Hohenlimburg. Das Ordnungsamt der Stadt Hagen will einen Baum in Hohenlimburg von gefährlichen Raupen befreit wissen. Der Eigentümer sollte die Tiere beseitigen.
Bäckermeister Heribert Kamm aus Hohenlimburg hat für die Befreiung eines Baumes vom Eichenprozessionsspinner tief in die Tasche greifen müssen. Einem Schädlingsbekämpfer habe er gut 1500 Euro zahlen müssen, nachdem dieser die gefährlichen Raupen samt ihrer Nester aus dem Baum geholt habe, berichtet Kamm. Der Unternehmer wohnt Am Berge, wo die befallene Eiche auf der Grundstücksgrenze steht.
Das Ordnungsamt Hagen hatte den Baum bereits mit Flatterband abgesperrt und damit gedroht, „Verwaltungszwang“ anzuwenden und die Tiere im Rahmen der „Ersatzvornahme durch unseren Schädlingsbekämpfer auf Kosten des Eigentümers entfernen“ zu lassen. Denn der Eigentümer habe es unterlassen, die Nester und die Raupen „fristgerecht“ zu vernichten. Zwar bestehe keine akute Lebensgefahr“, so Clara Treude von der Stadtverwaltung in Hagen: „Das Ganze kann aber für Allergiker unangenehm werden. Von daher besteht ein gewisses Gesundheitsrisiko.“ Die Kosten des Einsatzes in Höhe von rund 100 Euro wollte die Stadt dem Eigentümer in Rechnung stellen.
Da Heribert Kamm den befallenen Baum und auch eine weitere Eiche auf seinem Grundstück inzwischen hat „säubern“ lassen, dürfte sich das erledigt haben. Es sei nicht einfach gewesen, einen Schädlingsbekämpfer zu finden, so Kamm, Träger des Bundesverdienstkreuzes und ehemaliger Innungsmeister des Bäckerinnungsverbandes Westfalen-Lippe: „Die ganze Angelegenheit hat sich hingezogen.“ Zudem habe er selbst gar nicht bemerkt, dass der Baum befallen war, bis das Ordnungsamt ihn darauf hingewiesen habe.
Das ist der Eichenprozessionsspinner
Der Eichenprozessionsspinner ist ein unauffälliger Nachtschmetterling, den die meisten Menschen kaum jemals zu Gesicht bekommen. Ganz anders verhält es sich mit seinen Larven: Die Raupen bilden Brennhaare aus, die dem Menschen gefährlich werden können.
Bei der Bekämpfung schlägt die Stadt Hagen einen ebenso wirksamen wie bedächtigen Kurs ein. Anstatt Nester und Larven kompromisslos zu vernichten, greifen die Fachleute nur ein, wenn die Tiere ein potenzielles Risiko für die Gesundheit der Bürger darstellen. Und das war nach Meinung der Stadt in Hohenlimburg der Fall, so dass es dort zu einem der wenigen Einsätze kam. Die letzten beiden relativ kühlen Sommer haben der Vermehrung der Art, die als Klimaprofiteur gilt, einen Riegel vorgesetzt, während sich die Anzahl der Tiere, begünstigt durch die trockenen, regenarmen Sommer 2019 und 2020, rasant vermehrt hatte.
Larven beeinträchtigen Gesundheit des Menschen
Tagsüber ziehen sich die Raupen in gespinstartige Kokons zurück, die erkennen lassen, dass ein Baum befallen ist. Die Larven leben – der Name legt es nahe – fast nur auf Eichen. Anfang Mai schlüpfen die Raupen aus dem Ei und gehen in großen Gruppen auf Nahrungssuche – daher der zweite Namensteil „Prozessionsspinner“. Sie fressen vor allem Eichenblätter und können laut Bundeslandwirtschaftsministerium erhebliche Schäden bis hin zum Kahlfraß verursachen.
Doch die Larven beeinträchtigen auch die Gesundheit des Menschen. Ab dem dritten Larvenstadium bilden sie Brennhaare aus, deren Anzahl mit jeder Häutung zunimmt. „Schließlich sind es pro Raupe ungefähr 600.000“, berichtet Nils Böcker, Fachleiter für Verkehrssicherung beim Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH). Ein gewisses Gesundheitsrisiko durch die Haare, die in der Luft verwirbelt und fortgetragen werden können, besteht vor allem für Allergiker.
Raupen fressen und häuten sich
Das in den Haaren enthaltene Nesselgift Thaumetopoein dringt leicht in die Haut und Schleimhaut ein, wo es sich mit kleinen Häkchen festsetzt. Hautirritationen, Augenreizungen und Atembeschwerden bis hin zu allergischen Reaktionen sind die Folge. „Jeder Mensch reagiert unterschiedlich“, hat Böcker, dessen Mitarbeiter bei der Beseitigung der Raupen teilweise in Kontakt mit den Härchen gerieten, beobachtet.
Während die Raupen den Tag mit Fressen in der Baumkrone verbringen, kriechen sie nachts zum Schutz vor Fressfeinden – wieder wie bei einer Prozession – am Stamm hinab und bilden die Kokons, hinter denen sie sich häuten.
Stadt will die Art nicht ausrotten
Übrigens: Sofern der Eichenprozessionsspinner städtische Bäume oder Bäume in städtischen Anlagen befällt, kümmert sich der WBH um die Raupen, interveniert aber nur dort, wo Menschen von freigesetzten Haaren gefährdet werden könnten. „Die Gefahr ist kontrollierbar“, begründet Böcker das behutsame Vorgehen. Lediglich fünf Nester haben seine Mitarbeiter 2023 beseitigen müssen. Beim Eichenprozessionsspinner handele es sich um eine heimische Schmetterlingsart, die vor 200 Jahren erstmals in NRW nachgewiesen wurde. Es sei daher nicht angemessen, der Art bis zur Ausrottung nachzustellen.
Die Stadt Hagen empfiehlt folgende Verhaltensregeln, die sich auch auf dem angebrachten Hinweisschild in Hohenlimburg befinden:
- Abstand halten;
- Bei Kontakt: Wachen, Duschen, Kleidung wechseln
- bei schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen: Arzt aufsuchen.