Hagen. Der Innenhof in Hagen ist besonders widerwärtig. Bewohner des Hauses werfen einfach alles raus, was sie nicht mehr gebrauchen können.

Sechs Meter über dem Erdboden hängt ein roter Pullover im Efeu. Im Maschendrahtzaun hat sich eine Hose verfangen. Der Boden ist übersät mit Müll und Unrat. Kerstin Schulte (59) aus Hagen, die in der Rehstraße 21 wohnt, steht der Ekel ins Gesicht geschrieben: „Windeln, Verpackungen, Klamotten, Essensreste - die schmeißen hier einfach alles aus dem Fenster.“

Gemeint sind die Bewohner des Nachbarhauses in der Rehstraße 19, das als Problemimmobilie bekannt ist. Der Innenhof zwischen den beiden Gebäuden ist zur Abfallhalde verkommen. Früher habe sie hier für Ordnung gesorgt, die Blumen gepflegt und an heißen Sommertagen gern ein schattiges Plätzchen aufgesucht, sagt Kerstin Schulte: „Aber das geht nicht mehr. Ich habe Angst, dass mir eine Windel auf den Kopf fliegt.“

Welch eine Zierde: Einfach aus dem Fenster geworfen wurden diese Kleidungsstücke in der Rehstraße in Hagen. Jetzt hängen sie zur „Freude“ der Nachbarschaft überm Zaun im Innenhof.
Welch eine Zierde: Einfach aus dem Fenster geworfen wurden diese Kleidungsstücke in der Rehstraße in Hagen. Jetzt hängen sie zur „Freude“ der Nachbarschaft überm Zaun im Innenhof. © WP | Michael Kleinrensing

Dass die alten Gründerzeithäuser in Wehringhausen ihre besten Tage längst hinter sich haben, ist ja bekannt. Doch die Immobilie in der Rehstraße 19 bereitet der Stadtverwaltung schon seit Jahren Arbeit und Sorgen. So wurde das Haus im September 2017, nochmals im Januar 2019 und dann wieder im März 2021 versiegelt und für unbewohnbar erklärt, die Bewohner von der Stadt anderweitig untergebracht. Im Hof türmte sich auch seinerzeit der Müll, Ratten hatten sich angesiedelt. „Was sich früher hier ereignete, ist aber gar nichts gegen die jetzigen Zustände“, sieht Nachbarin Kerstin Schulte einen neuen negativen Höhepunkt erreicht.

Ständiger Nachschub aus der Kleiderkammer

Die derzeitigen Bewohner würden sich an überhaupt keine Regeln halten und einfach alles aus dem Fenster werfen, was man sich vorstellen könne. Dass darunter offensichtlich sogar unbeschädigte, intakte Kleidungsstücke sind, erklärt sich die Nachbarin damit, dass die Menschen ständigen Nachschub aus einer nahen Kleiderkammer beziehen würden: „Wenn ihnen etwas nicht mehr gefällt - aus dem Fenster damit. Und dann besorgen sie sich neue Klamotten.“

Dieser Pullover ist im Efeu hoch über dem Boden hängen geblieben.
Dieser Pullover ist im Efeu hoch über dem Boden hängen geblieben. © WP | Michael Kleinrensing

Natürlich haben sich längst wieder Ratten im Hof angesiedelt. Erst im November hat der Vermieter des Hauses Nr. 21, die WEHA Immobilien und Hausverwaltung GmbH aus Vorhalle, das Gelände umgraben und zahlreiche Rattennester zerstören lassen. Zudem gossen die Arbeiter einen Betonsockel an eine Mauer, damit die Nagetiere diese nicht mehr unterwandern können - mit dem Ergebnis, dass die Ratten jetzt über die Mauer klettern. Erst am 12. Februar hat die WEHA zuletzt den Müll aus dem Hof aufsammeln und abtransportieren lassen, vier große Abfallsäcke kamen zusammen - mit dem Ergebnis, dass der Boden schon wieder von Unrat bedeckt ist.

Hausbesitzer fühlt sich im Stich gelassen

Von der Stadtverwaltung fühlt sich das Unternehmen schmählich im Stich gelassen: „Wir müssen dort ständig tätig werden und für Ordnung sorgen, obwohl unsere Mieter für die Verschmutzung gar nicht verantwortlich sind“, sagt WEHA-Gesellschafter Wilfried Weyreuter, der alle vier Wochen einen Schädlingsbekämpfer vorbeischickt: „Was wir dort auch tun, die Bewohner des Nachbarhauses machen alles wieder kaputt.“ Eine Müllhalde sei nichts gegen den unsäglichen Innenhof, fasst er die ekelerregenden Zustände zusammen.

Stadt Hagen hat das Haus seit Jahren im Blick

Doch Untätigkeit will man sich im Rathaus nicht vorwerfen lassen, vielmehr empfindet man die Beschäftigung mit dem Haus wie einen Kampf gegen Windmühlen. Nach einer kompletten Kernsanierung sei das Objekt im März 2023 in einem sehr guten Zustand mit neuen Leitungen, Türen, Bädern und Bodenbelägen gewesen, so Michael Kaub, Sprecher der Stadtverwaltung: „Daraufhin haben wir die Unbewohnbarkeitserklärung widerrufen.“ Offenbar seien jedoch inzwischen Personen eingezogen, die das Haus innerhalb kurzer Zeit heruntergewirtschaftet hätten.

Im Hausflur der Rehstraße 21 werden die Bewohner vor ausgelegtem Gift gewarnt.
Im Hausflur der Rehstraße 21 werden die Bewohner vor ausgelegtem Gift gewarnt. © WP | Michael Kleinrensing

Die neuen Eigentümer - das Problem-Haus gehört einer Eigentümergemeinschaft - seien bereits wiederholt auf die Situation aufmerksam gemacht worden, die Stadt habe bereits Bußgelder angedroht, so Kaub: „Allerdings bislang mit mäßigem Erfolg.“

Nun stehe erneut eine Vollstreckungsmaßnahme im Raum, sprich: Die Stadt will den vermüllten Innenhof auf Kosten der Eigentümer reinigen lassen.

Auch im Hinterhof sieht es nicht besser aus.
Auch im Hinterhof sieht es nicht besser aus. © WP | Michael Kleinrensing