Hagen.. In keinem anderen Bereich hat sich in Hagen in den vergangenen vier Jahren derart viel verändert wie in der Schullandschaft. Und ein Ende des Umbruchs ist nicht in Sicht.
In keinem anderen Bereich hat sich in Hagen in den vergangenen vier Jahren derart viel verändert wie in der Schullandschaft. Schulen wurden geschlossen, neue gegründet, wieder andere zusammengelegt. Und ein Ende dieses Umbruchs ist nicht in Sicht.
Als Wende- bzw. Ausgangspunkt des Veränderungsprozesses gilt das vor vier Jahren erstellte Gutachten zur Schulentwicklungsplanung des Bonner Biregio-Instituts, auf das sich Verwaltung und Politik regelmäßig berufen, wenn sie Veränderungen auf den Weg bringen.
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Der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Umgestaltung der Schullandschaft soll die Bildung von Sekundarschulen sein, die die bestehenden Haupt- und Realschulen ablösen. Angesichts des dramatischen Rückgangs der Schülerzahlen an den sechs Hauptschulen (Vorhalle, Altenhagen, Hohenlimburg, Haspe, Boelerheide und Remberg) lag die Notwendigkeit einer Reform auf der Hand, traf aber, vor allem an den Realschulen, auf massive Widerstände. Dennoch wurde letztlich die Schließung der Realschulen Emst, Haspe und Altenhagen beschlossen. Stattdessen entstanden 2014 am Remberg und in Altenhagen zwei Sekundarschulen, eine weitere in Haspe soll folgen.
Nachfrage stabilisiert
Doch inzwischen hat sich die Lage gewandelt. Während das Biregio-Gutachten für dieses und die folgenden Schuljahre schrumpfende Eingangsklassen prognostizierte, haben sich die tatsächlichen Schülerzahlen infolge des Flüchtlingsstroms und der Integration von Seiteneinsteigern erhöht. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich auch die Nachfrage nach Hauptschulplätzen stabilisiert, so dass das Schulamt die Ernst-Eversbusch-Schule in Haspe, die einzige Hagener Hauptschule, deren mittelfristige Auflösung noch nicht beschlossen worden war, jetzt länger als geplant am Leben halten möchte.
Auch einige Grundschulen sind mangels Kindermasse (Biregio sagte einen Rückgang der Grundschüler von 9200 im Jahr 2011 auf weniger als 6000 im Jahr 2018 voraus) geschlossen worden (z.B. Spielbrink, Kückelhausen, Delstern, Regenbogen). Und selbst im Förderschulbereich ist ein Schrumpfungsprozess zu beobachten, da infolge der Inklusion behinderte Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Platz an einer Regelschule haben und dieser von immer mehr Eltern auch wahrgenommen wird. Die Pestalozzischule in Hohenlimburg wurde bereits dicht gemacht, die Bodelschwingh-Schule in Wehringhausen soll mit der August-Hermann-Francke-Schule am Standort in Eilpe zusammengelegt werden.
Bei der Befragung unserer Leser kommt viel Kritik an dem ständigen Bäumchen-wechsel-dich-Spiel der vergangenen Jahre zum Vorschein – etwa auch am Lehrermangel und dem häufigen Unterrichtsausfall, für den die Stadt Hagen natürlich nicht verantwortlich ist. Die Skepsis am staatlichen Bildungssystem nimmt zu. Diese Unzufriedenheit hat sich bekanntlich schon in der Gründung von Privatschulen niedergeschlagen, vor allem christlich engagierte Gruppen sehen darin eine Alternative. Lediglich die boomenden Gymnasien und Gesamtschulen in Hagen bleiben von sinkenden Schülerzahlen und von Auflösungstendenzen unberührt.
Hubertus Heuel
„Schullandschaft steht vor drei großen Herausforderungen“
Jochen Becker ist Leiter des Fachbereichs Bildung der Stadt Hagen:
"Die Schullandschaft steht im Moment vor drei Herausforderungen: 1. Die Integration der zugewanderten Kinder und Jugendlichen. 2. Die Umsetzung der Inklusion, d. h. des gemeinsamen Unterrichts von Schülern mit und ohne Förderbedarf. 3. Die Organisation des Umbruchs in der Schullandschaft.
Hinzu kommt, dass durch die Zuwanderung Schüler mit unterschiedlichsten Voraussetzungen unsere Schulen besuchen. Vom mehrsprachigen Jugendlichen, der schnell die deutsche Sprache lernen wird, bis zu Kindern, die noch nie eine Schule besucht haben, reicht das Spektrum. Die Zuwanderung führt dazu, dass die Schülerzahlen wieder steigen. Dies wird zu Veränderungen der Schulentwicklungsplanung führen.
Auch die Inklusion wird uns lange begleiten. Mittlerweile werden an vielen Schulen Schüler mit und ohne Förderbedarf gemeinsam unterrichtet. Dies ist ein Lernprozess für alle Beteiligten. Es zeichnet sich aber ab, dass es weiter Eltern geben wird, die in der Förderschule den richtigen Ort für ihre Kinder sehen. Daher wird diese Schulform noch lange Bestand haben.
All diese Aufgaben können nur bewältigt werden, weil die Lehrkräfte daran mit viel Herzblut arbeiten, wofür ich ihnen herzlich danke."
„Nicht festhalten an überkommenen Strukturen“
Udo Dreher, Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft:
"Ein Schwerpunkt der Reformvorschläge bestand in der Frage, inwieweit kleinere Grundschulen unter dem Motto „kurze Beine – kurze Wege“ aufrecht erhalten werden können. Vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl zugewanderter Kinder muss die Diskussion neu geführt werden.
Auch bisher schon konzentrierten sich Kinder mit Migrationshintergrund in bestimmten Brennpunkten. Dabei wurde die Zuweisung besonderer Ressourcen auf der Grundlage eines Sozialindexes diskutiert. Mit Blick auf die sich verschärfende Problematik muss hier endlich ein einforderbarer Anspruch festgelegt werden.
Zwar haben sich alle Schulformen der Aufgabe der individuellen Förderung und der gerechteren Bildungschancen gestellt. Die Schulen des längeren gemeinsamen Lernens haben sich diesen Anspruch aber in besonderem Maße auf die Fahnen geschrieben. Mit Befremden nehmen wir daher zur Kenntnis, dass die geplante Errichtung einer weiteren Sekundarschule in Haspe ohne Not aufgeschoben wurde. Hierin sehen wir eine verpasste Chance. Wir fordern die Verantwortlichen auf, den bestehenden Schulentwicklungsplan weiterzuentwickeln, anstatt an überkommenen Strukturen festzuhalten."