Hagen. Jetzt wird es ernst: Ab dem 1. Januar 2015 gilt in ganz Deutschland ein Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde.
Jetzt wird es ernst: Ab dem 1. Januar 2015 gilt in ganz Deutschland ein Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde. In Hagen werden von dieser Regelung nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mehr als 3100 Arbeitnehmer profitieren, die bis jetzt für einen niedrigeren Stundenlohn arbeiten müssen. Dass seien immerhin 6,3 Prozent der insgesamt gut 49.800 Vollzeitbeschäftigten in Hagen. Der DGB freut sich also erwartungsgemäß über die Neuregelung. Aber wie wirkt sie sich sonst in Hagen aus? Unsere Zeitung hat nachgefragt.
Die SIHK
In der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer sind qua Gesetz alle Gewerbetreibenden vertreten- es sei denn, sie sind reine Handwerker, Landwirte oder nicht ins Handelsregister eingetragene Freiberufler. Die SIHK ist also die Stimme der Hagener Wirtschaft. Und ihr Geschäftsführer Andreas Lux weiß zu berichten, dass vor wenigen Tagen bei der Vollversammlung der Kammer das Thema Mindestlohn durchaus leidenschaftlich diskutiert wurde - allerdings ging es weniger um die 8,50 Euro. „Es ist deutlich geworden, dass nicht so sehr die Höhe das Problem ist, sondern vielmehr der bürokratische Aufwand”, sagt Andreas Lux. Denn in den allermeisten Betrieben würden bereits jetzt mehr als 8,50 Euro gezahlt. Ausnahmen gebe es bisweilen noch in der Gastronomie, bei den Gebäudereinigern und in der Leiharbeit. Viel schlimmer werde aber die Pflicht zur Dokumentation empfunden. „Ein Unternehmen muss jetzt nachweisen, dass auch Subunternehmer oder beauftragte Unternehmen in der Produktionskette ihren Mitarbeitern den Mindestlohn zahlen.”
Die Handwerkskammer
Als „weitestgehend geregelt” wertet Dr. Michael Plohmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, das Thema Mindestlohn bei den Handwerksbetrieben. „In den allermeisten Gewerken wird schon jetzt deutlich mehr gezahlt.” So etwa im Baugewerbe, wo schon heute die unterste Tarifgruppe bei 11,10 Euro liegt, bei den Dachdeckern gar bei 11,55 Euro. Und ein Elektrofachmann könne bis zu 19 Euro in der Stunde verdienen, so Plohmann: „Selbst in der oft als Beispiel für niedrige Löhne angeführten Friseurbranche kommen wir im Laufe des Jahres 2015 durch eine tarifvertragliche Regelung zu einem Mindestlohn von 8,50 Euro.”
Partiell gebe es auch im Handwerk Probleme, generell seien die 8,50 Euro aber „schon jetzt gelebte Praxis.” Und es besteht sogar die Hoffnung, dass ein ruinöser Preiskampf zwischen den Betrieben durch den Mindestlohn ein wenig gemildert wird. „Wenn sich denn auch wirklich alle dran halten”, so Plohmann.
Der Gaststättenverband
Die Gastronomie gilt als eine der Hauptverdächtigen, wenn es um niedrige Löhne geht. Zu Unrecht, wie Lars Martin, Geschäftsführer der Hagener Geschäftsstelle des deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), findet: „Die meisten Betriebe zahlen schon jetzt die 8,50 Euro.” Schließlich gebe es in NRW auch einen vom Bundesarbeitsministerium als allgemeinverbindlich erklärten Tariflohn von 8,50 Euro in den untersten Einkommensgruppen. „Es ist heute in unserer Brache sehr schwierig, gutes Personal zu bekommen, sagt Lars Martin. Allein das verbiete schon Dumping-Löhne. Probleme gebe es allenfalls im Bereich der Mini-Jobber.
Der Gewerkschaftsbund
Hagens DGB-Chef Jochen Marquardt ist überzeugt, dass der Mindestlohn zu mehr Gerechtigkeit führen wird. „Auch die Akzeptanz bei den Unternehmen wird zunehmen, wenn sie sicher sein können, dass der Mindestlohn auch von der Konkurrenz bezahlt wird.” Wichtig sei allerdings eine wirksame Überwachung. „Das ist kein Kavaliersdelikt.” Geldbußen bis zu 500.000 Euro seien möglich. Für die Kontrolle ist der Zoll zuständig, der auch die Schwarzarbeit verfolgt. Marquardt ist aber skeptisch, dass die vorgesehenen Kontroll-Kräfte ausreichend sind. „Vielleicht können wir ja mit der Stadt Hagen gemeinsam überlegen, ob es Möglichkeiten der Unterstützung gibt.“
Die Stadt
Die Stadt Hagen auf der Jagd nach Mindestlohn-Sündern? An das Szenario glaubt Hans Sporkert, Fachbereichsleiter für öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht: „Das gehört ganz klar nicht in unseren Kompetenzbereich.” Schwarzarbeit werde bislang allenfalls geahndet, wenn Verstöße bei den Kontrollen im Zuge der Gewerbeordnung festgestellt würden. Wenn es um den Mindestlohn gehe, „haben wir aber gar nicht das Fachwissen und das Personal”, so Sporkert.
Die Arbeitsagentur
Wenn es um die Kontrolle von Verstößen gegen den Mindestlohn geht, dann wird auch die Arbeitsagentur in Hagen nicht helfen können. „Den Bereich haben wir schon vor mehr als zehn Jahren an den Zoll abgegeben”, sagt deren Sprecher Ulrich Brauer. Allerdings hat der Mindestlohn durchaus Auswirkungen auf die Alltagsarbeit: „Wir dürfen Arbeitslose nur in Beschäftigungsverhältnisse vermitteln, die gesetzeskonform sind. Und das heißt ab 1. Januar: Der Mindestlohn oder der tariflich vereinbarte Lohn müssen gezahlt werden.” Alles andere sei sittenwidrig, so Brauer. Die Arbeitgeber seien gegenüber der Agentur auch auskunftspflichtig. Alle Angebote, die nicht den Mindestlohn enthielten, würden nun aus den Datenbanken gelöscht.