Halden. Die Erich-Kästner-Schule ist vom Ischeland nach Halden umgezogen. Doch nur einer der 81 Schüler kann morgens zu Fuß zum Unterricht erscheinen.
Die Erich-Kästner-Schule ist die einzige Primarschule in Hagen, an der fast ausschließlich Fahrschüler unterrichtet werden. Das Prinzip „Kurze Beine, kurze Wege“, das möglichst allen Kindern im Grundschulalter einen Platz an der nächstgelegenen Lehranstalt sichern soll, ist hier nicht zu verwirklichen. Denn die Erich-Kästner-Schule ist eine Förderschule, die von Kindern mit sprachlichen Defiziten aus ganz Hagen besucht wird. Und von den 81 Schülern wohnt nur einer in Halden und kommt zu Fuß zum Unterricht. Alle anderen werden gefahren.
Erst seit Schuljahresbeginn residiert die Schule an der Berchumer Straße in Halden, wo zuvor ein Kindergarten, davor eine Schule für Zuwanderer und davor die Wilhelm-Busch-Förderschule untergebracht waren. 30 Jahre lang lag die Kästner-Schule am Ischeland nahe des Westfalenbades, wo sie sich eine Immobilie mit der Meinolf-Grundschule teilte.
Umzug in den Ferien
Doch als die Stadt Hagen dringend nach weiteren Grundschulplätzen suchte (Geburten- und Schülerzahlen sind infolge der Zuwanderung in die Höhe geschnellt), kam die Idee auf, die Kästner-Schule in das leerstehende Gebäude nach Halden zu verlegen und die Meinolfschule vierzügig auszubauen. Als das Schulamt ihn über diese Pläne informiert habe, sei er doch überrascht gewesen, erinnert sich Elmar Beckel, kommissarischer Leiter der Kästner-Schule: „Aber dann haben wir uns schnell an den Gedanken gewöhnen können.“
Der Umzug ging in den Sommerferien über die Bühne. Beckel und das Kollegium (zwölf Lehrerinnen, eine Referendarin) verzichteten auf einen Teil ihres Urlaubs, um Kisten zu packen und sich einzurichten im neuen Domizil. „Ich kann mein Team nur loben für diese Einsatzbereitschaft“, zeigt sich der Leiter angetan vom außerordentlichen Engagement seiner Kolleginnen.
Lehrerinnen sind Sprachheilpädagogen
Die Erich-Kästner-Schule ist die einzige Förderschule für Kinder mit sprachlichen Entwicklungsstörungen in Hagen. Fast alle Lehrer sind Sprachheilpädagogen, die im Unterricht besonders auf die sprachliche Entwicklung ihrer Schüler Acht geben. Bei einigen Kindern ist die Sprachentwicklung verzögert, bei einigen unterbleibt die Lautbildung oder die Wortstellung eines Satzes ist fehlerhaft. Nicht selten kommen Konzentrations-, Wahrnehmungs- und motorische Störungen hinzu. „Der Lehrplan ist diesen Defiziten angepasst“, sagt Beckel: „Wenn möglich, gibt es auch Einzelunterricht.“
Der Erfolg des Kollegiums spricht für sich. Bei der Hälfte der Kinder ist die Sprachstörung nach der zweiten Klasse behoben und sie können ihre Laufbahn an einer Grundschule fortsetzen. Wer bis zum Ende der vierten Klasse in Halden bleibt, wechselt direkt an eine weiterführende Schule. Nur in Einzelfällen ist der Förderbedarf so groß, dass ein Schüler zur Hasselbrinkschule in Bochum wechseln muss, der einzigen Sprachförderschule im Sekundarbereich im Umkreis.
Sprachschwäche organisch bedingt
Die Ursachen für eine Sprachschwäche können psychischer, physischer oder sozialer Natur sein, erläutert Beckel. Manchmal seien sie organisch bedingt, etwa wenn eine Mittelohrentzündung mehrmals unerkannt bleibt oder das Kind Wasser im Ohr hat, Laute nicht richtig wahrnimmt und dementsprechend auch nicht korrekt wiedergeben kann. Der Migrationshintergrund spielt dagegen keine Rolle, denn mit dem Spracherwerb hat die Sprachförderung in Halden nichts zu tun. Ausländische Kinder werden nur dann an der Kästner-Schule aufgenommen, wenn sie auch in ihrer Muttersprache die einschlägigen Defizite aufweisen.
Mit dem Schriftsteller Erich Kästner (1899 bis 1974) hat sich die Schule bei ihrer Gründung im Jahr 1985 den passenden Namenspatron ausgesucht. Einer seiner bekanntesten Aphorismen passt gut zur Haltung des Kollegiums: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“