, die nicht viel Geld hat, und weil ich weiß, wie schwer es für mittellose Menschen ist, sich ihr Recht zu verschaffen.“