Hagen.. Die Hagener Bürger lieben die Nähe zu den zahlreichen Waldgebieten rund um die Wohnquartiere. Für Misstöne sorgt hingegen die mangelhafte Stadtsauberkeit.

Eine Konstellation voller Widersprüche prägt Hagen in puncto Stadtsauberkeit und Umweltschutz. Die waldreichste Großstadt Nordrhein-Westfalens wuchert auf der einen Seite mit ihren landschaftlichen Reizen am Rande des Ruhrgebiets, gehört mit der Straßenschlucht am Finanzamt aber auch zu den brisantesten Stickstoff­dioxid-Hotspots der Republik. Ähnlich befremdlich: Im Gegensatz zu Herdecke, wo gerade das Wohnen am Wasser stadtplanerisch als ein echtes Pfund entdeckt wird, um Bürger zu binden, werden die Lebensqualitätspotenziale der beiden Hagener Ruhrseen sowie der immerhin vier Flüsse, die Hagen bereichern, bislang nur unzureichend ausgereizt. Stattdessen dominiert seit Jahren permanent eine unrühmliche Stadtsauberkeitsproblematik die öffentlichen Diskussionen.

Eine Frage der Einstellung

Ex-Oberbürgermeister Jörg Dehm wies immer gerne darauf hin, dass keineswegs der für die Reinhaltung der Hagener Straßen und Wege zuständige Hagener Entsorgungsbetrieb dafür zu schelten sei, wenn Umweltferkel aus der Bürgerschaft glauben, sich allerorten ungehemmt ihres Drecks entledigen zu dürfen. „Damit ist keineswegs bloß die wilde Bauschutt-Kippe im Wald gemeint“, verweist Ralf-Rainer Braun, Leiter der städtischen Umweltverwaltung, auf die drei großen K: ­Kippe, Kaugummi, Kothaufen.

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 „Es ist vor allem eine Frage der Einstellung, wie man mit seinen Abfällen umgeht“, regt der Experte trotz Spardrucks an, sich die Stelle einer Umweltpädagogin wieder zu gönnen, die nicht bloß in Schulen Bildungsarbeit leistet, sondern auch mehrsprachig unterwegs ist, um Migrantengruppen für Ökologiefragen zu sensibilisieren. Dabei könnte auch die Stadt höchstselbst ihre Vorbildfunktion deutlich ernster nehmen. Zuwuchernde Bürgersteige und Verkehrsinseln sind in Zeiten der Geldnot alles andere als eine Motivationsspritze, um bei den Bürgern mehr Stadtsauberkeit vor den eigenen Haustüren einzufordern.

Wackelige Vorbildfunktion

Wenig Akzeptanz findet die Kommune bei ihren Bürgern auch für kilometerweite Lkw-Umleitungen rund um den Luft-Problempunkt auf dem Innenstadtring, solange sie weiterhin keine zumutbaren Verkehrsräume für Radfahrer schafft und gleichzeitig das Busnetz weiter kurz und klein spart. Dass auf dem Märkischen Ring überhaupt noch die Autos weitgehend ungestört rollen können, ist lediglich der Tatsache geschuldet, dass von den Anwohnern bislang niemand gegen die gesundheitsgefährdende Situation vor seiner Tür geklagt hat.

Umweltfreundliche Verkehrssysteme wie die Straßenbahn wurden einst abgeschafft, mutige Pläne für ein Stadtbahn-Konzept vom Tisch gewischt. Zur institutionalisierten Vorfahrt für Autos gibt es in Hagen bislang kein ernstzunehmendes Alternativkonzept. „Die Denke muss sich ­ändern“, hält Amtsleiter Braun es sogar für vorstellbar, dass sich Hagen beispielsweise durch Fahrradschnellwege entlang der Flusstäler zu einer attraktiven Pedelec-Stadt entwickelt.

Das weite Feld der regenerativen Energien bietet in Hagen ebenfalls noch reichlich Chancen. Längst sind nicht sämtliche lukrativen ­Dächer der Stadt mit Solartechnologie bestückt. Bürgergenossenschaften bieten hier für private Anleger durchaus respektable Renditen an, die deutlich über den aktuellen Offerten der Banken liegen. Ein kleinteiliges Feld, auf dem Konzerne sich eher schwertun.

„Abfuhr von Sperrgut wird in die Abfallgebühr eingerechnet“

Herbert Bleicher ist Geschäftsführer des HEB:

"Wir versuchen nach Kräften, das Stadtgebiet sauber zu halten. Wenn man sich jedoch beispielsweise die Müllmengen ansieht, die wir allein von den öffentlichen Depotcontainerstandorten abholen, wird klar, dass es ein Kampf gegen Windmühlen ist. Rund 22 000 Kilogramm Müll sammeln die Mitarbeiter der Straßenreinigung dort ein. Pro Woche! Von Parkplätzen, aus öffentlichen Grünflächen, aus Unterführungen, etc. sammeln wir jedes Jahr rund 84 000 Kilogramm illegal entsorgten Abfall ein.

Herbert Bleicher ist Geschäftsführer des HEB.
Herbert Bleicher ist Geschäftsführer des HEB. © WP Michael Kleinrensing | WP Michael Kleinrensing

In diesem Zuge wird oftmals angeführt, dass die Sperrgutabfuhr andernorts kostenlos sei. Das ist so nicht richtig. Die Kosten für eine turnusgemäße Abfuhr von Sperrgut sind dann immer in die jeweilige Abfallgebühr eingerechnet.

Auch das Argument, dass die in Hagen praktizierte verursacherbasierte Abrechnung des Sperrguts der Grund für die großen Mengen illegal entsorgten Abfalls seien, können wir nicht nachvollziehen. Denn oftmals finden wir im Wald oder an den Depotcontainern beispielsweise auch große Elektrogeräte, die sicherlich nicht zu Fuß dorthin gebracht wurden. Diese könnten eigentlich bequem und sogar kostenfrei am Wertstoffhof an der Müllverbrennungsanlage abgegeben werden.

„Dem Wald die ihm gebührende Bedeutung zukommen lassen“

Ralf Blauscheck leitet die Biologische Station in Hagen:

"Waldreichste NRW-Großstadt zu sein, ist kein Selbstläufer, denn es kommt auf die Qualität der Waldstruktur an: Vor allem die artenreichen Laubmischwälder mit guter Altersstruktur bieten Vogel-, Fledermaus- und auch anderen Säugetier-Arten optimale Lebensräume. Es werden bei uns aber glücklicherweise Fichtenbestände zunehmend durch artenreiche und standortgerechtere Laubbestände ersetzt. Projekte wie der aktuell in der Diskussion befindliche Baumwipfelpfad beeinträchtigen den Lebensraum Wald erheblich, da störungsempfindliche Arten durch die Besuchermassen vertrieben werden und damit seine Qualität dauerhaft leidet.

Hagen muss sich zu den Qualitäten seiner grünen Hälfte bekennen und kann nicht um jeden Preis solche Großprojekte umsetzen, ohne gleichzeitig nachhaltige Schäden an der Natur zu erzeugen. Auch die Planungen für Windkraftanlagen greifen nach den Wald-Standorten und werden bei einer Realisierung hochempfindliche Vogelarten wie Schwarzstorch, Uhu oder Haselhuhn beeinträchtigen. Die Bedeutung des Hagener Südens als Naherholungsraum ist weit bis ins Ruhrgebiet bekannt; hier sollten die Entscheidungsträger dem Wald die ihm gebührende Bedeutung zukommen lassen."