Hagen.. 9988 Menschen waren im Durchschnitt im Jahr 2014 in Hagen arbeitslos gemeldet – 166 weniger als noch im Jahr 2013. Doch bei den Langzeitarbeitslosen wächst sogar der Bestand.

Es ist eine auf den ersten Blick gar nicht so schlechte Situation: 9988 Menschen waren im Durchschnitt im Jahr 2014 in Hagen arbeitslos gemeldet. Das ist eine ganze Menge, aber doch 166 Menschen (oder 1,6 Prozent) weniger als noch im Jahr 2013. Doch diese Zahlen verschleiern das Hagener Grundproblem: Bei den Kurzzeitarbeitslosen ist die Entwicklung positiv, doch bei der ungleich größeren Gruppe der Langzeitarbeitslosen, die Hartz IV beziehen, wächst sogar der Bestand.

Genug Stoff für eine Diskussionsrunde zum Hagener Arbeitsmarkt, zu der die Stadtredaktion gestern Experten in das Pressehaus in der Schürmannstraße eingeladen hatte. Arbeitsagentur-Chef Thomas Helm, SIHK-Hauptgeschäftsführer Hans-Peter Rapp-Frick, DGB-Chef Jochen Marquardt, Dr. Michael Plohmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Josef Schulte vom Märkischen Arbeitgeberverband und IG-Metall-Chef Jens Mütze diskutierten konstruktiv, aber durchaus auch kontrovers.

„Die typische Entwicklung von Großstädten“

Einig war man sich bei der Analyse: Die Langzeitarbeitslosigkeit ist und bleibt Hagens größtes Defizit. „Die fehlende Dynamik auf dem Hagener Arbeitsmarkt ist vor allem ein Problem für die Langzeitarbeitslosen“, sagt Arbeitsagentur-Chef Thomas Helm. „Ihren Bedarf an Arbeitskräften holen die Betriebe derzeit aus der Gruppe der Kurzzeitarbeitslosen.“ Und er kann dies mit Zahlen untermauern. Denn schaut man genauer auf den Rückgang der Arbeitslosen, dann sieht man: Bei den Kurzzeitarbeitslosen waren es mit 2134 Menschen 8,4 Prozent weniger. Bei den Langzeitarbeitslosen mit 7854 Männern und Frauen dagegen 0,4 Prozent mehr.

Doch was dagegen tun? Hans-Peter Rapp-Frick (SIHK) analysiert: „Hagen hat die typische Entwicklung von Großstädten gemacht und Industriearbeitsplätze verloren. Allerdings hat sich der Bereich Verwaltung und Dienstleistungen nur unterdurchschnittlich entwickelt.“ Man werde aber den Dienstleistungssektor auch wegen der Nähe zu Dortmund nicht entscheidend ausbauen können. „Wir müssen daher Hagen als Industrie- und vor allem als Logistikstandort ausbauen und dafür die Voraussetzungen schaffen. Das heißt, wir brauchen entsprechende Industrieflächen.“

Das Hagener Handwerk leiste seinen entscheidenden Beitrag zum Arbeitsmarkt, betont Dr. Michael Plohmann: „Wir haben in den vergangenen Jahren keine Stellen abgebaut, sondern im Gegenteil eher leicht hinzugewonnen.“ Doch das Handwerk könne nicht das Problem der Hartz-IV-Bezieher lösen: „Dass langjährig arbeitslose Menschen Arbeit im Handwerk finden, ist die große Ausnahme. Da muss man realistisch sein: Dazu reicht oft nicht die Qualifikation aus.“ Und auch bei Jugendlichen mit Problemen gebe es Hemmnisse für eine Ausbildung: „Gerade die kleinen Handwerksbetriebe sind schlicht damit überfordert, wenn sie noch den Familienvater spielen müssen. Vielleicht muss man ihnen auch Sozialarbeiter an die Seite stellen.“

Einkommen in Hagen noch überdurchschnitllich

Für DGB-Chef Jochen Marquardt ist wichtig, dass die Arbeitnehmer auch genug mit ihrem Job verdienen können: „Mit der Qualität der Arbeit und der Höhe der Einkommen hängt auch die Attraktivität der Stadt zusammen und damit die wirtschaftliche Dynamik.“ Deshalb müssten in Hagen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass man mit dem Slogan werben könne: „Wir haben gute Arbeit, hier verdient man gutes Geld. In Hagen lohnt es sich zu leben.“ Laut Thomas Helm kann schon jetzt mit dem Slogan geworben werden: Das Hagener Durchschnittseinkommen beträgt 3040 Euro, deutschlandweit liegt der Wert nur bei 2888 Euro. „Das ist hier kein Armenhaus“, so das Fazit des Arbeitsagentur-Chefs.

IG-Metall-Bevollmächtigter Jens Mütze ist sich sicher: Von der von der Gewerkschaft angestrebten Bildungsteilzeit würden auch die Unternehmer profitieren: „So werden mit qualifizierten Mitarbeitern gute Arbeitsplätze erhalten, so erhalten wir die Wertschöpfungsketten hier bei uns in der Region.“

Nicht ohne Ausbildung einstellen

Und natürlich habe die Hagener Industrie das Potenzial, um mehr Betroffenen aus dem Bereich der Hartz-IV-Bezieher eine neue Chance zu geben: „Es wäre gut, wenn sich die Betriebe verpflichten würden, zusätzlichen Arbeitsbedarf auch durch Langzeitarbeitslose zu befriedigen.“

Dass der neue Mindestlohn gerade junge Leute mit geringer Bildung von einer Ausbildung abhalten könne, weil ein höherer Hilfsarbeiterlohn locke – so die Befürchtung von Hans-Peter Rapp-Frick – glaubt DGB-Chef Jochen Marquardt übrigens nicht: „Ich schlage vielmehr vor, dass sich die Hagener Unternehmen eine Selbstverpflichtung auferlegen und sagen: Wir stellen keine jungen Leute ohne Ausbildung ein.“ Der SIHK-Hauptgeschäftsführer zeigt sich nicht abgeneigt: „Darüber kann man nachdenken.“ Ein ganz konkretes Ergebnis einer konstruktiven Diskussion im Pressehaus.