Hohenlimburg/New York. Die Hohenlimburgerin Ulla Neumann lebt seit 27 Jahren nahe New York. Szenen wie gestern am Kapitol in Washington hatte sie befürchtet

Geschockt habe sie vor dem Fernseher die Szenen verfolgt, die sich gestern in ihrer Wahl-Hauptstadt Washington abgespielt haben, sagt Ulla Neumann am Tag danach. Die gebürtige Hohenlimburgerin lebt seit vielen Jahren nahe New York in den USA. Die Fernsehbilder gestern aus Washington, die Tumulte von Trump-Anhängern am Kapitol zeigten, hätten ihre düsteren Befürchtungen bestätigt. „Ich habe immer gesagt, ich glaube nicht, dass die Amtsübergabe von Donald Trump glatt über die Bühne geht.“ Zu laut habe der scheidende US-Präsident auf seine Lüge vom gestohlenen Wahlsieg gepocht. „Wenn man ihm genau zugehört hat, dann hat er niemals zugegeben, dass er freiwillig die Präsidentschaft abgeben würde.“ Was sie bei den Ausschreitungen in Washington besonders verärgert habe: das Verhalten der Polizei. Zu zurückhaltend hätten die Sicherheitskräfte am Kapitol agiert. „Unfassbar. Wären es farbige Menschen bei den Protesten gewesen - die Polizei wäre mit Gewalt vorgegangen."

Anhängerin der Demokraten

Ulla Neumann steht politisch eher links, wie sie sagt. Bei den vergangenen fünf Wahlen zur US-Präsidentschaft hat auch sie einen Wahlzettel abgegeben. Neumann bekennt sich offen zur Partei der Demokraten und hat auch für deren Präsidentschaftskandidaten Joe Biden gestimmt. So offen wie sie gebe aber kaum noch wer in ihrem Umfeld seine politischen Ansichten preis, sagt die Wahl-Amerikanerin. „Viele Leute wollen nicht Stellung beziehen. Sie sagen, die Medien berichten so, aber keiner will sagen, ich bin Republikaner oder Demokrat. Sie schwächen das ein bisschen ab – und das finde ich ganz schlimm.“

Misstrauen groß

Das Misstrauen untereinander sei groß. Man versuche, unter sich zu bleiben, „weil man ja nicht weiß, auf welcher Seite die andere Person steht.“ Längst fremdelt Neumann, die seit 27 Jahren in den USA lebt, mit diesem gesellschaftlichen Klima. In den Jahren unter Präsident Trump fasste sie den Entschluss, ihre Rückkehr nach Deutschland vorzubereiten. Den deutschen Pass hat sie jedoch abgegeben, als sie die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm. In drei Monaten hat sie deshalb einen Termin im Konsulat. „Aber auch ohne Pass bin ich hier weg“, steht für Neumann fest.

Ihren amerikanischen Landsleuten wünsche sie, dass das Land wieder zur Vernunft komme. In dieser Sicht sieht die überzeugte Demokratin den Aufruhr am Kapitol auch als Warnsignal: „Ich denke, die Republikaner haben nun größtenteils gesehen, dass bei Trump im Kopf etwas nicht stimmt.“